Aktuelle Dermatologie 2013; 39(06): 228-235
DOI: 10.1055/s-0032-1309609
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychologische und medizinische Aspekte von Tattoo und Piercing, ein Update[*]

Psychological and Medical Aspects of Tattoo and Body Piercing, an Update
A. Stirn
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie/Schmerztherapie, Asklepios Westklinikum Hamburg
,
J. Möller
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie/Schmerztherapie, Asklepios Westklinikum Hamburg
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Aglaja Valentina Stirn
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie/Schmerztherapie
Asklepios Westklinikum
Suurheid 20
22559 Hamburg

Publication History

Publication Date:
23 April 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Die Prävalenz von Tätowierungen (TT) und Body Piercings (BP) ist im letzten Jahrzehnt weltweit sprunghaft angestiegen. Aus diesem Grund beschäftigen die mit beiden Praktiken häufig einhergehenden unvorhersehbaren Komplikationen, wie medizinische Folgeerscheinungen, aber auch psychische und behaviorale Aspekte, zunehmend Mediziner und Psychologen. Eine Rundschau aktueller Forschungsergebnisse zum Thema.


Abstract

Because of a bursting worldwide increase in TT and BP prevalence during the last decade a review on contemporary research findings considering unforeseen complications of TT and BP like medical consequences as well as psychological and behavioural aspects of TT and BP are summarized.


Einleitung

Den eigenen Körper, speziell die Haut mittels Tätowierungen (TT) und Body Piercings (BP) zu ornamentieren (lat. ornare = schmücken, zieren, ausrüsten) ist ein uraltes Phänomen der Menschheit, welchem im letzten Jahrzehnt ein wellenartiger – weltweiter – Aufschwung widerfahren ist. Dass es sich hierbei um ein Massenphänomen handelt, das in alle gesellschaftlichen Schichten und Lebensbereiche Einzug gehalten hat, zeigt sich phänomenologisch in seinen Auswüchsen bis zur neuesten Ausgabe einer tätowierten Barbiepuppe. Durch die zunehmend starke Verbreitung von TT und BP und der mit den Praktiken einhergehenden intentionalen Verletzung der Haut sind gerade Dermatologen mit medizinischen Folgeerscheinungen konfrontiert. Diese können lokaler wie systemischer Art sein und betreffen damit auch die anderen medizinischen Disziplinen. Unterdessen wurde in der psychologischen Forschung vor allem Fokus auf die Motive der User, die Perzeption von TT und BP sowie spezielle psychische und behaviorale Aspekte von TT und BP gelegt. Diese Arbeit soll Ihnen einen groben Überblick über den Status quo der medizinischen und psychologischen Erkenntnisse zu TT und BP vermitteln.


Definition

Das Vorgehen des Tätowierens geht ursprünglich auf den polynesischen Begriff „tatau = Zeichen“ (polynes. ta = schlagen, tatau = Zeichen) zurück, bei welchem mit Nadeln unlösliche Farbpigmente in die Haut eingebracht werden, um den Körper mittels Skarifizierung permanent zu markieren und zu gestalten. Beim Piercing (engl. to pierce = durchbohren, -dringen, -stechen, -lochen) handelt es sich um das Durchbohren oder Durchstechen der Körperoberfläche, genauer der Haut oder Mukosa, von subkutanem Fett- oder Knorpelgewebe zur Anbringung von Schmuck oder um ein mit dem Piercing angebrachtes Stück Schmuck. Beide Praktiken beinhalten folglich intentionale, mehr oder weniger langfristige Veränderungen des Körpers, was man als Formen von „Körpermodifikation“ (KM) bezeichnet.


