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DOI: 10.1055/s-0032-1309900
Gliomrezidive – 18F-FDG-PET-CT als Prädiktor der Überlebenswahrscheinlichkeit
Bei Gliomrezidiven handelt es sich histologisch um hochmaligne Tumoren, und die Überlebenschancen der Patienten variieren deutlich. Die PET mit 18F-Fluorodeoxyglucose (FDG) hat sich als geeignet erwiesen, das Überleben von Gliompatienten zu bestimmen. Die Arbeitsgruppe um A. Santra untersuchte, ob die 18F-FDG-PET-CT zur Prädiktion des Überlebens von Patienten mit Gliomrezidiven dienen kann.Publication History
Publication Date:
15 July 2012 (online)

Neuroradiology 2011; 53: 1017 – 1024
Die prospektive Beobachtungsstudie umfasste mit 81 Teilnehmern eine vergleichsweise große Patientengruppe. Einschlusskriterien waren:
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histologisch nachgewiesene Gliome,
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vorangegangene Operation,
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Radiotherapie bzw. beides sowie
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der Verdacht auf Rezidive aufgrund kontrastverstärkter MRT-Untersuchungen.
Vier Stunden vor der Bildgebung nahmen die Patienten keine Nahrung zu sich und der Blutzuckerspiegel lag bei allen unter 140 mg/dl. Die i. v. verabreichte 18F-FDG-Dosis betrug 370 MBq. Zwei für klinische sowie strukturelle bildgebende Befunde verblindete Nuklearmediziner werteten die Aufnahmen aus. Für die FDG-Aufnahme wurden 2 Quotienten berechnet:
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Verhältnis von Tumor zu grauer Substanz (T/G) = maximaler standardisierter Aufnahmewert (Standardized Uptake Value, SUVmax) im Tumorareal:SUVmax in der entsprechenden kontralateralen grauen Substanz,
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Verhältnis von Tumor zu weißer Substanz (T/W) = SUVmax im Tumorareal:SUVmax in der entsprechenden kontralateralen weißen Substanz
Die Intensität der 18F-FDG-Aufnahme entsprach einem PET-Wert von 0, wenn keine sichtbare Radiopharmakon-Aufnahme festgestellt wurde oder bei T/W ≤ 1. Ein PET-Wert von 1 entsprach T/W > 1 und T/G < 1. T/G ≥ 1 ergab einen PET-Wert von 2.
Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 36,8 Jahren, und die Größe der Hirnläsionen betrug im Mittel 3,41 cm. Bei 50 Patienten waren die Befunde der 18F-FDG-PET-CT positiv und bei 31 negativ. Innerhalb der medianen Nachbeobachtungszeit von 16,33 Monaten starben 30 Patienten, sodass das mediane Überleben 24,97 Monate erreichte.
Schlechte Prognose bei PET-Wert 2
Der PET-Wert erwies sich als stärkste Vorhersagevariable (p = 0,003). Patienten mit einem PET-Wert von 2 hatten gegenüber denjenigen mit PET-Wert 0 und 1 die schlechteste Überlebenswahrscheinlichkeit (p = 0,001 und p = 0,004). Da sich zwischen PET-Wert 0 und 1 keine signifikanten Unterschiede ergaben (p = 0,07), konnten die Patienten in 2 Gruppen eingeteilt werden: PET-Wert < 2 und ≥ 2.
Fazit
Bei Patienten mit Gliomrezidiven sind entsprechend dieser Studie 18F-FDG-PET-CT-Befunde ein starker Prädiktor für das Überleben. Ist die Aufnahme des Radiopharmakons im Tumor höher als in der grauen Substanz, haben die Patienten die schlechteste Prognose.
