Schlüsselwörter
V. A. C.-Instill®-Therapie - Wundinfektion - MRSA
Key words
V. A. C.-INSTILL® therapy - wound infection - MRSA
Einleitung
Die möglichst vollständige Eradikation der Wundinfektion ist die grundlegende
Voraussetzung für einen definitiven und rezidivfreien Wundverschluss. Der Einsatz
der Niedrigdruck-Therapie hat in den letzten Jahren das Management sowohl der akuten
als auch der chronischen Wundinfektion entscheidend modifiziert. Die für den
klinischen Einsatz verfügbare Kombination der Vakuumtherapie mit einer
intermittierenden Spülung der Wundoberfläche mit einem Medikamententräger oder
Antiseptika erwies sich bislang als eine sinnvolle klinische Anwendung einerseits
zur Keimreduktion und anderseits zur Wundkonditionierung. Diese moderne
Saug-Spül-Therapie bietet auch im Bereich der septischen Thoraxchirurgie einen
innovativen Ansatz zur raschen Infekteradikation und vollständigen Sanierung der zum
Teil schichtübergreifenden Wundinfektion. Die ersten Ergebnisse und die möglichen
Indikationen für eine V. A. C.-Instill®-Therapie werden in diesem Bericht
zusammengefasst.
Patienten/Material und Methoden
Patienten/Material und Methoden
Im Zeitraum 11. 2009–01. 2012 wurde die V. A. C.-Instill®-Therapie in unserer
Thoraxchirurgischen Abteilung in 11 Fällen angewandt ([Tab. 1]). Bei 2 Patientinnen lag eine chronische Sternumosteomyelitis
infolge einer Radionekrose und chronischer Wundinfektion mit einem multiresistenten
Staphylococcus aureus vor. Ein Patient zeigte eine frühe
Sternumosteomyelitis mit Finegoldia magna nach einer konventionellen
Trichterbrustkorrektur. Bei 3 Patienten wurde ein chronisches postoperatives
Pleuraempyem nach Lobektomie (1 Streptococcus viridans, 1 Mischinfektion
u. a. mit MRSA) und nach Pneumektomie (1 MRSA) nachgewiesen. Bei einer Patientin
trat früh postoperativ nach linkseitiger Oberlappenresektion ein Pleuraempyem mit
Bronchusstumpfinsuffizienz und einem weiträumigen Durchbruch der Infektion in die
extrathorakalen Weichteile auf. In 2 Fällen lag ein akutes Pleuraempyem mit
ausgedehnter Phlegmone im Bereich der thorakalen Weichteile (2 Streptokokken) vor.
Eine septische Arthritis des Sternoklavikulargelenks mit Gelenkdestruktion und
ausgedehnter Phlegmone in den zervikalen Weichteilen wurde in 2 Fällen behandelt (1
Streptococcus pneumoniae, 1 Staphylococcus aureus).
Tab. 1 Patientendaten mit Behandlungscharakteristika
Pat.