Epidemiologie

Die Prävalenz von TT und BP in der Allgemeinbevölkerung in Deutschland lag 2006 bei 8,5 % (TT) und 6,8 % (BP) [1]. Betrachtet man nur die Gruppe der 14 – 44-Jährigen, so lag die allgemeine Verbreitung sogar bei 15 % (TT) und 14 % (BP) [1]. TT und BP sind vor allem jungen Menschen vorbehalten, deren Raten bei den 14 – 24-Jährigen mit 19 % (TT) bis 35,2 % (BP) und noch etwas stärker bei den 25 – 34-Jährigen mit 30,3 % (TT) bis 37,7 % (BP) gipfeln (erhoben in Deutschland 2009) [2]. Fasst man BP und TT zusammen, so ergeben sich sogar noch etwas höhere Prävalenzen von KM unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland im Alter von 14 – 24 mit 27 % (Männer) bis 41 % (Frauen) [3]. Eine Studie an minderjährigen kanadischen Schülern im Alter von 12 – 18 ergab eine Häufigkeit von TT mit 8 % und von BP mit 27 % [4]. Populationsrepräsentative Daten aus den Vereinigten Staaten erweisen mit 14 % BP eine ähnliche Häufigkeit wie in Deutschland, mit 24 % TT eine eher erhöhte [5]. Piercings werden generell im Schnitt früher akquiriert als TTs [6]. In den meisten Studien werden Geschlechtseffekte evident, so wird Piercing bevorzugt von Frauen und TT von Männern genutzt [1] [2] [6], wobei sich die Geschlechterverteilung gerade beim TT in den letzten Jahren zunehmend annähert [5] und in der Gruppe der 25 – 34-Jährigen bereits ausgeglichen ist [2]. Weiterhin existieren Geschlechtsunterschiede bezüglich der präferiert modifizierten Körperstellen: Männer tragen vor allem TTs auf dem Arm (79 %), gefolgt vom Rücken (29 %) und der Brust (17 %), Frauen bevorzugen für TTs den Rücken (38 %), auch die Arme (35 %) und das Steißbein (24 %) [2]. Präferierte TT-Motive sind Tiere, ornamentartige Tribals und „Fantasy“-Figuren, folglich moderne Adaptationen von Mythologien [3]. Piercings tragen beide Geschlechter vorwiegend am Kopf und im Gesicht, Frauen zudem häufiger am Bauchnabel, Männer an den Brustwarzen [2] [6]. Intimpiercings werden i. d. R. später akquiriert als andere Piercings [7]. So ließen sich die Teilnehmer einer studentischen intimgepiercten Stichprobe im Mittel im Alter von 27 an der Brust und von 28 Jahren am Genital piercen. Intimpiercings sind daher selten Einsteigerpiercings. Nippelpiercings scheinen generell häufiger als Genitalpiercings zu sein [2] [6] [8].


Psychische Aspekte

Motive

Eine erste deutschsprachige Studie zu den Leitmotiven von TT und BP ergab vorwiegend „Kunst und Schönheit“ sowie „Körpergefühl und Individualität“ [3], gefolgt von „Veränderung“. „Gruppendruck“, „Mut“ oder „Spiritualität“ wurde hingegen fast keine Bedeutung beigemessen [3]. In einer weiteren Studie 2008 an 432 Personen mit TT und BP nannten zudem 52 % einen speziellen Grund für ihre KM, davon 43 % die Erinnerung einer persönlich besonders relevanten Lebensphase oder eines besonderen Lebensereignisses (positiv wie negativ), 24 % Trennung, Todesfall, Verlust, 10 % Ideale im Zusammenhang mit der Peergruppe, 9 % Dokumentation der eigenen Verfassung (beides positiv wie negativ) und 8 % Verarbeitung einer Krankheit oder eines Unfalls, 6 % andere [9]. Bezüglich des KM-Aktes selbst berichtete die Hälfte der Stichprobe von Schmerzen und 40 % von Vorfreude, gut ⅕ empfanden währenddessen Genuss, Lust und einen „Kick“ [3]. Die Mehrheit der Befragten berichtete eine KM-induzierte Veränderung des Körperempfindens, sich schöner zu fühlen und ein geringeres oder ausgeprägteres Schmerzempfinden zu haben [3]. Häufig löste die KM eine Veränderung im Lebensgefühl aus, wobei die Betroffenen angaben, sich individueller und verwirklichter zu fühlten [3]. Die Motivkomplexe der Attraktivität, Individualität und Identitätssuche für TT und BP wurden seither vielfach bestätigt [2] [9] [10] [11] [12]: User wollen primär „sich selbst ausdrücken“, „einzigartig“ sein und „gut aussehen“ [12].


Sexualität

Ob die sexuelle Bedeutung von TT und BP tatsächlich ausgeprägter geworden oder lediglich vermehrt in den Fokus der Forschung geraten ist, ist schwer zu sagen. In der Studie von Stirn et al. 2004 hatten gerade mal 8,7 % der Befragten Erotik als Hauptmotiv für ihre KM angegeben [3], hingegen in einer 2010 erschienenen Studie nannten die Befragten neben dem Wunsch die eigene Individualität zu unterstreichen primär ihre sexuelle Attraktivität erhöhen zu wollen [6]. Retrospektive Befragungen an Erwachsenen mit TT oder BP ergeben wiederholt einen früheren Zeitpunkt des ersten sexuellen Interkurses und eine erhöhte sexuelle Aktivität gegenüber nicht-gepiercten oder tätowierten Personen [14] [15] [16] [17] – diese Ergebnisse beziehen sich nicht ausschließlich auf Intim-KM, der Großteil der KM-Nutzer generell gibt an, TT und BP erotisch zu finden [9]. In einer Studie von Nowosielski (2012) wurden für KM-Nutzer generell keine Unterschiede bezüglich der sexuellen Orientierung, präferierter sexueller Praktiken, sexuellem Riskioverhalten und in der Masturbationsfrequenz gegenüber einer Kontrollgruppe ohne TT und BPs gefunden [14]. Eine Stichprobe an ausschließlich intimgepiercten Personen erwies hingegen gegenüber der US-Gesamtbevölkerung eine erhöhte Tendenz zu Homo- oder Bisexualität [8]. Aus Einzelfällen von Klitorispiercings wurden libido-, arousal-, orgasmusfähigkeits- und frequenz- sowie interkursfrequenz-steigernde Effekte berichtet [18]. Eine Gruppenstudie an 33 Frauen, vor und nach der Akquirierung eines vertikalen Klitorispiercings, kam zu einem ähnlichen Ergebnis [19].


