Die Autoren einer aktuellen Kontrollstudie empfehlen aufgrund ihrer Erfahrungen über
28 Wochen sowohl die intraartikuläre Hyaluronat- als auch die Platelet-Rich-Plasma-Injektion
bei osteochondralen Läsionen des Talus. Die Injektionen von PRP finden in letzter
Zeit bei einer Reihe verschiedener Knorpelund Sehnenbeschwerden der großen Gelenke
Anwendung.
Am J Sports Med 2012; 40: 534–541
mit Kommentar
Die zugrundeliegende Theorie der PRPTherapie bei einer osteochondralen Läsion ist,
dass die enthaltenen Wachstumsfaktoren heilungsfördernd auf beide Gewebetypen wirken
sollen. PRP wird aufgrund der hohen Konzentration an Wachstumsfaktoren auch in vielen
anderen Bereichen abseits der Orthopädie erforscht, z. B. bei Wundheilungsstörungen
der Kornea.
Orthopäde Omer Mei Dan, Kfar-Saba/Israel, und Kollegen nahmen 32 Patienten im Alter
zwischen 18 und 60 Jahren in ihre Studie auf, 29 konnten analysiert werden. Alle Patienten
hatten im Vorfeld der Studie aufgrund osteochondraler Läsionen am Talus erfolglos
konservative Therapien einschließlich Analgetika und NSAR erhalten. Die Autoren teilten
sie einer von zwei intraartikulären Injektionstherapien zu:
Mit Thrombozyten angereichertes Serum aus Eigenblut wird zunehmend auch bei Knorpelläsionen
der Gelenke eingesetzt. Eine intraartikuläre Injektion soll u. a. die Synovialflüssigkeit
verbessern, indem sie die endogene Sekretion von Hyaluronsäure induziert.(©Dörte Jensen/Thieme)
Die Therapien waren nicht verblindet, die Randomisierung wurde anhand des Zeitpunktes
der Patientenvorstellung vorgenommen (Quasi-Randomisierung).
Direkt nach jeder Injektion wurde das Sprunggelenk passiv in vollem Umfang bewegt.
Die Patienten erhielten die Anweisung, für 24 Stunden unnötige Fußwege zu vermeiden
und 2–3 Tage lang weder Sport zu treiben noch schwere körperliche Arbeit zu verrichten.
Als etwaiges Analgetikum empfahlen die Ärzte Paracetamol nach Bedarf, ferner baten
sie um den Verzicht auf NSAR für einschließlich 2 Wochen nach der letzten Injektion.
Als primäres Studienziel dienten die modifizierte Ankle-HindFoot-Skala (AHFS) und
die visuelle Analogsakala von 1–10 (VAS) für Schmerz unter diversen Aktivitäten sowie
für den Grad der Gelenksteife und Funktion (Fähigkeiten beim Treppensteigen etc.).
Die Untersuchungen fanden vor Therapiebeginn statt sowie 4, 12 und 28 Wochen nach
den Injektionen. Das subjektive Befinden der Patienten bezüglich der Funktion und
körperlicher Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten diente als sekundäres Studienziel.
Etwaige Gelenkschwellungen oder Druckempfindlichkeiten wurden ebenfalls bewertet.
Beide Gruppen profitieren
Die Patienten hatten Grad-1- bis -3-Läsionen. In beiden Gruppen verbesserten sich
die Symptome innerhalb von 28 Wochen nach der jeweiligen Injektion signifikant. Bei
Patienten der Gruppe 2 (PRP) war der Effekt auf die AHFS signifikant größer, ein Vorteil
durch die PRP-Injektion ergab sich ferner bei den VAS-Scores für Funktion und Steife,
jedoch nicht für den Schmerz. Patienten mit der PRP-Therapie gaben außerdem größere
subjektive globale Verbesserungen an (Tab. [
1
]). Nach 12 Wochen berichtete keiner der Patienten mehr über konstante Schmerzen,
unter denen vor der Therapie 22/29 Patienten gelitten hatten.
Tab. 1 Mittelwerte der Untersuchungsergebnisse zu Studienbeginn und nach der Injektionstherapie
bei 29 Patienten (30 Sprunggelenken).
In dieser Kontrollstudie mit Patienten, die an osteochondralen Läsionen am Talus litten,
verbesserten sowohl 3 intraartikuläre Natriumhyaluronat- als auch 3 PRP-Injektionen
die Symptome über einen Beobachtungszeitraum von 28 Wochen deutlich. Patienten mit
PRP profitierten stärker. Die Autoren halten beide Optionen für eine geeignete Firstline-Therapie
bei osteochondralen Läsionen, solange keine Indikation für eine Operation vorliegt.
Hr
Kommentar
Der Ansatz ist vielversprechend
Dr. Andreas Gösele
ist Leiter des Swiss Olympic Medical Center, crossklinik, Basel, einem Kompetenzzentrum
für Sportmedizin, Sportorthopädie und Rekonstruktive Chirurgie
Osteochondrale Läsionen des Talus sind relativ selten und treten in überwiegendem
Maß im Rahmen von Unfällen des oberen Sprunggelenks auf (Distorsionen, Frakturen,
chronische Instabilität). Der Heilungsverlauf ist abhängig von Ursache, Alter und
Schweregrad der Läsion. Spontane Heilungsverläufe werden ebenso beobachtet wie protrahierte
Verläufe mit chronischen Schmerzen über viele Jahre hinweg.
