Zentralbl Chir 2013; 138(1): 76-83
DOI: 10.1055/s-0032-1315177
Übersicht
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Radiologisch-interventionelle Verfahren zur Therapie von kolorektalen Lebermetastasen

Interventional Radiological Procedures in the Therapy for Colorectal Liver Metastases
R. Damm*
1   Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Magdeburg, Deutschland
,
R. Seidensticker*
1   Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Magdeburg, Deutschland
,
J. Ricke
1   Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Magdeburg, Deutschland
,
M. Seidensticker
1   Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Magdeburg, Deutschland
› Institutsangaben
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Korrespondenzadresse

Dr. Max Seidensticker
Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
Deutschland
Telefon: 03 91/67-1 30 30   
Fax: 03 91/67-1 30 29   

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. Februar 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Mikrotherapeutische Verfahren in der interventionellen Radiologie stellen bei Inoperabilität (technische Inoperabilität, funktionelle Inoperabilität, Komorbiditäten, Wunsch des Patienten) neben der Chemotherapie eine Möglichkeit zur lokalen Kontrolle von Lebermetastasen dar. Einen Schwerpunkt stellen lokale Verfahren wie die Radiofrequenzablation oder die interstitielle Brachytherapie dar, bei denen unter Bildführung durch Ultraschall sowie CT- oder offene MRT-Systeme eine thermische bzw. radiogene Ablation der Malignome durchgeführt wird. Diese erweisen sich als sehr effektiv, sind dabei aber auf einen oligonodulären Befall limitiert. Zur Behandlung einer disseminierten Metastasierung haben sich lokoregionäre Techniken wie die Yttrium-90-Radioembolisation etabliert. Hier wird unter angiografischer Kontrolle der Wirkstoff in Form von radioaktiv markierten Mikrosphären über einen arteriellen Zugang appliziert. Dieser Artikel fokussiert sich auf Metastasen des kolorektalen Karzinoms als häufigste Tumorentität zur interventionell-radiologischen Therapie.


Abstract

Microtherapeutic procedures performed by interventional radiologists pose a viable alternative or additive to systemic chemotherapy for local tumour control in cases of non-operable (for technical, functional, and comorbidity reasons or at the patientʼs wish) liver metastases. A main focus includes local therapies such as radiofrequency ablation and interstitial brachytherapy which are performed under ultrasound, CT or MRI guidance to achieve a thermal or radiogenic ablation of the malignancy. Although highly effective, these procedures are limited to oligonodular manifestations. For disseminated metastases, locoregional techniques like the yttrium-90 radioembolisation have become established. Here, the active principle in the form of radioactively labelled microspheres is introduced into the liver through an arterial catheter under angiographic guidance. The present article focuses on metastases of colorectal cancer as the most frequent tumour entity encountered in interventional radiotherapy.


Einführung

Die Leber ist das häufigste Zielorgan einer hämatogenen, portalvenösen Metastasierung von gastrointestinalen Tumoren.

Dabei entstammt etwa die Hälfte der Lebermetastasen einem kolorektalen Karzinom (CRC). In vielen Fällen wird das Überleben durch die hepatische Metastasierung begrenzt; bei hepatisch metastasierten kolorektalen Karzinomen im natürlichen Verlauf finden sich exemplarisch über alle Stadien hinweg 1-Jahres-Überlebensraten bei lediglich einem Drittel der Patienten. Bei disseminiertem Befall (hepatisch und extrahepatisch) ergeben sich ohne Therapie noch deutlich geringere Überlebenszeiten [1], [2].

Als bislang einziges kuratives Verfahren gilt die chirurgische Resektion der Lebermetastasen, obwohl für bestimmte mikrotherapeutische Verfahren ein kuratives Potenzial diskutiert wird [3].

In potenziell kurativer Intention oder zum Erreichen einer Langzeitremission wird eine R0-Resektion angestrebt. Durch Resektion der Lebermetastasen kann ein 5-Jahres-Überleben zwischen 28 und 48 % der Patienten erreicht werden [4].

Nur für ein hoch selektioniertes Patientengut ermöglichen wiederholte Resektionen in der retrospektiven Auswertung ein 5-Jahres-Überleben von 73 % [5].