Persönlichkeitscharakteristika

In einer populationsrepräsentativen Studie zur Prävalenz von KM fanden sich ausgeprägte Korrelationen von TT und BP mit einer „Sensation-Seeking“-Tendenz, d. h. Abwechslung und Spannungsreize zu suchen [1]. Swami (2012) untersuchte die Big 5 an Personen, die sich anschließend ein Tattoo machen ließen, und fand bei ihnen gegenüber Personen, die keine TTs aufwiesen, eine geringer ausgeprägte Tendenz zu Gewissenhaftigkeit und erhöhte Neigung zu Extraversion und unverbindliche sexuelle Beziehungen einzugehen sowie abermals erhöhte Sensation-Seeking-Werte und ein ausgeprägteres Bedürfnis, einzigartig sein zu wollen [20]. Tate und Shelton (2008) fanden bei Collegestudenten mit TT eine geringere Neigung zu Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit und mit BP eine erhöhte zu Offenheit und eine verringerte zu Gewissenhaftigkeit [21]. In einer anderen Stichprobe aus Neuseeland mit BP (im Alter von 19 – 21 Jahren) wurden bei Frauen mit BP im Vergleich zu nicht-gepiercten geringere Werte von Gewissenhaftigkeit und eine höhere negative Emotionalität evident [17]. Im Vergleich zu TT ging BP in einer weiteren Studie mit mehr impulsivem Entscheidungsverhalten einher [7]. Außerdem wurden von Swami (2011) Veränderungen vor und nach dem Tattooakt erhoben und festgestellt, dass Ängste und Unzufriedenheit bezüglich der eigenen Erscheinung sofort nach dem Prozedere verringert waren sowie dass der eigene Körper nach 3 Wochen positiver bewertet, die selbstzugeschriebene Einzigartigkeit und der Selbstwert erhöht waren [13]. Der Selbstwert der Frauen war jedoch über alle Zeitpunkte hinweg signifikant geringer als der der Männer, was der Autor mit der hier auch vorab beschriebenen Eigenschaft von gepiercten Frauen negative Zuschreibungen zu machen, begründet [13]. Es konnte auch gezeigt werden, dass bei Schülern der Wunsch nach einem TT oder BP mit Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen korreliert [22].


Risikoverhalten

Gerade bei Jugendlichen wurden häufig leichte bis moderate Zusammenhänge von TT und BP mit Riskoverhalten empirisch nachgewiesen. So wurden erhöhten Tendenzen, Tabak- und Alkohol oder illegale Drogen zu konsumieren berichtet [4] [23] [24] [25] [26] [27], Delinquenz [4] [24] [25], frühe sexuelle Aktivität [23] [24], mehr Ausgehen, schlechtere Schulnoten und Schulschwänzen [4] [25] sowie eine erhöhte Neigung zu Suizidalität [26] [28]. Vermehrtes Risikoverhalten wurde jedoch auch bei Erwachsenen mit BP und TT festgestellt [5] [29], bei Männern mit TTs fanden sich zudem Depressionen in der Vorgeschichte [29]. User einer KM-Webseite wiesen ebenso eine erhöhte Tendenz zu Suizidalität in der Vorgeschichte auf, jedoch war der Zusammenhang nach Kontrolle für Depression schwächer [30].


Essstörungen

BP und TT wurden empirisch mit bulimischen [31] und anderen Essstörungen in Verbindung gebracht [26]. Die Akquirierung eines Oralpiercings geht zudem häufig mit einer erwünschten Crashdiät einher [32]. Claes et al. (2005) fanden in einer Stichprobe von essgestörten Patienten positive Korrelation von BP mit Extraversion (positiver Affektivität) und Offenheit, und negative mit Gewissenhaftigkeit [10]. Im Gegensatz dazu war selbstverletzendes Verhalten (SVV) positiv mit Neurotizismus (negative Affektivität) und Gewissenhaftigkeit und negativ mit Extraversion und Offenheit verlinkt [10]. Dass BP und TT negativ mit SVV korrelieren, erklären die Autoren damit, dass SVV im Gegensatz zu BP nicht dazu dient, die eigene Attraktivität zu erhöhen, sondern im Gegenteil eher autodestruktiv zu zerstören [10]. Claes et al. schlagen darum vor, dass BP in dieser Patientengruppe möglicherweise ein positiver Indikator für den Behandlungsfortschritt sein kann, gerade wenn sich das Piercing am häufig von den Patienten verhassten Bauch befindet [10].