|
Alter (Jahre)
|
Indikation
|
Mibi vor V. A. C. Instill®
|
Dauer (d)
|
Instillation (s)
|
Einwirkzeit (min)
|
Sogstärke zu Beginn (mmHg)
|
Sogstärke (mmHg)
|
Mibi nach V. A. C. Instill®
|
Anwendung
|
Sekundäreingriff
|
MRSA: Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus; Mibi:
Mikrobiologisches Präparat
|
1
|
68
|
Sternumosteomyelitis
|
MRSA
|
9
|
16
|
18
|
75
|
125
|
steril
|
extrathorakal
|
Latissimus-Lappenplastik
|
2
|
70
|
Sternumosteomyelitis
|
Staphylococcus aureus
|
5
|
17
|
18
|
75
|
125
|
steril
|
extrathorakal
|
Latissimus-Lappenplastik
|
3
|
23
|
Sternumosteomyelitis
|
Finegoldia magna
|
5
|
18
|
18
|
100
|
125
|
Finegoldia magna
|
extrathorakal
|
|
4
|
23
|
Sternumosteomyelitis
|
Finegoldia magna
|
8
|
18
|
18
|
75
|
125
|
steril
|
extrathorakal
|
Omentopexie
|
5
|
72
|
Post-Lobektomie-Empyem
|
MRSA, Pseudomonas, Klebsiella
|
10
|
19
|
18
|
100
|
125
|
MRSA
|
intrathorakal/extrathorakal
|
|
6
|
32
|
Post-Pneumektomie-Empyem
|
MRSA
|
7
|
222
|
18
|
100
|
150
|
MRSA
|
intrathorakal
|
|
7
|
32
|
Post-Pneumektomie-Empyem
|
MRSA
|
6
|
18
|
18
|
125
|
150
|
Steril
|
intrathorakal
|
Thorakoplastik
|
8
|
44
|
Post-Lobektomie-Empyem
|
Streptococcus viridans
|
6
|
19
|
18
|
100
|
125
|
steril
|
intrathorakal
|
Thorakoplastik
|
9
|
50
|
akutes Pleuraempyem
|
Streptococcus anginosus
|
6
|
24
|
18
|
75
|
125
|
steril
|
intrathorakal/extrathorakal
|
Sekundärnaht
|
10
|
35
|
akutes Pleuraempyem
|
Streptococcus anginosus
|
7
|
26
|
18
|
100
|
125
|
steril
|
intrathorakal/extrathorakal
|
Sekundärnaht
|
11
|
74
|
chronisches Pleuraempyem
|
MRSA
|
7
|
23
|
18
|
100
|
125
|
steril
|
intrathorakal
|
Latissimus-Lappenplastik
|
12
|
59
|
Sternoklavikulargelenk-Arthritis
|
Streptococcus pneumoniae
|
4
|
30
|
18
|
100
|
125
|
steril
|
extrathorakal
|
Pectoralis-Lappenplastik
|
13
|
55
|
Sternoklavikulargelenk-Arthritis
|
Staphylococcus aureus
|
5
|
36
|
18
|
100
|
125
|
steril
|
extrathorakal
|
Pectoralis-Lappenplastik
|
Die primäre operative Sanierung der Wundinfektion wurde durch ein ausgedehntes
lokales Débridement und Nekrosenabtragung durchgeführt. Die Wundoberfläche wurde
sowohl extrathorakal als auch intrathorakal zunächst mit Lavasept 0,2 % und
anschließend mit Ringer-Lösung ausgespült. Danach erfolgte die standardisierte
Anlage eines Vakuumverbands unter Verwendung von Polyvinylalkoholschwämmen (V. A. C.
Instill® WhiteFoam Dressing, KCI Inc., San Antonio, TX, USA) mit 2 bereits in den
Schwamm integrierten, 14 Ch. großen Schlauchableitungen als unterste Schicht mit
breitflächigem Kontakt zur infizierten Wundoberfläche in Kombination mit je nach
Wundgröße einem oder mehreren Polyurethanschwämmen (V. A. C.® GranuFoam™, KCI Inc.,
San Antonio, TX, USA). Die Absaugdrainagen wurden transvulnär ausgeleitet. Der
luftdichte Wundverschluss wurde durch eine standardisiert durchgeführte
Sandwich-Klebetechnik mit der bakterienundurchlässigen, durchsichtigen und
luftdichten Verbandsfolie erreicht ([Abb. 1]). Bei der
intrathorakalen Anwendung wurde auf die vollständige Obliteration der Pleurahöhle
mit Polyurethanschwämmen geachtet. Diese Schwammkombination ermöglichte den
adäquaten Kontakt zur Wundoberfläche, die effektive Infektsanierung durch eine
Benetzung der gesamten Wundoberfläche mit Antiseptikum und den restlosen Abtransport
der instillierten Lavasept-Lösung zusammen mit Wundsekret und Wunddetritus. Eine
visuelle Kontrolle über den Zustand des Vakuumverbands war immer durch einen auf der
Wundoberfläche sichtbaren Schwammanteil möglich. Die V. A. C.-Instill®-Therapie
wurde mit der Instillationsphase eingeleitet. Dabei wurde auf die vollständige
Benetzung der Wunde mit Lavasept-Lösung geachtet und die Dauer der
Instillationsphase an die Wundgröße angepasst. Die Einwirkzeit wurde standardisiert
auf 18 min eingestellt. Der Zyklus wurde mit einer 120 min dauernden Vakuumphase
abgeschlossen. Danach wurde stufenlos der nächste Therapiezyklus mit der
Instillation eingeleitet. Die computerassistierte Steuerung der
V. A. C.-Instill-Therapie wurde unter Verwendung der V. A. C.-Instill®-Saugeinheit
(V. A. C. Instill®, San Antonio, TX, USA) durchgeführt.