Viele Patienten mit hepatisch metastasiertem CRC zeigen jedoch ein intra- oder extrahepatisches Rezidiv im Verlauf nach R0-Resektion. Der initial kurative Therapieansatz kann somit nur für einen selektierten Anteil der Patienten dauerhaft erreicht werden [6].

Im Falle einer Irresektabilität (ca. ⅔ der Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen) steht oftmals die systemische Chemotherapie im Vordergrund der Therapiebemühungen. Für das metastasierte kolorektale Karzinom ist die Therapie mit einer Kombination aus 5-Fluorouracil und Folinsäure mit Oxaliplatin oder Irinotecan der derzeitige Standard, der gegebenenfalls um Antikörper wie Bevacizumab ergänzt werden kann. Hiermit kann ein medianes Überleben von über 20 Monaten erreicht werden [7].

Als weiterer Zweig in der interdisziplinären Tumortherapie bieten die radiologisch-interventionellen Verfahren zahlreiche Möglichkeiten zur Tumorkontrolle in der Leber und können somit zur Verlängerung des Überlebens beitragen [8]. Speziell Patienten, die die Kriterien für eine Metastasenresektion initial oder im Verlauf nicht erfüllen oder deren Allgemeinzustand die weitere Anwendung von Zytostatika limitiert, können von den durch niedrige Mortalität und Morbidität charakterisierten minimalinvasiven Verfahren profitieren [9].

Aufgrund der allgemeinen Verbreitung wird in diesem Artikel als Entität das kolorektale Karzinom thematisiert. Dabei möchte dieser Artikel den Lesern unter den zahlreichen radiologischen Verfahren die Radiofrequenzablation (RFA), weitere lokale Verfahren wie die laserinduzierte Thermotherapie (LITT), die interstitielle Brachytherapie sowie die Radioembolisation (RE) vorstellen und die vorliegenden Studienergebnisse ([Tab. 1]) kritisch diskutieren. Erwähnung finden ebenfalls die Nebenwirkungen dieser Therapien.

Tab. 1 Langzeitergebnisse nach interventioneller Therapie kolorektaler Lebermetastasen.

Autor

Pat.-

Metastasen

Ergebnisse

Anzahl

Anzahl

Größe (cm)

medianes Follow-up (m)

lokale Kontrolle (%)

Überlebensrate (%), (0,5/1/5y)

Median OS (m)

Median PFS (m)

* laparoskopische RFA; ** laparoskopische RFA nach Hemihepatektomie; *** Kombinationsregime mit Chemotherapie (5-FU intraarteriell o. systemisch); # Überlebensangabe nur für Therapieresponder; ## gemischte Kollektive mit offener/perkutaner MWA bzw. MWA und RFA, aus Boutros et al. 2010 [37]; OS: Overall survival; PFS: progressionsfreies Überleben.

Radiofrequenzablation

Solbiati et al. 2001 [10]

117

179

0,9–9,6

6–52

61

–/93/–

36

12

Gillams et al. 2005 [11]

167

1–27 p. P.

1–12

–/91/25

31

Berber et al. 2005 [12]*

135

1–12 p. P.

1,2–10,2

28,9

Siperstein et al. 2007 [13]**

234

292

< 10,2

24

–/–/18

24

Gillams et al. 2009 [14]

309

n < 5 p. P.
n > 5 p. P.

< 5
> 5



–/–/18
–/–/3

28
14


Sofocleous et al. 2011 [15]

56

71

0,5–5,7

–/91/–

31

LITT

Mack et al. 2001 [16]

393

1 203

< 5

> 18

97/93/30

42

Vogl et al. 2004 [17]

603

1 801

< 5

> 18

–/94/37

35

Pech et al. 2007 [18]

66

117

< 5

8,7

–/–/–

23

6,1

Mikrowellenablation ##

Morita et al. 2004 [19]

52

–/–/20–24

Ogata et al. 2008 [20]

50

2,1

33

–/–/32

interstit. Brachytherapie

Ricke et al. 2010 [21]

73

199

1–13,5

41

75

23,4

6

Radioembolisation

Tumorlast

Stubbs et al. 2006 [22]***

80

3

83

Kennedy et al. 2006 [23]

208

13

10,5#

Jakobs et al. 2008 [24]

41

10,5

Cosimelli et al. 2010 [25]