Selbstverletzendes Verhalten (SSV), traumatische Aspekte

In einer Stichprobe von Jugendlichen in Chile zeigten diejenigen mit einer psychiatrischen Vorgeschichte eine erhöhte Tendenz zum Gebrauch von TT und BP [24]. Bosello et al. (2010) ermittelten in einer Studie an 829 italienischen Schülern, dass Schüler mit TTs und BPs mehr familiäre Konflikte aufwiesen und geringere wahrgenommene soziale Unterstützung [27]. Zudem korrelieren TT und BP abermals mit einer erhöhten Tendenz zu Sensation Seeking und bei denjeniegen, die sich eine KM wünschten, mit einer erhöhten Abhängigkeit von Belohnung [27]. In der Studie von Stirn und Hinz (2008) ergaben sich zudem für diejenigen der Befragten, die SSV in der Vorgeschichte angaben (27 %), einige signifikante Merkmale: Sie waren jünger als der Rest der Stichprobe mit KM, hatten zwar nicht mehr TTs, jedoch BPs und gaben häufiger an, KM-süchtig zu sein, „schlimme Dinge“ in ihrem Leben erlebt zu haben, z. B. mehr Schmerz und Gewalt [9]. Sie benannten zudem häufiger, ein schlechtes Verhältnis zu ihrem eigenen Körper zu haben, ihn fremd oder ekelhaft zu erleben, und empfanden während dem KM-Prozedere öfter einen Kick und Genuss und danach mehr Kontrolle über den eigenen Körper erlangt zu haben [9]. Darüber hinaus gaben sie seltener an, sich mit der KM etwas Gutes tun zu wollen [9]. Die Tatsache, dass ein Großteil das SVV eingestellt hatte, nachdem er mit dem Gebrauch von KM anfing, sowie die erhöhten medizinischen Komplikationsraten in dieser Subgruppe ließen vermuten, dass möglicherweise absichtlich mit dem Heilungsprozess interferiert wird und das TT und BP SVV in einer sozial akzeptableren Form ersetzen können [9]. Des Weiteren unterscheiden sich sogenannte High User, Probanden mit mehr als 10 KMs, von den anderen darin, dass sie sich häufiger süchtig nach KM fühlen [12]. Zudem fiel auf, dass zwar 92 % aller Befragten KM erotisch finden, jedoch gerade von den genitalgepiercten nur 53 % so dachten [9] und Probanden mit sexuellem Missbrauch in der Vorgeschichte häufiger angaben, mit der KM „bestimmte Erlebnisse“ verarbeiten zu wollen [12]. Dies führte zu der Hypothese, dass neben der angenommenen Steigerung sexueller Empfindungen beim Genitalpiercing möglicherweise einige User dieses gebrauchen könnten, um sexuelle Missbrauchserfahrungen zu bewältigen, indem das traumatische Erlebnis unter eigener Kontrolle an eine andere Person delegiert wird (den Piercer) und so auf psychodynamischer Ebene eine Art Wiedergutmachung erfahren werden kann [9]. Die Befunde dazu sind bisher widersprüchlich: Nowosielski et al. (2012) fanden bei intimgepiercten Probanden im Vergleich zu einer Kontrollgruppe keine gehäuften sexuellen Missbrauchserfahrungen in der Vorgeschichte [14]; Liu und Lester (2012) fanden hingegen mit 33 % selbst-berichteten sexuellen Missbrauchserfahrungen unter den genitalgepiercten weiblichen Probanden einen Zusammenhang [33]. Zudem berichten sie einen bestehenden Zusammenhang von KM und erhöhten Missbrauchserfahrungen generell (physisch, emotional, sexuell), jedoch mit kleiner Effektstärke [33]. Auch Young et al. (2009) fanden in einer Stichprobe an genitalgepiercten Frauen zwar, dass dieses Ausdruck des Selbst sei, aber auch, dass die Hälfte an Depressionen litt und ihnen häufig Missbrauch jeglicher Art in der Vorgeschichte widerfahren war (physisch: 18 %, emotional 27 %, sexuell 14 %), 35 % waren zudem zu sexuellen Aktivitäten gezwungen worden [11].


Pure Ästhetik

Entgegen diesen bis hier dargestellten, mit KM teilweise korrelierenden psychopathologischen Charakteristika stehen Studien, die z. B. belegen, dass TT bei vielen Usern auch gar keine Bedeutung, keinen speziellen Grund hat [34]. Eine Diskursanalyse von Lise et al. (2010) an 42 Personen ergab, dass sich die Probanden vornehmlich sexyer mit ihrem TT erleben, dass das TT für keine Rebellion steht, dass sie nicht betrunken waren, als sie sich das TT machen ließen, dass sie generell keine Drogen konsumieren und dass sie der Überzeugung sind, TT habe lediglich einen ästhetischen Wert [34]. In einem Review von 23 Studien zu psychopathologischen Merkmalen, wie Essstörungen, Depressionen, Suizidalität etc., im Zusammenhang mit BP kamen die Autoren zudem zu dem Schluss, dass die meisten Studien nur kleine Effektstärken aufweisen, und folgerten darum, dass BP eher nicht als Devianzmarker verstanden werden sollte [35].