Abb. 1 Intrathorakale V. A. C.-Instill®-Therapie mit Lavasept 0,2 % nach
Anlage des Vakuumverbands mit Kombination von Polyvinylalkoholschwamm (V. A. C.
Instill® WhiteFoam Dressing, KCI Inc., San Antonio, TX, USA) und
Polyurethanschwamm (V. A. C.® GranuFoam™, KCI Inc., San Antonio, TX, USA) mit
kompletter Ausfüllung der intrathorakalen Residualhöhle (Bild rechts). Die
Klebefolie wird in Sandwich-Technik appliziert. Die Instillationsleitung ist mit
einem Pfeil markiert. Die andere Leitung sorgt für den restlosen
Sekretabtransport (Bild links).
Ergebnisse
Das mittlere Patientenalter war 48,8 ± 18,9 Jahre. Die V. A. C.-Instill®-Therapie
wurde in 5 Fällen extra-, in 3 Fällen intra- und bei weiteren 3 Patienten kombiniert
sowohl extra- als auch intrathorakal durchgeführt. In 2 Fällen wurde die
V. A. C.-Instill®-Therapie im weiteren Verlauf aufgrund der zunächst vorliegenden
Persistenz der Wundinfektion wiederholt (1 intra-, 1 extrathorakal). Die
Therapiedauer betrug 6,5 ± 1,7 Tage. Die mittlere Instillationszeit war 21,2 ± 4,6
s, gefolgt von der standardisierten Einwirkzeit von 18 min. Die Sogstärke lag zu
Beginn der Therapie bei 94,2 ± 15 mmHg und wurde innerhalb der ersten 3 Tage auf
128,8 ± 9,4 mmHg gesteigert. Es wurden keine mit der V. A. C.-Instill®-Therapie in
Verbindung stehenden Komplikationen beobachtet. Die Patienten waren während der
V. A. C.-Instill®-Therapie subjektiv beschwerdefrei. In 10 Fällen wurden
mikrobiologisch sterile Lokalendverhältnisse erzielt. Bei einer Patientin mit einer
vorliegenden sowohl intra- als auch extrathorakalen Mischinfektion mit MRSA,
Klebsiella und Pseudomonas konnte infolge der lokalen
V. A. C.-Instill®-Therapie keine Eradikation erzielt werden und die Wundinfektion
persistierte. Im weiteren Verlauf verstarb die Patientin an der
Durchwanderungsperitonitis und der therapierefraktären MRSA-Sepsis. Der definitive
Wundverschluss wurde in 5 Fällen durch eine gestielte Muskellappenplastik oder die
Omentopexie erreicht (2 M. latissimus dorsi, 2 M. pectoralis major, 1 Omentum). Eine
Latissimus-Lappenplastik wurde zur vollständigen Obliteration einer chronischen
intrathorakalen Residualhöhle durchgeführt. In 2 Fällen gelang der frühzeitige
Thoraxverschluss nach der kompletten Sanierung des akuten Pleuraempyems und
Eradikation der Weichteilinfektion. In 2 Fällen wurde eine lokale Thorakoplastik mit
einem intrathorakalen Muskeltransfer zur vollständigen Obliteration der
intrathorakalen Resthöhle kombiniert. Alle Patienten blieben während der weiteren
Nachsorge rezidivfrei.
