physiopraxis 2012; 10(04): 20-26
DOI: 10.1055/s-0032-1311839
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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23 April 2012 (online)

 

Migräne – Nichtmedikamentöse Therapien wirksam

Massage, Physiotherapie, Wirbelsäulenmanipulationen und Entspannungstherapie scheinen in der Prophylaxe von Migräne ebenso wirksam zu sein wie Medikamente. Das ist das Ergebnis eines systematischen Reviews des Forscherteams um Aleksander Chaibi vom Akershus University Hospital in L0renskog, Norwegen.

Nach ihrer Literaturrecherche schlossen die Wissenschaftler insgesamt sieben Studien in ihre Übersicht ein, die das prophylaktische Potenzial verschiedener Interventionen auf das Auftreten von Migräneanfällen überprüft hatten: Vier davon hatten spinale chiropraktische Manipulationstechniken untersucht, zwei Massage und eine physiotherapeutische Behandlungen.

Verglichen mit den Ansprechraten auf Tropiramat - einem Epilepsiemedikament, das erfolgreich in der Migräneprophylaxe eingesetzt wird - und Propranolol - auch als Betablocker zur Behandlung von arterieller Hypertonie im Einsatz -, schnitten die nichtmedikamentösen Therapien bei der Verringerung der Frequenz und Intensität der Migräneattacken ähnlich gut ab.

Deutliche Einschränkungen sehen die Autoren allerdings in der Qualität der Studien: Die Diagnostik der Migräne basierte beispielsweise in drei Studien nur auf Fragebögen. In vier Studien lagen zu geringe Fallzahlen vor, und es fehlten Kontrollgruppen. Zudem könnte man aufgrund der geringen Schwere der Kopfschmerzattacken bei einigen Probanden darauf schließen, dass sie statt unter Migräne unter Spannungskopfschmerzen litten.

giro

J Headache Pain 2011; 12: 127-133


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Zerebralparese – Netzbasiertes Heimprogramm motiviert

Kinder mit Zerebralparese könnten von einem internetgestützten Heimprogramm profitieren, bei dem kognitive und motorische Aufgaben verknüpft werden. Peder Bilde und sein Team aus Kopenhagen, Dänemark, haben die Anwendbarkeit eines solchen Programms an neun betroffenen Kindern zwischen 6 und 13 Jahren getestet.

Das serverbasierte, interaktive Übungsprogramm bestand aus verschiedenen Aufgabenkombinationen. Dazu gehörte zum Beispiel, eine visuelle Information zu verarbeiten, eine Mathematikaufgabe zu lösen und dann die mit der richtigen Antwort verbundene motorische Aufgabe zu absolvieren - beispielsweise eine Stecknadel aufzuheben. Die Kinder trainierten über drei Wochen mindestens 30 Minuten täglich. Vor und nach der Intervention untersuchten die Autoren unter anderem komplexe und einfache motorische Fähigkeiten, das Gleichgewicht, die Ausdauer und die visuelle Reizaufnahme. Die Kinder übten motiviert und trainierten durchschnittlich 30 Minuten täglich.

Nach der Intervention hatten sich die Kinder in den meisten Parametern signifikant verbessert. Somit könnte man auf diesem Weg die Therapiezeit von Kindern mit Zerebralparese sinnvoll und motivierend erhöhen.

hoth

BMC Neurology 2011; 11: 32


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Multiple Sklerose – Beinkrafttraining verbessert Lebensqualität

Trainieren Patienten mit Multipler Sklerose ihre Beine, können sie dadurch nicht besser gehen, verbessern aber ihre Lebensqualität. Das fanden Karen Dodd und ihre Kollegen heraus.

An der Studie nahmen 71 Betroffene mit leichter bis mäßiger Gangbehinderung teil. Die Forscher verteilten sie per Zufall auf zwei Gruppen: Die Interventionsgruppe führte neben ihrer normalen Therapie ein Krafttraining durch. Die Patienten der Kontrollgruppe nahmen neben dem Standardprogramm einmal pro Woche für eine Stunde an einem sozialen Programm teil, bestehend aus verschiedenen Freizeitaktivitäten, Therapien und Seminaren. Vor und nach der Intervention sowie nach weiteren drei Monaten maßen die Wissenschaftler unter anderem Ganggeschwindigkeit und -kapazität, Fatigue, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Spastik der Probanden. Hinsichtlich der Gehfähigkeit unterschieden sich die Gruppen nach den Interventionen nicht. Die Krafttrainingsgruppe hatte jedoch Kraftausdauer und Lebensqualität deutlicher verbessert als die Kontrollgruppe. Außerdem war ihre Fatigue geringer. Nach weiteren zwölf Wochen hatten sich beide Gruppen jedoch wieder angenähert.

hoth

Multiple Scler 2011; 17: 1362-1374


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Schlaganfall – Spezifisches Selbsthilfeprogramm motiviert Betroffene

Forscher haben ein schlaganfallspezifisches Selbstmanagementprogramm entwickelt, das Betroffene mit sämtlichen Schweregraden der Erkrankung durchführen können. Dominique Cadilhac und ein australisches Autorenteam wiesen nun nach, dass Betroffene dieses Programm besser annehmen als das Stanford-University-Programm, ein allgemein für Patienten mit chronischen Erkrankungen enwickeltes.