Removal

Der identitätsstiftende Charakter von KM kommt auch in den Studien zu Gründen für den Removal von TT zum Ausdruck: Beim TT ist dieser seltener professionell oder sozial motiviert, sondern am häufigsten persönlich, so z. B. durch eine Ehestatusänderung [36], eine Veränderung im Lebensstil, Inkompatibilität mit dem Partner oder gegenwärtigen Haltungen oder Werten [37], um sich von der Vergangenheit abzugrenzen [38], eher selten geht es um die Unzufriedenheit mit dem Motiv an sich [36]. In einer Befragung zu den Gründen von BP-Removal wurde am häufigsten genannt, „gelangweilt davon“ zu sein und Piercings deswegen entfernt zu haben [39]. Nach Armstrong et al. (2007) werden 13 – 18 % der BPs entfernt, die Betroffenen beschreiben sich vorher und nachher als Risikoliebhaber [39].



Medizinische Aspekte

Bei den medizinischen Komplikationen im Zusammenhang mit TT und BP müssen verschiedene Dimensionen berücksichtigt werden: so die Art der Erkrankung (infektiös versus nicht-infektiös), Ausmaß des Schweregrades (minor versus major), der Zeitpunkt des Einsetzens (initiale versus späte Folge) und die betroffenen Körperregionen (lokal versus systemisch). Effekte von TT und BP auf die Gesundheit hängen weiterhin von den verwendeten Materialien, der Erfahrung des Tätowierers/Piercers, den Hygieneumständen und der Nachsorge durch die User selbst ab.

Beschwerdehäufigkeiten

In Stichproben, in denen TTs und BPs zusammengefasst werden, wird die Prävalenz von medizinischen Komplikationen meist um die 16 % [9] – 19 % [40] angegeben, bei denjeniegen mit selbstverletzendem Verhalten in der Vergangenheit etwas erhöht mit 25 % [9]. In einer Studie von Antoszewski (2006) waren Beschwerden noch etwas häufiger, mit 31 % (TT) bis 46 % (BP) [41]. Bei TT sind am häufigsten Pruritus und Blutungen und bei BP lokale Infektionen, Blutungen und Gewebsrisse [41]. Klügl et al. (2010) berichten in ihrer Repräsentativstudie an 3411 Personen mit TT in den deutschsprachigen Ländern von 86 % initialen Hautproblemen und 7 % systemischen Reaktionen, wobei nach 4 Wochen nur noch 9 % Probleme angaben und 6 % persistierende [42]. Garcia-Pola et al. (2008) berichten in ihrer Studie an 83 Personen mit Gesichts- und Oralpiercings von insgesamt 59 % Langzeitkomplikationen, wovon 41 % initiale Schmerzen, 11 % Infektionen und 7 % Blutungen beinhalteten [43]. Oralpiercings gingen zudem gegenüber Gesichtspiercings signifikant häufiger mit Problemen, Schmerzen und Schwellungen einher [43]. Ein weiteres Review zu den vielen Studien an medizinischen Komplikationen bei Piercings im Gesicht oder Mund ergab 60 % Schmerzen, 34 % inflammatorische Reaktionen, 24 % Blutungen, 20 % dentale Frakturen oder Fissuren, 27 % Gingivaschäden [44]. Bei Intimpiercings liegen die Komplikationsraten mit 66 % bei Nippelpiercings und 52 % bei Genitalpiercings noch höher, sie beinhalten vor allem eine erhöhte Sensitivität, Hautirritationen, Infektionen, Veränderungen des Urinflusses (beim männlichen Genital) [8]. Die starke Variation in den prozentualen Angaben zu den Komplikationen geht wahrscheinlich auf methodische Unterschiede in der Erfassung zurück.


Beschwerdearten

[Tab. 1] (TT) und [Tab. 2] (BP) fassen die in der Literatur beschriebenen Konsequenzen von TT und BP alphabetisch nach lokalen oder systemischen Auswirkungen zusammen. Teilweise handelt es sich um kleinere oder größere Stichproben, um Einzelfälle, aber auch Erfahrungsberichte, wobei ein kausaler Zusammenhang nicht immer per se nachweisbar ist. Grundlage hierfür bildet eine Medline-Recherche vom 18. 02. 2013 mit insgesamt 667 Treffern für „Tattoo“ und 482 Einträgen zu „Body Piercing“. Explizit erwähnt sei, dass eine soeben erschienene Studie von Carney et al. (2013), in der 3871 Personen mit bzw. ohne chronische Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion verglichen wurden, erwies, dass TT auch nach Ausnahme derjenigen, die Injektionen und Bluttransfusionen in der Vorgeschichte erhalten hatten, mit HCV-Infektionen assoziiert war [45]. Kluger und Koljonen (2012) kamen zudem in einem kürzlich erschienenen Review an 50 beschriebenen Hautkrebsfällen in Zusammenhang mit TTs zu dem Schluss, dass diese nicht ursächlich auf das TT zurückzuführen, sondern eher als koinzidentiell zu bewerten seien [46].

