Ein guter Rohmilchkäse und ein Glas Wein? Ist das Histamin Schuld am Kopfschmerz,
das Tannin oder war es doch mehr als ein Glas? Als Ursache von ungeklärten Empfindlichkeitsstörungen
ist eine Unverträglichkeit gegenüber exogen zugeführtem Histamin aktuell „in“.
Prof. Dr. Christiane Bayerl
Die Symptomatik einer Histaminunverträglichkeit [1] besteht in Flush-Symptomatik, Juckreiz, Erythemen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe
und abdominalen Schmerzen. Deutlich seltener aber möglich ist eine anaphylaktische
Reaktion mit respiratorischen und kardiovaskulären Symptomen mit Blutdruckabfall,
Schwindel und Tachykardie. Entsprechend sind als Differenzialdiagnose entzündliche
Darmerkrankungen, Kohlenhydratverwertungsstörungen, Zöliakie oder „echte“ Nahrungsmittelallergien
auszuschließen. Histaminkonzentrationen über 1000 mg können schwere Intoxikationen
auslösen, z. B. nach Verzehr von verdorbenem Fisch (Scrombridae: Thunfisch, Makrele).
Als Pathomechanismus der Histaminintoleranz wird eine Abbaustörung durch die katabolisierenden
Enzyme, vor allem der DAO (Diaminoxidase) [2], angenommen. Bewiesen ist dieser kausale Zusammenhang jedoch nicht. In der Diagnostik
werden der Plasmahistaminspiegel, die Methylhistaminkonzentration im Urin und die
DAO-Aktivität im Serum gemessen. Dabei ist zu beachten, dass Methylhistamin auch nach
proteinreicher Nahrung ansteigt. In der neuen Leitlinie wird als Ursache eine Erniedrigung
der HNMT (Histamin-N-Methyltransferase) in geschädigtem Kolongewebe diskutiert. Es
existiert bisher kein objektiver Parameter für den Nachweis einer Unverträglichkeit
gegenüber exogen zugeführtem Histamin. Eine versuchte Nachweismethode ist die orale
Provokation, üblicherweise mit 0,75 mg/kgKG Histaminhydrochlorid – aber bei dieser
Dosis hatten auch gesunde Probanden mitreagiert.
Die Leitlinie empfiehlt daher eine dreistufige Ernährungsumstellung:
-
I Karenz: histaminarme Kost
-
II Testphase: histaminreiche Nahrungsmittel nacheinander einführen und individuelle
Verträglichkeit erarbeiten
-
III Dauerernährung: individuelle Ernährungsempfehlungen mit bedarfsdeckender Nährstoffzufuhr
Danach sollte eine Titration mit Histaminhydrochlorid in 2-h-Abständen mit steigenden
Dosen des Histamins 0,5 mg/kgKG, 0,75 mg/kgKG und 1,00 mg/kgKG durchgeführt werden
zur Festlegung der individuellen Schwelle. Dennoch schwankt die individuelle Empfindlichkeit
stark, abhängig von Alkoholgenuss, Hormonstatus, entzündlichen Darmerkrankungen und
der Einnahme von Medikamenten (ASS, NSAIDs).
Auch der Histamingehalt in Nahrungsmitteln schwankt stark [2]:
-
Emmentaler Käse 0,1 – 2000 mg/KG Histamin
-
Geräucherte Makrele 0,1 – 1788 mg/KG Histamin.
Histaminreiche Nahrungsmittel sind:
-
Fisch (Makrele, Hering, Sardine, Thunfisch)
-
Käse (Gouda, Camembert, Cheddar, Emmentaler, Schweizer, Parmesan)
-
Fleisch (geräucherte Würste, Salami, geräucherter Schinken)
-
Gemüse (Sauerkraut, Spinat, Tomatenketchup)
-
Rotweinessig.
Eine histaminarme Kost beinhaltet prinzipiell den Verzicht auf Alkoholika, alle geräucherten
Fisch-, Fleisch oder Käseprodukte, Thunfisch, Makrelen und Rohmilchkäse. Champagner
und im Fass gereifter Rotwein haben einen höheren Histamingehalt als Weißweine aus
dem Stahltank. Zu den Alkoholika finden Sie im Artikel von Jarisch in diesem Heft
der Aktuellen Dermatologie eine spannende Aufstellung zu Analysedaten im Detail [3] und weitere Empfehlungen des Autors.
Um eine Fehlernährung zu vermeiden, müssen die Differenzialdiagnosen ausgeschlossen
werden. Es gibt keine objektiven Laborparameter für das Vorhandensein einer Unverträglichkeit.
Die Bestimmung von Histamin, Methylhistamin und DAO kann nach Leitlinie unterbleiben.
Eine Sicherung über die dreistufigen diagnostischen Schritte ist zu empfehlen. Ein
Therapieversuch mit H1/H2-Blockern kann unternommen werden.