Es gibt keine Allergie gegen …? Fällt Ihnen eine Substanz, ein Nahrungsmittel, ein
Medikament ein, zu der oder dem Sie noch keine allergologische Kasuistik gelesen haben?
Es scheint nun gerade die Saison der Artischocken in der Herbst-Gourmetküche zu sein.
In diesem Zusammenhang wurde mir die Frage gestellt, ob es eine Artischockenallergie
gibt. Zunächst fällt auf, dass die Pflanze zu den Korbblütlern (Asteraceae) zählt.
Im beruflichen Umfeld bei Ernte und Verarbeitung von Artischocken sind allergische
Rhinitis und Bronchitis mehrfach beschrieben. Kreuzreaktionen existieren zu Parietaria-judaica-Pollen
[1], dem Glaskraut aus der Familie der Brennnesselgewächse. Sind Artischocken bei nutritiver
Aufnahme allergologisch bedenklich? In der Tat, es finden sich Kasuistiken und Fallsammlungen
mit Hinweisen darauf, dass es sich um ungewöhnliche klinische Fälle handelt mit der
Symptomatik allergische Rhinitis und Asthma nach dem Verspeisen von Artischocken.
Die Erstbeschreibung stammt aus Neapel aus dem Jahr 2000 und berichtet über positives
spezifisches IgE im Serum, analysiert mithilfe des REAST (reverse enzyme allergosorbent
test) [2]. Aus Israel wurde 2003 über ein lebensbedrohliches Quincke-Ödem der Zunge nach Verzehr
von Artischocken berichtet [3]. Ein aus Artischocken und Kräutern gebrauter Likör ist unter der Bezeichnung Cynar
bekannt. Wegen der Artischockeninhaltsstoffe gilt er als verdauungsfördernd und wird
als Digestif gereicht – hierzu findet sich keine Kasuistik.
Zur Verwirrung aufgrund der Namensähnlichkeit kann die Pflanze Jerusalem Artischocke
(Helianthus tuberosus) führen, die auch Topinambur genannt wird und mit den Sonnenblumen-Spezies
verwandt ist. Auch die Jerusalem Artischocke zählt zu der Familie der Asteraceae.
Die stärkereiche Knolle schmeckt süßlich und erinnert von der Konsistenz an Artischockenböden.
Sie wird roh als Salat oder frittiert wie Kartoffeln genossen. Eine Kasuistik beschreibt
eine allergische Rhinitis im Frühling mit oralem Allergiesyndrom auf Äpfel, Kirschen,
Pfirsiche, Haselnuss und rohe Jerusalem Artischocke. Gefunden wurde eine IgE-mediierte
Nahrungsmittelallergie auf Topinambur aufgrund einer Sensibilisierung auf ein 17-kDa-Protein,
das zur Familie der Bet v1-homologen Allergene zählt. Der Apfel verliert üblicherweise
seine Allergenität – wenn gut entkernt – beim Kochen. Im Gegensatz zu anderen Bet
v1-Homologen ist das Bet v1-ähnliche Allergen der Jerusalem Artischocke immunologisch
thermostabil und die Symptome, die in Verbindung mit dem Verzehr der rohen Jerusalem
Artischocke stehen, sind schwer [4]. Ein Branntwein kann aus den Topinambur-Wurzeln hergestellt werden, der Badischer
Rossler genannt wird und gegen Magenverstimmung helfen soll. Bisher hat er keine allergologische
Berühmtheit erlangt, aber alles ist möglich!
Ihre
Christiane Bayerl