Tab. 1

Mit TT assoziierte publizierte Erkrankungen; Ergebnisse einer Medline-Recherche vom 18. 02. 2013 (Stichwort „Tattoo“, 667 Einträge).

TT

Infektionen, Syndrome, Nebenwirkung, schwere Komplikation

Lokal

Abszess [47], Dermatomyofibrom [48], Granulomatöse Dermatitis [49], Hautkrebs [46], Keratoakanthome [50], Keloid [51], Köbnerphänomen [52], Leiomyosarkom [53], Lichenoide Dermatitis [54], Lymphoide und epiderme Hyperplasie, diverse Granuloma, Lichenifizierung, inflammatorische Reaktionen, Epiderme Verdünnung und Fibrosen [55], Milia [56], Mycobacterium chelonae [57], Priapismus [58]

Systemisch

Allergische Hypersensitivität [59], Endokarditis [60], Lichen Nitidus [61], multiple epidermale Zysten [62], Papulen [63], Pseudolymphome [64], schwarze Lymphknoten [65], Septischer Schock [66], Vaskulitis [67], Vitiligo [68]

Tab. 2

Mit BP assoziierte publizierte Erkrankungen; Adaptierte Übersicht von Stirn, Lancet 2003 [69] mit Ergänzung aktueller Ergebnissen einer Medline-Recherche vom 18. 02. 2013 (Stichwort „Body Piercing“, 482 Einträge).

BP

Infektion, Syndrom, Nebenwirkung, schwere Komplikation

Generell

Lokale bis systemische Infektionen. Pseudolymphom, Lymphadenopathie, Hepatitis, Tetanus, Tuberkulose, Lepra, Nickelallergie [70], tödlicher mesenterischer Infarkt nach multiplen Piercings [71]

Ohr

Chondritis, Perichondritis, lokale Infektion, perichondraler aurikularer Abszess, toxisches Schocksyndrom, Post-Streptokokkus-Glomerulonephritis, Hepatitis, enzephaler Tetanus

Nasenregion

Post-piercing-Infektion, Endokarditis, Granulomatöse Perichondritis des Nasenflügels, lokales Karzinom [72], Rhinalgie [73]

Mundregion

Abrasion der Zahnoberfläche, Zahnfrakturen, Endokarditis, lokale Infektionen, Post-Piercing-Ödem, Gingivarezession, tiefer Abszess der Zunge und akute Dyspnoe mit erblichem Angioödem, zerebraler Abszess, Ludwig’s Angina, Diastema [74], Knochenschwund [75], Parodontitis [76], zweigeteilte Zunge nach Zungenpiercing [77], tödlicher multipler Gehirnabszess [78], Trombophlebitis des Sinus Sigmoideus [79]

Augenbraue

Zellulitis [80], Augenschiefstellung, mangelnde Körperhaltungskontrolle, unspezifische Rückenschmerzen [81]

Brustwarze

Granulomatöse Mastitis, Epidermis-Endokarditis, Infektion Brustimplantat, Staphylokokken und toxischer Schock [82]

Nabel

Lokale Infektion, Anhaftung abdominaler Wand und Dünndarm [83], Leberabszess [84], Streptokokken-Viridans-Endokarditis [85]

Weibliches Genital

Stenose

Männliches Genital

Prostatitis, testikuläre Infektion, Paraphimose, Priapismus, Condolymata acuminata, postkoitale Blutungen [86], Karzinom [87]


Problematik TT-Tinten

La Forgia et al. (2007) berichten aus einer dermatologischen Klinik, dass 81 % der Beschwerden bei ihren Patienten mit TT tintenbedingt seien [47]. In New York wurde zudem der Ausbruch von Mycobacterium chelonae-Infektionen bei 19 tätowierten Personen auf die Verwendung einer vorgefertigten Tinte dokumentiert, die später vom Hersteller vom Markt zurückgezogen wurde [88]. Solche Beispiele verdeutlichen jedoch die Risiken bei der bisher noch nicht gut erforschten Zusammensetzung der verwendeten Tinten und ihre potenziell aller- und karzinogenen Wirkungen. Antal et al. (2008) verweisen auf den Umstand, dass durch eine verzögerte Degeneration der Farbpigmente bei TT allergische Reaktionen auch erst Jahre später auftreten können [89]. Zytotoxische inflammatorische Reaktionen [90], Keratoakanthome [91], Lichenoide Dermatitis [92] [93] und Hautverdunkelungen bei Laseranwendung zwecks TT-Removal [94] wurden wiederholt speziell in Zusammenhang mit roten und pinken Farbtönen gebracht [95]. Die Rolle der komplexen Zusammensetzung der beim TT verwendeten Tuschen sowie ihre marktwirtschaftliche und gesundheitspolitische Regulation werden darum heiß debattiert. So darf gegenwärtig ein und derselbe Farbstoff nicht in Haarfarben verwendet, aber bei kosmetischem Permanentmake-up unter die Haut gespritzt werden [95].