Matthias Manych, Berlin
1. Kommentar


PD Dr. Stephan Ulmer, Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Universitätsspital Basel, Petersgraben 4, CH-4031 Basel
Was bedeutet eine neue oder progrediente kontrastmittelaufnehmende Läsion im Follow-up bei Hirntumorpatienten? Gibt es verlässliche Prädiktoren, die eine Aussage für das Überleben der Patienten zulassen? Die Heterogenität des gewählten Kollektivs mit Low- und High-Grade-Tumoren scheint bei der vorliegenden Studie eine Stärke zu sein, die sonst häufig die Ergebnisse derartiger Studien schwächt. Ein Progress eines Low-Grade-Tumors ist häufig assoziiert mit einer Malignisierung der Läsion. Diese Information (Histologie) wird von den Autoren allerdings vorenthalten. Sie zeigen eindrucksvoll, dass mithilfe der PET eine Vorhersage über das Überleben von Patienten getroffen werden kann, so die ratio zwischen Tumor und grauer Substanz 1 erreicht oder überschreitet und damit eine schlechte Prognose zeigt.
Die Studie zeigt allerdings eine Vielzahl an Schwächen, die die Wertigkeit der Ergebnisse deutlich mindern. Zunächst ist die Literatur nicht aktuell und natürlich bietet heutzutage die MRT (z. B. der DSC-MRI) Möglichkeiten, nicht nur Tumorprogress und Strahlennekrose zu unterscheiden und damit auf radioaktive Tracer in der Bildgebung zu verzichten, sondern auch über die Langzeitprognose eine Aussage treffen zu können (Lev et al. 2004). Die FDG-PET, die hier verwendet wurde und die bei der Graduierung maligner Läsionen helfen kann, ist selbst eingeschränkt, da der hohe Metabolismus des Gehirns bei kleinen Läsionen eine sichere Aussage oft nicht zulässt. Neue Tracer bieten hier neue Optionen. Man vermisst die histologische Bestätigung der Daten. Das Problem der Strahlennekrose wird in diesem Zusammenhang auch nicht ausführlich genug diskutiert. Es ist zudem hinlänglich bekannt, dass die Therapie einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose der Tumoren hat. Das Ausmaß der Resektion hat einen entscheidenden Einfluss sowohl auf ein Rezidiventstehen als auch die Gesamtprognose (Sanai et al. 2008). Viele Tumoren sind aber nicht komplett entfernbar, werden nur near-complete reseziert oder gar nur biopsiert. Diese Faktoren werden von den Autoren nicht berücksichtigt.
Bei Rezidiven gibt es keinen Goldstandard in der Therapie. Während bei Erstmanifestation ein einheitliches Vorgehen besteht, handhabt jede Institution die Therapie bei Rezidiven bzw. Progression unterschiedlich. Die Prognose bei Rezidiven ist schlechter als beim primären Tumor. Vermutlich spielen auch hier diverse Faktoren eine Rolle, wie die Option und Durchführung einer weiteren Resektion, das Ausmaß der Resektion und adjuvante Radio- und Chemotherapie. Avastin als Second-line-Chemotherapeutikum nimmt z. B. entscheidenden Einfluss auf das Kontrastverhalten in der MRT, da es als Antikörper gegen VEGF auch Einfluss auf die Blut-Hirn-Schranke nimmt (Keunen et al. 2011). Der Einfluss auf das Tumorwachstum ist jedoch weiterhin Gegenstand einer lebhaften Diskussion. Diese Aspekte werden in dieser Studie außen vorgehalten.
Zusammenfassend bietet die FDG-PET mit den o. g. Einschränkungen eine prognostische Aussagekraft auf das Langzeitüberleben. Goldstandard im Follow-up ist allerdings die MRT, die mit ihren moderneren Techniken ähnliche Aussagekraft hat und auf radioaktive Tracer verzichten kann. Weitere Studien sind notwendig, um alle Faktoren zu berücksichtigen, die auf die Heterogenität von Hirntumoren Einfluss nehmen können, um sowohl prognostische Aussagen treffen als auch therapeutische Optionen optimieren zu können.