50

< 25–50 %

11

–/50/–

12,6

3,7

Seidensticker et al. 2011 [26]

29

20–50 %

8,3

5,5

Kosmider et al. 2011 [27]***

19

18,6

29,4

10,4


Lokale Verfahren

Radiofrequenzablation

Die Radiofrequenzablation (RFA) ist einerseits als intraoperativ eingesetztes Verfahren etabliert und stellt andererseits das aktuell verbreitetste radiologisch-interventionelle Verfahren zur perkutanen Ablation von Lebermetastasen dar. In beiden Anwendungen wird äquivalent zur chirurgischen Resektion eine vollständige Eliminierung der Tumorzellen angestrebt.

Bei der RFA wird mittels Applikation von Wechselströmen im Gewebe eine Hyperthermie mit folgender Koagulationsnekrose erzeugt, die auf eine Größe von bis zu 5 cm ausgedehnt werden kann, wobei durch Umpositionierung der Nadel eine größere Ablationszone erreicht werden kann [28]. Zur kompletten Ablation wird ein Sicherheitssaum von 1 cm um den Tumor eingeschlossen. Die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie empfiehlt einen maximalen Tumordurchmesser von 3,5 cm zur sicheren Ablation bei multifokaler Metastasierung sowie bei einem unifokalen Herd einen maximalen Durchmesser von 5 cm mit 7 cm messender Ablationszone [29]. Um mit einer Resektion vergleichbare Ergebnisse zu erreichen, ist nach aktuellen Studien eine maximale Metastasengröße von 3 cm empfehlenswert [30].

Limitationen des Verfahrens sind vor allem Kühlungseffekte durch benachbarte Gefäße, die begrenzte Größe der induzierten Koagulationsnekrose und die Hitzevulnerabilität angrenzender Strukturen (Gallengänge etc.).

Die RFA kann perkutan sowohl unter sonografischer Bildführung als auch CT- oder MRT-gestützt angewendet werden. Nachteil der Sonografie ist hierbei die Bildempfindlichkeit gegenüber der wärmebedingten Gasbildung im Verlauf der Ablation und die schlechte Darstellbarkeit tieferer Leberabschnitte [31]. Hier zeigt sich ein Vorteil der fluoroskopischen Nadelplatzierung und Ablation in der Computertomografie [32]. Die Anwendung in der offenen MRT bietet darüber hinaus das simultane Monitoring der Temperaturentwicklung und die multiplanare Darstellung der Applikatoren, die eine optimale Platzierung erlaubt [33]. Ein Beispiel einer bildgeführten Radiofrequenzablation und Nachsorge 3 Monate postinterventionell findet sich in [Abb. 1] sowie [Abb. 2].

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Abb. 1 Periinterventionelles CT: hypodens demarkierte Lebermetastase (Pfeile) mit einliegender Radiofrequenzsonde.
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Abb. 2 Postinterventionelles MRT 3 Monate nach RFA: Residuelle Narbe (Pfeile) mit nachgeschalteter Begleitreaktion und leichtem perifokalen Ödem, angrenzend in der Peripherie leicht erweiterter Gallengang. In der weiteren Nachsorge zeigte sich eine anhaltende Remission (T2w mit Fettsuppression).

Die klinische Anwendung ist bisher in vielen Studien evaluiert, jedoch finden sich häufig monozentrische Erfahrungen ohne Vergleichsarme. Darüber hinaus ist eine Stratifizierung nach begleitenden oder folgenden Therapien im Beobachtungszeitraum schwierig.

Für die intraoperative, ultraschallgestützte Ablation bei teils größeren Läsionen findet sich ein medianes Überleben von 24 bis 29 Monaten bei großen Fallzahlen. Nach der radiologisch-interventionellen, perkutanen RFA sind bedingt vergleichbare Ergebnisse von 28 bis 36 Monaten dokumentiert, wobei diese Daten bei meist nicht resektablen Patienten erhoben wurden und eine negative Selektion vermutet werden darf [10], [12], [13], [14].