Removal

Nach Burris und Kim (2007) können TTs neben der Lasermethode chemisch (Salabrasion), mechanisch (Dermabrasion), operativ (wobei eine gesunde Hautschicht auf eine verletze plantiert wird), mit Inquimodsalbe oder getarnt mit Make-up (Dermablend) beseitigt werden [96]. Bei der Salabrasionsmethode, die bereits im alten Griechenland von einem Arzt beschrieben wurde, werden die Epidermis und Teile der Dermis verletzt und auf die offene Wunde ein Salz-Wasser-Gemisch aufgetragen. Im Internet kursieren Anweisungen zu dieser kostengünstigen, jedoch mit Narbenbildung einhergehenden Form der Selbstentfernung von TTs. Laser ist z. Z. die sicherste und effizienteste Methode der Wahl zur Entfernung von TTs [96]. Dies geschieht durch den Vorgang der Fotothermolyse, bei der durch kurze Laserpulse mit sehr hoher Intensität die Tintenpartikel zerstört werden [93]. Nach Wenzel et al. (2009) ist das Problem bei nicht ganz entfernten TTs, dass zu lange Pulse mit zu niedriger Intensität gegeben wurden und dadurch die Partikel in der Haut erhitzt werden und das umliegende Gewebe zerstören [93]. Laser in der Hand von nicht-medizinischen Laien wird darum häufig kritisiert. Karsai et al. (2010) fanden dabei 4 Hauptprobleme: 1) allergische und toxische Reaktionen bei der Dekomposition der Tattoopigmente, 2) körperliche Schäden durch Nutzung des Lasers außerhalb der TT-Region, 3) krankhafte Wucherungen im Bereich des TTs, die eine ärztliche Inspektion erfordern würden, 4) unzureichende Aufklärung vorab dem Prozedere und damit häufig falsche Erwartungen [97].


Risikobewusstsein

Resenhoeft et al. (2008) konnte zeigen, dass Personen mit TTs negativer gegenüber nicht-TT bewertet werden [98]. Auch Martino et al. (2008) wiesen nach, dass Personen mit Piercing gegenüber solchen ohne als weniger attraktiv, normal, intelligent, fürsorglich, großzügig, ehrlich und religiös, jedoch künstlerischer und myteriöser eingeschätzt werden [99]. Einer Studie von Westerfield et al. (2012) nach werden im Gesundheitssektor tätige Frauen, nicht aber Männer mit sichtbaren TTs weniger professionell und mit sichtbaren BPs weniger vertrauenswürdig, professionell, effizient und nahbar gegenüber nicht modifizierten Personen wahrgenommen [100]. Dieser Geschlechtseffekt der Zuschreibung von negativen Eigenschaften nur bei Frauen mit TT und BP wird häufig festgestellt. Frauen unterliegen wahrscheinlich einer stärkeren Stigmatisierung, weil sie mit dem TT oder BP traditionelle Normen von „speziell weiblichem und männlichem Verhalten“ verletzen, indem sie mit der KM in die zugeschriebenen Sphären des anderen Geschlechts übertreten [100]. Auch die Motive werden unterschiedlich bewertet, z. B. ein Delphin gegenüber einem Drachen positiver [98]. Das Risikobewusstsein unerwünschter medizinischer Nebeneffekte von KM ist bereits häufiger untersucht worden: Gallè et al. (2012) berichten, dass von 3868 Universitätsstudenten 84 % die infektiösen Risiken von KM kennen, auch die nicht-infektiösen, diesen aber nur in 5 % der Fälle Allergien, Zysten, Blutungen und Narben zuordnen. Zudem herrschte ein höheres Bewusstsein für infektiöse als nicht-infektiöse Folgeerscheinungen [101]. In einer anderen Studie von Quaranta et al. (2011) an 1598 Universitätsstudenten war sich ein ebenso großer Teil der Befragten (78 %) der Risiken von KM bewusst, knapp ⅓ wusste jedoch nicht, dass auch nicht-infektiöse Nebenwirkungen auftreten können [102]. Jugendliche BP-User schätzen zudem gegenüber Nichtnutzern die potenziellen Nebenwirkungen geringer ein [103]. Eine Studie an u. A. 22 Piercern ergab einerseits, dass die meisten sorgfältig über mögliche Nebenwirkungen aufklärten sowie medizinische Informationen zur Vorgeschichte ihrer Kunden einholten [104]. Andererseits variierte das Wissen zu medizinischen Risiken von BP erheblich, so wusste z. B. nur einer der Befragten, dass BP eine bakterielle Endokarditis verursachen kann [104].


