Dialyse aktuell 2012; 16(02): 128-129
DOI: 10.1055/s-0032-1307036
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reduktion der LDL-Konzentration bei kardiovaskulären Erkrankungen – Je mehr, desto besser?

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Publikationsdatum:
08. März 2012 (online)

 
 

Der Zusammenhang zwischen erhöhten Cholesterinwerten im Blut und der Entstehung und Ausformung arteriosklerotischer Erkrankungen ist seit Jahren beschrieben und unbestritten. Vielfältige Studien und Analysen zur Mortalität und Risikoreduktion innerhalb der Gruppe der cholesterinsenkenden Medikamente konnten den Effekt der Cholesterinsenkung auf die Folgeentwicklung bestehender arteriosklerotischer Erkrankungen belegen. Allerdings bleibt die Frage offen, wie hoch die Absenkung des Cholesterins ausfallen müsse, um einen maximalen Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen zu erzielen. Dieser Artikel soll dazu anregen, die Frage zu diskutieren, ob die Cholesterinabsenkung allein eine wirksame Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen ist, oder ob es nicht doch an der Zeit ist, einen multiplen Ansatz in der Behandlung der Arteriosklerose zu favorisieren.

Die Behandlung der Arteriosklerose

Die mittlerweile als gesichert geltende Erkenntnis, dass ein zu hoher Cholesterinspiegel die Entstehung der Arteriosklerose begünstige, wird heutzutage nicht mehr ernsthaft bestritten. Die Cholesterinhypothese entwickelte sich über einen langen Zeitraum. Mit dem Aufkommen der Statine erreichte sie in den 1990er-Jahren einen vorläufigen Höhepunkt. Parallel dazu wurden invasive, extrakorporale Blutreinigungsverfahren zur Cholesterinsenkung entwickelt. Die H.E.L.P.-Apherese ist das einzige LDL-Aphereseverfahren, das nach arzneimittelrechtlichen Richtlinien und – neben -einem anderen Verfahren – in den USA durch die FDA zugelassen ist. Die H.E.L.P.-Apherese konnte bald zeigen, dass die 60-prozentige Absenkung des Cholesterinwerts und weiterer arteriosklerotischer Kausalfaktoren, wie Fibrinogen, Triglyzeride und Inflammationsparametern die kardiovaskuläre Mortalität signifikant reduzieren konnten (Abb. [ 1 ], [ 2 ]).

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Abb. 1 Die Wirksamkeit der H.E.L.P.-Therapie.
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Abb. 2 Die Koronarperfusion ist sowohl 20 Stunden nach einer H.E.L.P.-Behandlung relativ zum Wert vor der Therapiesitzung als auch absolut nach einem 9-monatigen Behandlungsintervall erhöht.

Schon damals wurde im Zusammenhang dieser Ergebnisse diskutiert, ob die Absenkung des LDLs alleine den Effekt bewirkt hatte, oder ob nicht weitere Faktoren – sogenannte pleiotrope Effekte – mit eine Rolle spielten [ 1 ], [ 2 ].


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Cholesterinsenkung:
Je höher, desto besser?

In den letzten Jahren zeigten Studien und Metaanalysen zur klinischen Wirksamkeit der medikamentösen cholesterinsenkenden Therapie z. T. erstaunliche Resultate. Der Cholesterinsenker Ezetimib in der Monotherapie zeigte im Vergleich zum Placebo keinerlei Unterschied in der klinischen Wirksamkeit (ENHANCE[ 1 ]-Studie 2008, Votum des G-BA), obwohl Cholesterin abgesenkt wurde. Die PROVE-IT[ 2 ]-Studie [ 3 ] zeigte, dass die Verdoppelung der Statindosis keinen nennenswerten Effekt auf die klinischen Outcome-Daten hatte. Auch in der "A-to-Z"-Studie [ 4 ] spielte die Höhe der Statindosis in den Outcome-Daten keine Rolle.

Eine präventive Wirkung in der Entwicklung kardiovaskulärer Komplikationen bei Hämodialysepatienten konnten -ebenfalls nicht nachgewiesen werden (AURORA[ 3 ]-Studie) [ 5 ]. Erst die JUPITER[ 4 ]-Studie [ 6 ] konnte einen Einfluss auf die Mortalität der Patienten belegen – kurioserweise aber nicht durch die Höhe der Cholesterinsenkung, sondern in Abhängigkeit zur Höhe eines Inflammationsparameters, dem C-reaktiven Protein (CRP).


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Pleiotrope Effekte

Mittlerweile ist gesichert, das Cholesterin nicht der einzige Risikofaktor ist, der die Entwicklung einer kardiovaskulären Erkrankung provoziert. Allgemein akzeptiert ist die Annahme, dass die Arteriosklerose im Grunde genommen eine sich langsam entwickelnde Entzündungsreaktion ist. Faktoren wie erhöhte Triglyzeride und Fibrinogen werden mittlerweile als eigenständige Risikofaktoren akzeptiert. Die JUPITER-Studie postulierte, dass die Koabsenkung des CRP gleichzeitig mit der Absenkung des LDL-Cholesterins den Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität erklären könne.

Studien zur Apherese – hier insbesondere Publikationen der Arbeitsgruppen von Prof. Schuff-Werner, Prof. Seidel und Prof. Horstkotte/Dr. Mellwig – zeigten früh, dass die Apherese ein breiteres Absenkungsspektrum aufweist als nur die des LDL-Cholesterins. Insbesondere die Absenkung des Fibrinogens, des CRP sowie von speziellen Zelladhäsionsmolekülen (V-CAM, I-CAM, E-Selectin) wird in dieser Kombination nur von der H.E.L.P.- Apherese erreicht (Abb. [ 3 ], [ 4 ]) [ 7 ]–[ 10 ]. Das erklärt die positive Wirkung der Apherese auf die Rheologie des Blutes. Auch dürfte der nachgewiesene Effekt der Apherese (der Stenosegrad der behandelten Patienten kann eingefroren oder gar gesenkt werden) auf diese Faktoren beruhen.