Als Komplikationen der Radiofrequenzablation sind hitzeinduzierte Effekte auf benachbarte Organstrukturen zu nennen, u. a. Gallengangsstenosen, arteriovenöse Fisteln und Gefäßthrombosen. Daneben können alle typischen Ereignisse infolge einer Leberpunktion auftreten, darunter Blutungen und Infektionen. Die Häufigkeit der diesbezüglichen Majorkomplikationen wird mit 1,9–6 % angegeben. Eine spezielle Form der Nebenwirkung ist das Postablationssyndrom, welches bei etwa einem Drittel der Ablationen mit Fieber, Schwindel und Schmerzen nach 3 bis 5 Tagen auftritt. Als weitere Problematik wird die Induktion von Stichkanalmetastasen (Häufigkeit ca. 2,7 % in Abhängigkeit von der Tumorentität) diskutiert [34].


Laserinduzierte Thermotherapie und weitere lokalablative Verfahren

Bei der LITT wird durch Nd:YAG-Laser mit einer Wellenlänge von 1064 nm eine Hyperthermie erzeugt [35], die identisch zur Radiofrequenzablation wirkt und ebenso in der MR-Bildgebung überwacht werden kann [16]. Das Verfahren wurde insbesondere zur Anwendung im Kernspintomografen konzipiert, da anfangs keine MR-kompatiblen RFA-Sonden zur Verfügung standen und nur mit dieser Methode der erhöhte Weichteilkontrast und die Möglichkeit der Onlinethermometrie der MRT genutzt werden konnte.

Mit der laserinduzierten Thermotherapie können zirkuläre Nekrosen mit einem Durchmesser von bis zu 5 cm (in Multiapplikatortechnik Erweiterung der Ablationszone bzw. Optimierung der Ablationsgeometrie möglich) erzeugt werden und der therapeutische Ansatz unterliegt damit denselben Beschränkungen wie denen der RFA (größere Tumoren, Nähe von kühlenden Gefäßen oder hitzesensibler Strukturen) sowie ebenfalls vergleichbaren Komplikationen bei etwa 2,2 % der Patienten [35]. Nachteile der LITT sind die recht hohen Anschaffungskosten der Lasergeneratoren und die preisintensiven Applikatoren und Laserfasern.

Vor dem Hintergrund des Heat-Sink-Effekts könnte die Mikrowellenablation (MWA) eine geeignete Alternative zu LITT und RFA darstellen, da hierbei die Nachbarschaft zu größeren Gefäßen technisch nicht limitierend ist und gleichzeitig größere Ablationsvolumina möglich sind [36].

Für die laserinduzierte Thermotherapie sind zur Radiofrequenzablation vergleichbare 1-Jahres-Überlebensraten von über 90 % an großen Patientenkollektiven publiziert, nach 5 Jahren leben jeweils noch ungefähr ein Drittel der Patienten. Das mediane Überleben ist mit 23 bis 42 Monaten angegeben [16], [18].

Obwohl noch nicht an größeren Patientenzahlen für das kolorektale Karzinom validiert, sind auch nach der Mikrowellenablation 5-Jahres-Überlebensraten von bis zu 32 % möglich [37].

Ein weiteres vielversprechendes Verfahren stellt die irreversible Elektroporation dar. Bei dieser wird über eine Stromapplikation die Zellmembran der Zellen geschädigt und somit der Zelltod induziert. Erste klinische Untersuchungen zeigen sowohl die Machbarkeit als auch Verträglichkeit zur Ablation von Lebermetastasen [38]. Bisher fehlen jedoch Langzeiterfahrungen hinsichtlich der lokalen Kontrolle, des Überlebens und möglicher Komplikationen.


Interstitielle Brachytherapie

Als weiteres perkutan durchgeführtes Interventionsverfahren kann die Brachytherapie zur Tumormassereduktion und vollständigen Ablation bei Lebermetastasen eingesetzt werden, die aufgrund ihrer Größe nicht mehr einer RFA zugänglich sind. Darüber hinaus ergeben sich bei diesem Verfahren keine Einschränkungen durch Kühlungseffekte benachbarter Gefäße. Neben dem intraoperativen Einsatz (IORT) können unter Kontrolle durch CT- oder offene MRT-Systeme Bestrahlungskatheter in die Leberherde eingelegt werden. Nach Erstellen eines Planungs-CT/-MRT mit den einliegenden Kathetern erfolgt die Bestrahlungsplanung und anschließend die computergestützte Bestrahlung mittels einer Iridium-192-Quelle in Afterloading-Technik. Die bildgeführte Durchführung mittels CT oder MRT erlaubt hierbei eine komplikationsarme und genauere Katheterplatzierung und Bestrahlungsplanung im Vergleich zur intraoperativen Anwendung [39]. Gegenüber der perkutanen Bestrahlung mittels Teletherapie weist die interstitielle Brachytherapie zudem den Vorteil einer festen Platzierung der Strahlenquelle im Tumor ohne Beeinflussung durch Atemexkursionen auf [40]. Zur effektiven Ablation wird eine tumorumschließende Zieldosis von minimal 20 Gy angestrebt, wobei in den zentraleren Tumoranteilen sehr viel höhere Dosen erreicht werden [41].

