Bei großen orthopädischen Eingriffen kann es zu erhöhten peri- und postoperativen
Blutverlusten kommen, die zu einem deutlichen Abfall des Hämoglobin Wertes postoperativ
führen. Insbesondere bei Patienten mit kardialen Risikofaktoren erfolgt häufig eine
frühzeitige Substitution mit Erythrozyten-Konzen-traten (EK). Aufgrund der hiermit
verbundenen möglichen Komplikationen, Kosten und auch des beschränkten Angebotes,
sollte die Indikation eng gestellt werden. Hierzu sind klare Hinweise notwendig, bei
welchen Patienten und bei welchem Hämoglobinwert (Hb) eine Substitution notwendig
ist.
Liberal or Restrictive Transfusion in High-Risk Patients after Hip Surgery. N Engl
J Med. 2011;365:2453–2462Das
Studiendesign
In diese prospektiv randomisierten Studie wurden Risikopatienten mit Hüftfrakturen
eingeschlossen, die zwischen Juli 2004 und Februar 2009 an einem von 47 beteiligten
US-Krankenhäusern behandelt wurden und am 3. Tag nach Operation einen Hb von < 10
g / dl hatten. Als Risikofaktoren galten manifeste kardiovaskuläre Erkrankungen, bzw.
nach Protokollerweiterungen auch art. Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie,
Rauchen, Niereninsuffizienz. Unter anderem waren akute Anämiesymptome zum Zeitpunkt
der Randomisation Ausschlusskriterien.
Eine Gruppe (1) der Patienten wurden mittels Transfusionen auf einen Hb- Zielwert
von >10g/dl gehoben, bzw. gehalten, während die andere Gruppe (2) erst bei Anämie-Symptomen
bzw. bei einem Hb < 8 g / dl substituiert wurden. Die Patienten wurden über 60 Tage
nach Randomisation nachverfolgt und folgende klinische Parameter erhoben: Tod, Morbidität,
Gehfähigkeit und kardiale Ischämien, weiterhin erfolgten im Verlauf EKGs, sowie die
Messung der Troponinwerte.
Ergebnisse
2016 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen, der Follow-up betrug 99,2 %.
(Foto: Dynamic Graphics)
Das Durchschnittsalter lag bei 81,8 Jahren (± 8,8 Jahren), der ASA Score bei 3 ± 0,6.
Die mediane Zahl an Bluttransfusionen nach Randomisation war in Gruppe 1 zwei und
in Gruppe 2 null, wobei 9 % bzw. 5,6 % der Patienten nicht nach Protokoll behandelt
wurden. 59 % der Patienten der Gruppe 2 erhielten keine Transfusion. Die Gesamtzahl
transfundierter EK lag bei Gruppe 1 bei 1866 und bei 652 in Gruppe 2. Es wurden signifikant
mehr Transfusionen aufgrund von Blutung (p = 0,04 %), Tachycardie und Hypotension
(p = < 0,001) und symptomatischen Herzbeschwerden in Gruppe 2 durchgeführt. Es fanden
sich kein statistisch erhöhtes Risiko für die Ereignisse Tod, Herzinfarkt, instabile
Angina pectoris, reduzierte Gehstrecke oder verlängerter Krankenhausaufenthalt in
Gruppe 2 innerhalb des Studienzeitraumes.
Kommentar
Trotz einiger Schwächen, so war der durchschnittliche Unterschied im Hb-Wert zwischen
den Gruppen lediglich 1g/dl und die sekundären Endpunkte waren unzureichend statistisch
hinterlegt, sowie der nachträglichen Erweiterung der Einschlussfaktoren ist dies eine
gut angelegte und statistisch aufgearbeitete Studie. Sie zeigt eindrücklich, dass
für die untersuchten Endpunkte eine EK-Substitution zum Erhalt eines Hb-Wertes von
> 10 g / dl keinen statistisch signifikanten Vorteil bringt und durch ein strikteres
Management bis zu 65 % der EK-Gaben vermieden werden können. Gleichzeitig zeigen die
Zahlen jedoch auch, dass, wenn auch in insgesamt wenigen Fällen, die Patienten bei
symptomatischer Anämie substituiert werden müssen.
In einem Cochrane Review 2010 über 17 Studien fanden sich noch nicht ausreichende
Beweise dafür, dass eine niedrigere Transfusions-Schwelle das Risiko für Komplikationen
nicht erhöht. Die Ergebnisse dieser Studie entsprechen jedoch in weiten Teilen den
Empfehlungen der TRICC Studie 1999 (Transfusion Requirments in Critical Care), die
ebenfalls ein restriktiveres Subsitutions-Managment empfiehlt. Zusammenfassend ist
zu sagen, dass die Studie eine Zurückhaltung bei der Gabe von EKs bei asymptomatischen
Patienten bis zu einem Hb von 8 g / dl unterstützt.
Dr. med. Christian Plaass
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
E-Mail:
Christian.Plaass@ddh-gruppe.de