Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33(1): 3
DOI: 10.1055/s-0032-1310338
Editorial
© Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Erstattungsfähigkeit von Phytotherapeutika - es gibt keine Alternative zur beweisbaren Medizin

Ahmed Madisch

Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 March 2012 (online)

 

    Seit 2004 sind nicht verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige Arzneimittel aus der Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen ausgeschlossen. Damit werden die Kosten für den Großteil der anthroposophischen, homöopathischen und vor allem phytotherapeutischen Arzneimittel nicht mehr von den Krankenkassen übernommen. Auch die initial noch mögliche Erstattungsfähigkeit für Kinder unter 12 Jahren bzw. Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum 18. Lebensjahr wurde durch die Neufassung der Arzneimittelrichtlinie ab 1. April 2009 zusätzlich eingeschränkt.

    Diese Regelung war und ist nach wie vor eine schwere Bürde für die Etablierung der Phytotherapie in der westlichen Medizin, da die Nicht-Erstattungsfähigkeit immer den Anschein der Nicht-Wirksamkeit erweckt, obwohl sie doch durch die gute Verträglichkeit begründet wird. Diese in allen hoch industrialisierten Ländern praktizierte Arzneimitteltherapie basiert in der Regel auf der wissenschaftlichen Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten: Dosis- Wirkungs-Beziehungen, Arzneimittel-Rezeptor- Wechselwirkungen und Nachweis der Beeinflussung biochemischer Regulationsstörungen. Der Goldstandard zur Überprüfung von Arzneimittelwirkungen ist der kontrollierte klinische Versuch, wobei Metaanalysen gut durchgeführter Studien und randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudien besonders hochrangig zu bewerten sind.

    Trotz der massiven Einschränkung der Erstattungsfähigkeit wächst die Anzahl der kontrollierten Studien stetig, die Wirksamkeitsnachweise für Phytotherapeutika liefern. Bei richtiger Indikationsstellung zeigen viele Untersuchungen, dass pflanzliche Arzneimittel in ihrer Wirksamkeit den chemischen Monosubstanzen nicht nachstehen. Durch die Prüfung in doppelblinden, placebokontrollierten Studien werden mittlerweile Phytotherapeutika in nationalen und internationalen Leitlinien wissenschaftlicher Fachgesellschaften bei definierten Krankheitsbildern mit entsprechender Evidenz empfohlen, z.B. Johanneskrautpräparate bei leichter bis mittelschwerer Depression oder STW-5 beim Reizdarmsyndrom.

    Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass die Techniker Krankenkasse als erste gesetzliche Krankenversicherung mit Inkrafttreten des GKVVersorgungsstrukturgesetzes zum 1.1.2012 die Kosten für Phytotherapeutika bis zu einem Betrag pro Versicherten in Höhe von 100 Euro pro Kalenderjahr erstattet, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt. Diese Entscheidung, auch wenn sie möglicherweise aus marketingtechnischen Erwägungen getroffen wurde, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und kann die Akzeptanz der Phytotherapie in der Medizin weiter stärken. Auch kann diese neue Ausrichtung die wissenschaftlichen Aktivitäten im Bereich der pflanzlichen Arzneimittel weiter fördern, denn auch für die Phytotherapeutika gilt: »Es gibt keine Alternative zur beweisbaren Medizin«.


    #

    Ahmed Madisch

    Zoom Image
    Zoom Image