Mit dem Verfahren der CT-gestützten Brachytherapie konnte für intensiv vortherapierte Patienten mit fortgeschrittener hepatischer Metastasierung eines kolorektalen Karzinoms (Größe 1,0–13,5 cm Durchmesser; medianer Diameter: 5 cm) ein medianes Überleben von 23,4 Monaten aufgezeigt werden [21]. Anzumerken ist, dass die beobachteten Patienten einer negativen Selektion gegenüber den thermischen Verfahren unterliegen.

Die möglichen Komplikationen der Brachytherapie werden aktuell langzeitig untersucht, bislang noch nicht publizierte Daten zeigen eine Rate von 2,4 % an Majorkomplikationen. Neben den Punktionsrisiken durch teils mehrere Bestrahlungskatheter (Blutungen, Leberabszesse oder peritoneale Infektionen) ist vor allem eine strahleninduzierte, doch meist subklinische Schädigung des umliegenden Leberparenchyms zu beobachten, die durchschnittlich 6 Wochen nach der Therapie als verminderte Aufnahme hepatozytenspezifischer Kontrastmittel auffällt und die residuelle, häufig nekrotische Metastase umgibt [42].

[Abb. 3] und [4] zeigen als Beispiel eine präinterventionelle Lebermetastase sowie das Ansprechen 3 Monate nach der Therapie (nekrotische Metastase mit umgebender radiogener Schädigung des Leberparenchyms).

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Abb. 3 MRT vor interstitieller Brachytherapie: Metastase eines kolorektalen Karzinoms > 5 cm (T1w GRE mit leberspezifischem Kontrastmittel Gd-EOB-DTPA in der hepatobiliären Phase 20 min nach Applikation).
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Abb. 4 MRT 3 Monate nach Brachytherapie: residuelle Nekrose der Metastase ~ 3 cm deutlich hypointens (Messlinie), umgebende Strahlenreaktion mit strahleninduziertem Funktionsausfall des Leberparenchyms (fehlende Aufnahme des hepatozytenspezifischen Kontrastmittels Gd-EOB-DTPA, Pfeile).


Lokoregionäre Verfahren

Yttrium-90-Radioembolisation

Bei der Yttrium-90-Radioembolisation handelt es sich um ein Verfahren zur Behandlung disseminierter hepatischer Malignome, bei dem ein radioaktives Isotop, in diesem Falle 90Y, gebunden an Kunstharz- oder Glasmikrosphären, mittels eines Katheters in die leberversorgenden Arterien appliziert wird. Die Katheterpositionierung erfolgt dabei mittels digitaler Subtraktionsangiografie über einen transfemoralen Zugang. Maligne Prozesse der Leber werden bis zu 90 % über Arterien versorgt, während gesundes Leberparenchym hauptsächlich über die V. portae den Blutzustrom erhält [43]. Damit kann durch die Radioembolisation sowohl die Blutversorgung von Tumoren unterbunden werden als auch eine Bestrahlung derselben durchgeführt werden.

Vor der Therapie wird eine digitale Subtraktionsangiografie zur Beurteilung der Gefäßsituation der Leber durchgeführt. Kollaterale Arterien, die einen potenziellen extrahepatischen Abstrom der applizierten Mikrosphären in den Gastrointestinaltrakt ermöglichen, werden dabei mittels thrombogener Metallspiralen (Coils) verschlossen [44]. Anschließend wird 99-mT-markiertes makroaggregiertes Albumin in die Leber appliziert, um in einer nachfolgenden Szintigrafie eine Anreicherung im extrahepatischen Oberbauch auszuschließen und den Leber-Lungen-Shunt für die Dosisberechnung zu quantifizieren [45]. Erst wenn diese Simulation erfolgreich verläuft, kann in einer weiteren Sitzung das therapeutisch wirksame Radioembolisat appliziert werden.