In ihrer Studie teilte das Team 143 Patienten nach Schlaganfall in drei Gruppen auf: Die erste führte das allgemeine Stanford-Selbsthilfeprogramm durch, bei dem sie unter anderem etwas über Medikamente und Ernährung erfuhren. Die zweite Gruppe erhielt die Standardbehandlung für Patienten in der chronischen Phase nach Schlaganfall - also routinemäßige Informationen von Klinikteam und Hausarzt. Das schlaganfallspezifische Programm der Gruppe 3 unterschied sich von dem Stanford-Programm unter anderem dadurch, dass es von speziellen Fachkräften vermittelt wurde und nur schlaganfallspezifische Informationen beinhaltete.

Das spezifische Programm beendeten mehr Probanden als das allgemeine. Nebenwirkungen hatte das Programm nicht. Als Nächstes wollen die Autoren die Effizienz dieses Selbstmanagementprogramms untersuchen.

hoth

Stroke 2011; 42: 1673-1679


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Multiple Sklerose – Ganggeschwindigkeit auf 100 Metern messen

Die Expanded Disability Status Scale (EDSS) ist eine der am häufigsten verwendeten Skalen, um den Schweregrad einer Multiplen Sklerose zu bestimmen. Der darin enthaltene Timed-25-Foot-Walk-Test wird genutzt, um die Gehfähigkeit der Betroffenen zu beurteilen. Allerdings kann man damit gewisse Parameter wie Gangausdauer und maximale Gehgeschwindigkeit aufgrund der kurzen Strecke von nur 7,62 Metern nicht beurteilen. Daher untersuchten belgische Forscher nun, ob sich der Timed-100-Meter-Walk-Test (T100) eher anbietet, um die maximale Gehgeschwindigkeit herauszufinden. Sie stellten fest: Dieser Test scheint dafür tatsächlich etwas besser geeignet zu sein.

Die Forscher ließen 141 gehfähige Patienten mit MS und 104 Gesunde beide Gehtests durchführen. Es zeigte sich, dass der T100 hinsichtlich der Reliabilität nur geringfügig besser ist. Allerdings hatten die Gesunden und die Probanden mit MS bei der längeren Teststrecke eine höhere durchschnittliche Ganggeschwindigkeit. Somit scheint sich die maximale Gehgeschwindigkeit besser mit dem Timed-100-Meter-Walk-Test erheben zu lassen.

sgl

Neurorehabil Neural Repair 2011; 25: 672-679


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Rheumatoide Arthritis – GALS ist gutes Screeningtool

Der GALS (Gait, Arms, Legs and Spine Locomotor Screening) ist ein Screeningtest, mit dem Kliniker eine rheumatoide Arthritis gut erkennen können. Dabei werden Gang, Statik, Gelenke der oberen und unteren Extremität sowie der Wirbelsäule aktiv und passiv untersucht, ein Sicht- und Tastbefund gemacht und dem Patienten drei Fragen gestellt:

  • Verspüren sie Schmerzen oder eine Steifigkeit in ihren Muskeln, Gelenken oder ihrem Rücken?

  • Haben sie Schwierigkeiten, Treppen hinaufoder hinabzusteigen?

  • Haben sie irgendwelche Probleme, sich zu waschen oder anzuziehen?

Anschließend notiert der Untersucher die Auffälligkeiten auf einem Auswertungsbogen.

Karen Beattie und ihr Team von der McMaster University Hamilton, Kanada, fanden nun heraus, dass der Test im Erstkontakt arbeitenden Physiotherapeuten zuverlässige Hinweise geben kann, welche Patienten sie zu einem Rheumatologen überweisen sollten.

Die Kanadier schulten zwei angehende und zwei berufserfahrene Physiotherapeuten in der GALS-Testung und verglichen deren Untersuchungsergebnisse mit denen zweier Rheumatologen, die GALS regelmäßig anwenden. Insgesamt 48 Teilnehmer - von denen 25 tatsächlich unter rheumatoider Arthritis litten - standen für den Test zur Verfügung. Die beiden Rheumatologen konnten über den GALS 18 der 25 tatsächlich erkrankten Patienten identifizieren. Die Autoren nahmen diesen Wert als Referenz. Anschließend berechneten sie, wie hoch die Übereinstimmung zwischen den Testergebnissen der Rheumatologen und denen der Physiotherapeuten war. Ihr Ergebnis: die Sensitivität lag zwischen 71 % und 86 %, Die Spezifität zwischen 69 % und 93 %. Somit ist der GALS für darin geschulte Therapeuten ein gutes Hilfsmittel, Patienten mit rheumatoider Arthritis zu identifizieren.

anka

Physiotherapy 2011; 97: 196-202


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