Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2012; 47(4): 254-264
DOI: 10.1055/s-0032-1310415
Fachwissen
Anästhesie & Intensivmedizin Topthema: Perioperative Thromboseprophylaxe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Perioperative Thromboseprophylaxe – Medikamentöse Thromboseprophylaxe in der Intensivmedizin

Pharmacologic thromboprophylaxis in critically ill patients
Andreas Loew
,
Hanno Riess
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Publication Date:
13 April 2012 (online)

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Zusammenfassung

Intensivmedizinisch betreute Patienten sind regelhaft als Hochrisikopatienten für venöse Thromboembolien einzuschätzen. Jenseits einer grundsätzlichen Empfehlung für eine medikamentöse Prophylaxe aus den Fachgesellschaften liegen aufgrund der unzureichenden Datenlage für dieses Patientenkollektiv keine Richtlinien für die Wahl der Substanz oder der Dosierung vor. Prinzipiell können UFH, NMH und Fondaparinux zur Anwendung kommen. Für Patienten mit akut vermuteter oder gesicherter HIT Typ II kann eine Antikoagulation mit Argatroban sicher fortgeführt werden. Für die neuen oral verfügbaren Antikoagulanzien zeichnet sich gegenwärtig noch kein Einsatzgebiet in der Intensivmedizin ab.

Abstract

Critical care patients have to be considered at high risk patients for thromboembolic events. The recommendations and guidelines support strongly a pharmacologic anticoagulant prophylaxis. Due to the fact that only very few data are available for this selected patient population there are still open questions concerning the ideal choice of drug and optimal dosages. Prophylactic administration of UFH, LMWH and Fondaparinux can be used safely and effectively. In case of acutely suspected or diagnosed HIT type II Argatroban seems to be a reasonable choice for anticoagulation. The new orally available anticoagulant drugs are not yet indicated in ICU patients.

Kernaussagen

  • Patienten auf der Intensivstation sind auch bei unterschiedlichen Grunderkrankungen fast durchweg als Hochrisikopatienten einzuschätzen.

  • Höhergradige Thrombozytopenien oder Zeichen einer verminderten plasmatischen Gerinnung (aPTT-Verlängerung / INR-Erhöhung) schließen ein erhöhtes VTE-Risiko keinesfalls aus. Sie sind unter Umständen sogar Ausdruck einer überschwelligen Gerinnungsaktivierung in einer primär prothrombogenen Situation.

  • Eine medikamentöse Antikoagulation zur Prophylaxe ist auch bei kritisch Kranken wirksam: Durch die Propyhlaxe reduzierte sich die Inzidenz von Thromboembolien um etwa 50 Relativprozent.

  • Die mechanische Prophylaxe ist wirksamer als keine Prophylaxe – eine medikamentöse Prophylaxe sollte sie aber nur bei guter Begründung ersetzen.

  • Die Datenlage zu den parenteralen Antikoagulanzien UFH, NMH und Fondaparinux in der Intensivmedizin ist sehr spärlich.

  • Welche Antikoagulanzien in welcher Dosierung bei Intensivpatienten gegeben werden, sollte wegen der schwachen Datenlage individuell entschieden werden. Ein Labormonitoring scheint auch bei prophylaktischer Dosierung sinnvoll zu sein.

  • Für die Intensivmedizin gibt es durchaus vielversprechende Medikamente wie direkte parenterale Thrombininhibitoren – aufgrund der unzureichenden Erfahrung, mangelnden Datenlage und fehlenden Zulassung ist eine routinemäßige Anwendung direkter parenteraler Thrombininhibitoren aber nicht generell zu empfehlen.

  • Für Patienten mit akut vermuteter oder gesicherter HIT Typ II kann eine Antikoagulation mit Argatroban sicher fortgeführt werden.

  • Für die neuen oral verfügbaren Antikoagulanzien (NOAC) liegen keine Daten für die Anwendung bei kritisch kranken Patienten vor.

  • Für die VTE-Prophylaxe im intensivmedizinischen Bereich zeichnet sich aufgrund der Applikationsweise, der pharmakologischen Eigenschaften und der bestehenden Alternativen gegenwärtig kein abgrenzbarer Einsatzbereich ab – jedenfalls nicht jenseits der postoperativen Thromboembolieprophylaxe im elektiven Knie- und Hüftgelenkersatz.

Ergänzendes Material