In der ersten prospektiven Evaluation dieses Verfahrens als Monotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem, hepatisch metastasiertem kolorektalen Karzinom und weitestgehend ausgeschöpften Therapieoptionen zeigte sich ein medianes Gesamtüberleben von 12,6 Monaten, das 2-Jahres-Überleben erreichte ein Fünftel der eingeschlossenen Patienten [25]. Gray et al. zeigten in einer randomisierten Studie, in der die Radioembolisation in Kombination mit einer intraarteriell applizierten Chemotherapie mittels Floxuridin angewendet wurde, ein 2-Jahres-Überleben von 39 % gegenüber 29 % nach alleiniger Chemotherapie [46].

Das Beispiel einer disseminierten Lebermetastasierung zeigen [Abb. 5] vor der Radioembolisation und [Abb. 6] in der Nachsorge nach 3 Monaten.

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Abb. 5 MRT vor Radioembolisation: Ausgedehnte bilobäre Lebermetastasierung (T1w GRE mit Gd-EOB-DTPA in der hepatobiliären Phase).
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Abb. 6 MRT 3 Monate nach Radioembolisation: Partielle Remission der Lebermetastasen (T1w GRE mit Gd-EOB-DTPA in der hepatobiliären Phase).

Aufgrund der Anwendung in interdisziplinären Therapiekonzepten ist die Bewertung der erreichten Endpunkte schwierig und es fehlen Daten zur alleinigen Effektivität der Radioembolisation. In der Salvage-Situation kann ein medianes Überleben von 8 bis 12 Monaten erreicht werden im Vergleich zu Best Supportive Care (BSC), worunter nur 3,5 Monate zu verzeichnen sind [23], [24], [26]. Kommt die Yttrium-90-Radioembolisation jedoch in einem früheren Krankheitsstadium in Kombination mit einer systemischen Chemotherapie zum Einsatz, sind Überlebenszeiten bis zu 30 Monate möglich [27]. In einem großen multizentrischen Studienrahmen wird aktuell prospektiv-randomisiert die Wirksamkeit der Yttrium-90-Radioembolisation in Kombination mit FOLFOX als Erstlinientherapie untersucht.

Obwohl mit einer geringen Morbidität assoziiert, zeigen sich bei der Radioembolisation zumeist subklinische strahleninduzierte Leberfunktionsstörungen, besonders wenn die gesamte Leber in einer Therapiesitzung behandelt wird. Zu den schwereren Komplikationen zählen neben Pleuraergüssen vor allem Aszites, Bilirubinerhöhung sowie Ikterus, die unter der Bezeichnung der „radioembolization-induced liver disease“ zusammengefasst werden und mit einer Häufigkeit von etwa 10 % auftreten und durch eine zweiseitige Therapie der Leber weiter gesenkt werden können [47]. Größere Komplikationen durch die katheterangiografische Technik sind bei sorgfältiger Durchführung dagegen nicht zu erwarten.



Diskussion

Die minimalinvasive interventionell-radiologische Therapie kolorektaler Lebermetastasen zielt auf eine möglichst belastungsarme Behandlung des Patienten bei hoher Effektivität. Dabei bietet sie für verschiedene Tumorkonfigurationen eine geeignete Methode von perkutan interstitieller Ablation eines oligonodulären Befalls bis zur Therapie einer diffusen hepatischen Filiarisierung über den transarteriellen Zugang. Nachteilig mag die lokale bzw. lokoregionäre Begrenzung der Therapie erscheinen, doch die häufig prognostisch führende Lebermetastasierung kann oftmals gut kontrolliert werden.