Die Diagnose wird klinisch-radiologisch gestellt (Röntgen, CT, MRI und SPECT-CT) und
dient als Basis verschiedener Klassifikationen, die den Schweregrad festlegen. Grundsätzlich
wird unterschieden, ob die Läsion nur oberflächlich oder tiefer gelegen ist. Man differenziert,
ob die Knorpeloberfläche intakt oder unterbrochen ist und ob das Fragment in situ
verweilt oder disloziert ist.
Konservative Therapie noch undefiniert
Die "höheren Schweregrade" werden in der Regel operiert, die leichteren hingegen konservativ
behandelt. Hinsichtlich der operativen Therapie gibt es viele unterschiedliche Therapieansätze,
während die konservative Therapie nur wenig untersucht und praktisch nicht definiert
ist. Vielmehr scheint die konservative Behandlung in einer mehr oder weniger langen
Wait-and-see-Strategie zu bestehen, die mit etwas Bauchgefühl und Erfahrung gepaart
als konservativer Behandlungsalgorithmus verkauft wird.
PRP – Wundermittel der Zukunft?
Die vorliegende Arbeit von Mei-Dan et al. "Platelet-Rich Plasma or Hyaluronate in
the Management of Osteochondral Lesions of the Talus" [
1
] liefert somit einen innovativen Lösungsansatz der konservativen Behandlung der OCD
am Talus, der durchaus erfolgversprechend zu sein scheint.
Während Hyaluronsäurepräparate schon seit vielen Jahren, zum Teil auch kontrovers
diskutiert, in der Behandlung der Osteoarthritis eingesetzt werden, ist die Anwendung
von PRP-Präparaten vergleichsweise neu auf dem Markt.
PRP ist ein angereichertes Plättchenpräparat, das aus Eigenblut gewonnen und reich
an vielen und unterschiedlichen Wachstumsfaktoren ist (PDGF, TGF-β, PDEGF, VEGF, iGF-1
...) [
2
]. PRP wird aktuell bei diversen muskuloskeletalen Erkrankungen und Verletzungen eingesetzt.
Es werden die folgenden Einsatzbereiche unterschieden: Bänder, Sehnen, Muskeln und
auch Knorpel. Die aktuelle Studienlage zur Wirksamkeit ist je nach Indikation sehr
unterschiedlich und reicht von einer großen Zahl an Level-4-Studien bis hin zu einer
sehr überschaubaren Zahl an Level-1-Arbeiten. Dennoch scheint das Präparat, dies zeigen
die meisten Studien, eine zum Teil auch nachhaltige Wirkung zu erzielen.
Was zeichnet die Studie aus?
Die Arbeit zeigt uns zwei unterschiedliche Behandlungswege in der Therapie der OCD
des Talus auf, zumindest was die Schweregrade 1–3 anbelangt. Beide Lösungsansätze
sind innovativ. Den Einsatz der Hyaluronsäure bei OCD des Talus haben Mei-Dan und
seine Arbeitsgruppe bereits 2008 als neuartig beschrieben [
3
]. Offensichtlich werden die damals beschriebenen guten Behandlungserfolge der konservativen
Hyaluronsäuretherapie von den Resultaten der nun vorgestellten PRP-Behandlung sogar
noch übertroffen. Wenngleich auch noch keine Langzeitergebnisse vorliegen, scheint
der mittelfristige Verlauf von 6 Monaten durchaus positiv und signifikant zu sein.
Das klinische Ergebnis wird erhärtet durch ein Tiermodell, bei dem PRP-Injektionen
die Einheilung von osteochondralen Läsionen beim Hasen verbessert haben [
4
].
Studienmängel lassen Fragen offen
Mei-Dan et al. vergleichen die Ergebnisse von zwei verschiedenen Injektionspräparaten
und deren Outcome miteinander. Weder die erste Arbeit [
3
] noch die aktuelle weisen eine Kontrollgruppe auf. Es werden ausschließlich klinische
Scores, die zwar validiert sind, als Beurteilungskriterium herangezogen, aber eine
objektive Beurteilung mittels eines bildgebenden Verfahrens erfolgt nicht. Gerade
diese Beurteilung wäre jedoch für die langfristige Beurteilung der Verfahren sehr
hilfreich. Ohne objektive Beurteilung und ohne Placebokontrolle lässt sich ein – auch
potenziell hoher – Placeboeffekt praktisch nicht ausschließen. Weder ist der genaue
Wirkungsmechanismus von PRP im Detail bekannt, noch sind die Herstellungsverfahren
standardisiert. Somit wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Herstellungsverfahren
zumindest nicht mit absoluter Sicherheit möglich sein.
Wohin geht die Reise?
Die Arbeit ist ein Anreiz, in diese Richtung weiter zu gehen. Prospektive, kontrollierte
und randomisierte Studien in Kombination mit objektiven und innovativen Diagnoseverfahren,
wie beispielsweise die SPECT-CT (single photon emission computed tomography) [
5
], könnten uns helfen, eine durchaus praktikable und kostengünstige Behandlungsmethode
zu etablieren. Sollten die ausstehenden Langzeitergebnisse den Behandlungserfolg bestätigen,
wären die Verfahren eine Alternative zu den teureren und invasiven operativen Verfahren
und erst recht zur bisherigen "Wait-and-see-Taktik".
Dr. Andreas Gösele, Basel