Diskussion
Mit der Einführung der modernen Niedrigdrucktherapie wurde das chirurgische
Management sowohl der akuten als auch chronischen Wundinfektion entscheidend
modifiziert [1], [2]. Aktuell
wird sie in Kombination mit ausgedehntem chirurgischen Débridement und der
Antibiotikagabe häufig als die Therapie der ersten Wahl auch bei den tief nach
intrathorakal reichenden Wunden angesehen [3]. Die
Erweiterung der konventionellen Vakuumtherapie durch die intermittierende
Spültherapie mit antiseptischer oder antibiotischer Lösung sucht die Vorteile der
beiden Therapiemodalitäten zu bündeln. Die Granulationsinduktion, verbunden mit
adäquater Wunddrainage und der Vermeidung von Wundsekretretention, wird mit einer
von der effektiven Keimzahlreduktion bis hin zur vollständigen Infekteradikation
reichenden Spültherapie kombiniert. Die moderne Form der Saug-Spül-Drainage wurde
bereits erfolgreich bei der chronischen Osteomyelitis und den ausgedehnten
Weichteilinfekten im Bereich der Plastischen Chirurgie [4], [5], [6] und
den periprothetischen Infektionen im Bereich der Unfallchirurgie und Orthopädie
[7], [8], [9] oder bei ausgedehnten Weichteilinfektion in Kombination
mit Osteomyelitis [10] und im Bereich der
Wirbelsäulenchirurgie eingesetzt [11]. In den meisten
Fällen war infolge der V. A. C.-Instill®-Therapie eine Keimfreiheit sowohl in den
Wundabstrichen, repräsentativen Gewebsbiopsien oder Gelenkpunktaten vor dem
definitiven Wundverschluss zu erzielen. Die Wundinfektion mit den multiresistenten
Keimen bietet einen weiteren sinnvollen Therapieansatz für die intermittierende
Wundspülung mit antiseptischer Lösung, da die antibiotische Therapie nur begrenzt
eingesetzt werden kann [12]. Die tiefreichenden
Wundinfektionen, vor allem in Kombination mit Osteomyelitis, bedürfen häufig
mehrerer Revisionseingriffe einschließlich einer radikalen Therapie in Form von
Amputation und resultieren deswegen häufig in einer erhöhten Morbidität und
Letalität der Patienten [13].
Die V. A. C.-Instill®-Therapie wurde im Bereich der septischen Thoraxchirurgie
erstmalig eingesetzt. Aus unserer Sicht gibt es mehrere Patientenkollektive, die von
den guten Erfahrungen aus den anderen chirurgischen Bereichen profitieren können.
Vor allem dann, wenn andere flankierende Maßnahmen wenig effektiv sind. Neben dem
akuten Pleuraempyem mit der ausgedehnten Beteiligung der Weichteile kann die
Instillationstherapie bei chronischer Sternumosteomyelitis und den
chronisch-infizierten intrathorakalen Resthöhlen eingesetzt werden. In den von uns
behandelten Fällen konnten mikrobiologisch nachgewiesene keimfreie Wundverhältnisse
erreicht werden. Eine effektive Keimzahlreduktion bis zu möglichst restloser
Infekteradikation ist aus unserer Sicht die absolute Voraussetzung für den
definitiven Wundverschluss. Die Deckung der Wundoberfläche mit einem gut
vaskularisierten Gewebe wie z. B. mit dem Muskellappen oder dem Omentum im Rahmen
der interdisziplinären Wundbehandlung erhöhen die Aussichten auf eine rezidivfreie
Wundheilung trotz der häufig vorliegenden Mischinfektion oder der Multiresistenz der
Keime.
Schlussfolgerung
Der Einsatz der V. A. C.-Instill®-Therapie im Bereich der septischen Thoraxchirurgie
bietet die Chance zur Optimierung der Wundbehandlung sowohl im Rahmen der
intrathorakalen als auch der extrathorakalen Anwendung. Rasche und effiziente
Sanierung der Wundinfektion und damit verbundene kurze Vakuumtherapie bei Vorliegen
von Problemwunden bietet die Möglichkeit zur rezidivfreien Wundversorgung unabhängig
von der Resistenzlage und der Kombination der Keime.