Bestehen keine Kontraindikationen für eine chirurgische Resektion, gilt diese unverändert als Goldstandard und wird allgemein präferiert, obwohl der potenziell kurative Charakter für viele Patienten oftmals nicht langfristig besteht. Unbestritten ist dabei die Prognoseverbesserung durch die R0-Resektion [48]. Mit den neueren Verfahren der atypischen Resektion können immer mehr Patienten einer operativen Therapie zugeführt werden, jedoch wurden hierbei in einer großen Studie nahezu 10 % an R1-Resektionen nachgewiesen [49]. Dem vergleichbar sind die Lokalrezidivquoten nach Radiofrequenzablation mit 3,6 bis 16 % (Metastasen < 3 cm) [50], [51].

Das 5-Jahres-Überleben nach bildgeführter Radiofrequenzablation bei kolorektalen Lebermetastasen kann bis zu 33 % betragen und ist mit den Überlebensraten in den bereits genannten chirurgischen Konzepten durchaus vergleichbar, wobei es zu beachten gilt, dass es sich bei der RFA hier um selektierte Patientenkollektive handelt (< 3 Tumoren; Diameter: < 3,5 cm) [14]. Die laparoskopisch durchgeführte Radiofrequenzablation zeigt zudem ähnliche Ergebnisse, wobei die operativ durchgeführte RFA in der Regel einer positiven Patientenselektion unterliegt [12], [52]. Hier lässt sich auch feststellen, dass weder die Tumoranzahl (< oder > 3) noch das Vorliegen extrahepatischer Manifestationen einen Einfluss auf das Überleben haben. Nur der maximale Durchmesser der dominanten Läsion < 3 cm ist als prognostisch positiv zu bewerten [12].

Eine Metaanalyse von 7 nicht randomisierten Studien bei solitären Lebermetastasen zeigte wiederum einen signifikanten Überlebensvorteil für die Patienten mit hepatischer Resektion im Vergleich zur RFA, weshalb die Empfehlung bei Operabilität weiterhin zur Resektion geht [53].

Ein weiterer interessanter Ansatz ist das „Test-of-time“-Verfahren, bei dem potenziell kurativ zu resezierende Lebermetastasen zunächst einer bildgeführten Radiofrequenzablation unterzogen werden und die Operation ca. 6–12 Wochen später im extra- und intrahepatisch rezidivfreien Intervall geplant ist. Studien zeigen, dass 70 % der Patienten innerhalb des Beobachtungszeitraums vor der geplanten Operation einen extra- oder intrahepatischen Progress außerhalb der therapierten Läsion aufwiesen, wodurch festzustellen ist, dass diese Patienten wahrscheinlich nicht von einer initialen Resektion nachhaltig profitiert hätten [54], [55].

Perspektivisch sind die Anwendungen der Radiofrequenzablation über den bisher rein palliativen Charakter hinaus durchaus denkbar und als Alternative oder zusätzlich zur chirurgischen Resektion vorstellbar [56].

Die laserinduzierte Thermotherapie zeigt bei ähnlicher Indikation vergleichbare Ergebnisse, wobei gesagt werden muss, dass hierzu keine prospektiven Analysen vorliegen. Auch die Mikrowellenablation mit ihren Vorteilen hinsichtlich der Unabhängigkeit von Kühlungseffekten und Größenlimitationen schafft zur RFA vergleichbare Resultate mit einem 5-Jahres-Überleben bis 32 %, doch sind bisher teils Patientenkollektive zusammen mit der RFA und insgesamt keine größeren Fallzahlen für das kolorektale Karzinom publiziert [37].

Wenn speziell die Tumorgröße oder -lokalisation die thermoablativen Verfahren technisch limitiert, stellt die interstitielle Brachytherapie eine lohnende Erweiterung des interventionell-radiologischen Spektrums dar und wird in enger Zusammenarbeit mit einem Strahlentherapeuten in Afterloading-Technik durchgeführt. Für Lebermetastasen bis zu 13,5 cm Durchmesser kann mit der interstitiellen Brachytherapie eine lokale Kontrolle bei 75 % der Läsionen erreicht werden (Zieldosis: 15–25 Gy). In einer Subgruppenanalyse zeigte sich eine signifikant bessere Kontrolle von 84 %, wenn tumorumschließend eine Dosis von mindestens 20 Gy appliziert wird. Auch Patienten mit größeren Tumorvolumina (> 5 cm) zeigten ein zur thermoablativen Therapie vergleichbares medianes Überleben von 23,4 Monaten [21].