Risiken und Nutzen

TT und BP können bei Amateuren zu unvorhersehbaren Komplikationen in medizinischen Settings führen. So können bei einer Magnetresonanztomografie (MRT) bei Menschen mit TTs Schmerzen [105] und Hautverbrennungen auftreten, da sich durch den elektrischen Strom die lokale Hauttemperatur gerade in den Farbpartikeln erhöht [106]. Es können verzerrte Blutbilder entstehen, wenn z. B. das Eisenoxid eines TTs transkutan absorbiert wird und dadurch zu inkongruenten Werten bei einer Anämie führt [107]. Weiterhin ist die klinische Unterscheidung von TT-bedingten schwarzen Lymphknoten zu einem Melanom nicht möglich, sondern nur histologisch durchführbar [65] [108]. Bei Anästhesien oder künstlichen Beatmungen besteht die Gefahr des Verschluckens oder Einatmens von Gesichts- und Oralpiercings [109]. Bei Schwangerschaften kommt es zu Dehnungsstreifen an der Stelle des TTs oder BPs [111], jedoch zu keinen Komplikationen von Genitalpiercings bei Geburten [11], in Einzelfällen wurde aber eine verminderte Laktationsproduktion bei Brustwarzenpiercings festgestellt [111].

Gleichzeitig können TTs bei lebensgefährlichen Erkrankungen genutzt werden, indem sie z. B. analog zu medizinischem Notfallschmuck deutlich eine Diabeteserkrankung kennzeichnen [112]. Spyropoulou & Fatah sprechen außerdem von einer „Patienteninnovation“ [113], wenn TTs zur Kaschierung oder Dekoration von Verletzungs- oder Operationsnarben zum Einsatz kommen. Hypo- oder Hyperpigmentierungen kann mit TT entgegengewirkt, Brustwarzen können nach einer Mastektomie repigmentiert, Muttermale verdeckt, Corneas erfolgreich rekoloriert und die Zielortlokation bei Endoskopien in der radiologischen Onkologie vereinfacht werden (zitiert nach einer ausgebreiteten Analyse der medizinischen Nutzen und Probleme von TT nach [114]).



Fazit

Zusammenfassend ergibt sich, dass TT und BP inzwischen Mainstream geworden sind und dass beide KM-Formen als Hilfsmittel zur Konstruktion und Vervollständigung der eigenen körperlichen und psychischen Identität dienen. TT und BP können eine erfolgreiche Copingstrategie im Umgang mit psychosozialen und psychischen Konflikten darstellen, aber auch gleichzeitig als Symptome individueller Psychopathologien verstanden werden. Es sei jedoch davor gewarnt, voreilig psychopathologische Zuschreibungen zu machen, da die genannten wissenschaftlichen Ergebnisse zwar signifikant, aber häufig nur kleine bis moderate Effekte beschreiben, nur einen geringen Teil an Varianzaufklärung leisten oder einige theoretische Konstrukte (z. B. Big 5) vielleicht in der realen Welt gar nicht unterscheidbar wären [21].

Bei TT und BP handelt es sich um einen bewussten Eingriff in die körperliche Integrität, der zwar selten, aber mit erheblichen medizinischen Risiken von kosmetischen Deformationen bis zum Todesfall einhergehen kann. Das Ausmaß der Risiken ist jedoch mitbedingt durch das Verhalten der Studiobesitzer und User. Unterschiede zwischen TT und BP bezüglich medizinischer Risiken bestehen primär darin, dass negative Folgen für die Gesundheit beim BP selten durch das BP bzw. seine materielle Beschaffenheit selbst, sondern eher die Verletzung des Körpers und damit den üblichen potenziellen Erkrankungen bedingt sind, während beim TT die verwendeten Tuschen und ihre chemische Komposition beiwirken. Inwiefern sich TT und BP bezüglich psychischer Aspekte unterscheiden, ist bisher noch nicht genau erforscht, BP erscheint jedoch auf den ersten Blick, indem es das „Fleisch“ nochmal anders malträtiert, risikoreicher und auch etwas weniger gesellschaftlich akzeptiert. So geben Jugendliche bei Schorzmann et al. (2007) z. B. an, BP bei anderen akzeptabler zu finden als an sich selbst [103]. Unterdessen ist der neueste Schrei ein UV-Tattoo, das bei Schwarzlicht zu leuchten beginnt. Die Erforschung kurz-, aber vor allem langfristiger medizinischer Auswirkung bei der Einführung derartiger Substanzen ist daher dringend indiziert. Wie dargelegt, sind TT und BP dennoch bei Weitem nicht nur an dekorative Zwecke oder die Populärkultur gebunden.



Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* mit Fördermitteln der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Aglaja Valentina Stirn
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie/Schmerztherapie
Asklepios Westklinikum
Suurheid 20
22559 Hamburg