Literatur beim Verfasser
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2. Kommentar


Prof. Monika Warmuth-Metz, Abteilung für Neuroradiologie der Universitätsklinik Würzburg, Josef-Schneider-Straße11, 97080 Würzburg
Die Autoren beschreiben eine prospektive Evaluation der Eignung des FDG-PET-CT zur Prognosebeurteilung bei Patienten mit Gliomrezidiven.
Diese Zusammenstellung zeigt einige Ungereimtheiten. Unter den Patienten sind auch solche mit einem ursprünglichen Grad-I-Tumor. Es verwundert, dass von 10 dieser Patienten 2 an einem Rezidiv verstorben sind, obwohl Grad-I-Gliome, die im Wesentlichen pilozytische Astrozytome sind, eine sehr gute Prognose haben. Die 5-Jahres-Überlebensraten pilozytischer Astrozytome von Kindern und Jugendlichen liegen deutlich über 90 %. Wenn auch ältere Erwachsene eine schlechtere Prognose haben sollen [1], so betrifft dieser Tumor meist junge Menschen, sodass eine Sterberate von 20 % hoch erscheint in Anbetracht eines Überwiegens von Patienten unter 40 Jahren im untersuchten Kollektiv. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass es sich im Rezidiv nicht mehr um ein niedriggradiges Gliom, sondern um ein möglicherweise nach Bestrahlung malignisiertes Gliom gehandelt haben könnte oder um einen meist höhergradigen Zweittumor. Schließlich wissen wir aus den Low-Grade-Gliom-Studien, dass besonders hier zwischen lokalen und zentralen neuropathologischen Diagnosen Diskrepanzen häufig sind, sodass es möglicherweise überhaupt kein Grad-I-Gliom war.
Die konventionelle MRT ist die Methode der ersten Wahl zur Diagnose und Verlaufsbeurteilung von Hirntumoren. Allerdings ist auch bekannt, dass durch die Therapie ausgelöste Veränderungen nicht immer zuverlässig von einem Tumorrezidiv zu unterscheiden sind. Derartige Veränderungen sind unter dem Stichwort „Pseudoprogression“ im Zusammenhang mit der aktuellen Standardtherapie maligner Gliome mit Temozolomid diskutiert worden [2]. Aber auch später auftretende Veränderungen als Folge der Bestrahlung können ohne die Hilfe aufwendigerer MRT-Methoden, wie der Spektroskopie, Perfusion oder Diffusion, nicht problemlos von einem Rezidiv unterschieden werden. Die Autoren haben offensichtlich keine histologische Sicherung des Rezidivs unternommen, sodass es durchaus möglich ist, dass wir es nicht nur mit Rezidivtumoren, sondern auch mit evtl. „benignen“ Läsionen zu tun haben. Diese sollten sich in der FDP-PET-Aktivität von malignen Tumoren unterscheiden, sodass das Ergebnis dieser Arbeit gut erklärbar wäre. Auch bei Rezidivgliomen wird die Prognose vom ursprünglichen Grad des Glioms bestimmt. Bei den hier präsentierten Patienten sind jedoch die Überlebenszeiten und Sterberaten nicht vom Tumorgrad oder z. B. einer Lokalisation in einem oder mehreren Hirnlappen oder im Balken abhängig.
In der Neuroonkologie wird dem PET mit FDG wegen der hohen Glukoseaufnahme des normalen Kortex geringere Bedeutung beigemessen und sowohl in der Primär- als auch in der Verlaufsbeurteilung von Gliomen den Aminosäure- oder Nucleoidtracern der Vorzug gegeben [3]. Obwohl noch eine einzelne aktuelle Publikation mit ähnlichem Ergebnis für FDG erschienen ist [4], kann man nur darüber spekulieren, ob die Anwendung eines anderen Tracers bei dieser Fragestellung noch besser gewesen wäre.
Literatur bei der Verfasserin
E-Mail: Warmuth-Metz@neuroradiologie.uni-wuerzburg.de
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