Auch bei Vorliegen einer multifokalen, diffusen Metastasierung kann die radiologische Mikrotherapie eine wertvolle Ergänzung zur oftmals belastenden systemischen Chemotherapien darstellen, indem mit Verfahren wie z. B. der Yttrium-90-Radioembolisation mit geringem Morbiditätsrisiko Tumormassen reduziert oder zumindest kontrolliert werden können. Zugute kommt dabei die hohe Dosis, die am Tumor erreicht werden kann und auch bei chemorefraktären Tumoren noch eine Wirksamkeit aufweist.

Die besten Ergebnisse konnten dennoch dann gezeigt werden, wenn Verfahren wie die Radioembolisation in einem frühen Stadium synergistisch mit einer systemischen oder intraarteriellen Chemotherapie zur Anwendung kommen [22], [27].

Aber auch in der Salvage-Therapie profitieren Patienten von der Radioembolisation, wie in zahlreichen Studien gezeigt wurde [23], [24], [26].

Zudem sind in jüngerer Zeit die ersten Studien zur Anwendung der transarteriellen Chemoembolisation mit zytostatikabeladenen Embolisationspartikeln (z. B. Irinotecan) veröffentlicht, erste Phase-II-Studien zeigen ein gutes Ansprechen mit einem medianen Überleben von 25 Monaten beim leberdominant metastasierten kolorektalen Karzinom. Jedoch fehlen auch hier randomisierte Studien mit einem Vergleich zu etablierten systemischen Therapien [57].

Unbefriedigend bleibt die insgesamt unzureichende Evidenzlage bei den meisten interventionellen Verfahren, weshalb die Durchführung kontrollierter randomisierter Studien kurzfristiges Ziel für die verschiedenen Methoden sein sollte.

Ein abschließender Aspekt sollte die interdisziplinäre Zusammenarbeit der onkologisch tätigen Fachrichtungen sein, von der Patienten mit Lebermetastasen deutlich profitieren können. Neben der engen Verflechtung von chirurgischer Resektion und systemischer Therapie zeigt sich auch beispielsweise in der Kombination von der Radiofrequenzablation mit der Resektion oder Chemotherapie ein den jeweils einzelnen Modalitäten überlegenes Gesamtüberleben [58]. Dies wird ebenfalls in der Kombination aus systemischer Therapie und wiederholten interstitiellen Brachytherapien deutlich [21].



Interessenkonflikt: Nein

* Robert Damm und Ricarda Seidensticker haben gleichen Anteil an der Erstautorenschaft.



Korrespondenzadresse

Dr. Max Seidensticker
Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
Deutschland
Telefon: 03 91/67-1 30 30   
Fax: 03 91/67-1 30 29   


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Abb. 1 Periinterventionelles CT: hypodens demarkierte Lebermetastase (Pfeile) mit einliegender Radiofrequenzsonde.
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Abb. 2 Postinterventionelles MRT 3 Monate nach RFA: Residuelle Narbe (Pfeile) mit nachgeschalteter Begleitreaktion und leichtem perifokalen Ödem, angrenzend in der Peripherie leicht erweiterter Gallengang. In der weiteren Nachsorge zeigte sich eine anhaltende Remission (T2w mit Fettsuppression).
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Abb. 3 MRT vor interstitieller Brachytherapie: Metastase eines kolorektalen Karzinoms > 5 cm (T1w GRE mit leberspezifischem Kontrastmittel Gd-EOB-DTPA in der hepatobiliären Phase 20 min nach Applikation).
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Abb. 4 MRT 3 Monate nach Brachytherapie: residuelle Nekrose der Metastase ~ 3 cm deutlich hypointens (Messlinie), umgebende Strahlenreaktion mit strahleninduziertem Funktionsausfall des Leberparenchyms (fehlende Aufnahme des hepatozytenspezifischen Kontrastmittels Gd-EOB-DTPA, Pfeile).
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Abb. 5 MRT vor Radioembolisation: Ausgedehnte bilobäre Lebermetastasierung (T1w GRE mit Gd-EOB-DTPA in der hepatobiliären Phase).
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Abb. 6 MRT 3 Monate nach Radioembolisation: Partielle Remission der Lebermetastasen (T1w GRE mit Gd-EOB-DTPA in der hepatobiliären Phase).