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Abb. 3 Entwicklung des Stenosegrades unter dem Einfluss von H.E.L.P.
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Abb. 4 Veränderung proinflammatorischer Marker (H.E.L.P. vs. DSA).

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Ist LDL per se atherogen?

Diese Frage ist wohl vor dem Hintergrund der letzten Erkenntnisse zu verneinen. LDL allein macht noch keine Arteriosklerose, sondern eher oxidierte Lipoproteinpartikel. Mittlerweile ist gesichert, das oxidiertes LDL und auch oxidiertes HDL (sic!) ein höheres atherogenes Potenzial besitzen, als natives LDL. Bei vielen Aphereseverfahren, aber besonders in der H.E.L.P.-Apherese, werden gezielt oxidierte Lipoproteine abgesenkt (Abb. [ 5 ]) [ 10 ]. Neu ist die Koabsenkung des "inflammatorischen HDL" durch H.E.L.P. [ 11 ]–[ 13 ].

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Abb. 5 Werte von Triglyzeriden, LDL, HDL und inflammatorischen HDL vor und nach der H.E.L.P.-Apherese.

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Konsequenzen

Möglicherweise lässt sich die erstaunlich geringe Wirkung der medikamentösen cholesterinsenkenden Therapie auf die klinische Wirksamkeit (bei beachtlichen Absenkungsraten) dadurch erklären, dass Cholesterinsenker bevorzugt in die Produktion bzw. Resorption des "frischen" Cholesterins eingreifen. Das würde bedeuten: Die bereits oxidierten LDL-Partikel (ox-LDL) verbleiben, während die Neusynthese an LDL gebremst wird und sich somit fatalerweise der atherogene Index (Anteil ox-LDL am Gesamt-LDL) verschlechtert. Die Apherese mit ihrer nachgewiesenen Fähigkeit, gerade die atherogenen und (bei H.E.L.P.) inflammatorisch wirksamen Substanzen zu entfernen, scheint hier der bessere Ansatz zu sein (Abb. [ 6 ], [ 7 ]. Zwar ist die Apherese ein invasives Verfahren, doch ist sie im Vergleich zur medikamentösen Therapie fast nebenwirkungsfrei [ 14 ]. Eine wirksame Behandlung der Arteriosklerose sollte auf 3 Säulen beruhen:

  • Reduktion oxidierter Lipoproteine (ox-LDL, ox-Lp(a) und ox-HDL)

  • Reduktion eigenständiger Kausalfaktoren wie Fibrinogen und Triglyzeride

  • Reduktion inflammatorischer Parameter

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Abb. 6 H.E.L.P.-Apherese: prozentuale Reduktion verschiedener relevanter Marker.
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Abb. 7 Reduktion proinflammatorischer Plasmaproteine bei der H.E.L.P.-Apherese.

Erst dann wird man von einer wirksamen Therapie sprechen können.

Gerald Stegemann, Melsungen

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der B. Braun Avitum AG, Melsungen.

Die Beitragsinhalte basieren auf Informationen der B. Braun Avitum AG, Melsungen.

Der Autor ist Mitarbeiter bei der B. Braun Avitum AG, Melsungen.


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1 Effect of Combination Ezetimibe and High-Dose Simvastatin vs. Simvastatin Alone on the Athe-rosclerotic Process in Patients with Heterozygous Familial Hypercholesterolemia


2 Pravastatin or Atorvastatin Evaluation and Infection Therapy


3 A Study to Evaluate the Use of Rosuvastatin in Subjects on Regular Hemodialysis: An Assessment of Survival and Cardiovascular Events


4 Justification for the Use of Statins in Prevention: an Intervention Trial Evaluating Rosuvastatin


  • Literatur

  • 1 Mellwig KP et al. 16th Annual Congress of EAMN. Amsterdam 2003
  • 2 Mellwig KP et al. Z Kardiol 2003; 92 (Suppl. 03) III/30-III/37
  • 3 Cannon CP et al. N Engl J Med 2004; 350: 1495-1504
  • 4 de Lemos JA et al. JAMA 2004; 292: 1307-1316
  • 5 Fellström BC et al. N Engl Med 2009; 360: 1395-1407
  • 6 Ridker PM et al. N Engl J Med 2005; 352: 20-28
  • 7 Dilhazi H et al. Nephrol Dial Transplant 2008; 23: 2925-2935
  • 8 Moriarty PM. Curr Treat Options Cardiovasc Med 2006; 8: 282-288
  • 9 Zenti GM, Stefanutti C. Cytokine 2011; 56: 850-854
  • 10 Julius U et al. Expert Rev Cardiovasc Ther 2008; 6: 629-639
  • 11 Moriarty PM. Persönlicher Kommentar.
  • 12 Moriarty PM et al. Am J Cardiol 2010; 105: 1585-1587
  • 13 Moriarty PM, Gibson CA, Flechsenhar K. Familial Hypercholesterinemia and Lipid Apheresis. In: Davidson MH, Toth PP, Maki KC, eds. Contemporary Cardiology: Therapeutic Lipidology. Totowa (NJ, USA): Humana Press Inc; 2008
  • 14 Klingel R. RheoNet Registry Update. September 2007

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  • 14 Klingel R. RheoNet Registry Update. September 2007

 
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Abb. 1 Die Wirksamkeit der H.E.L.P.-Therapie.
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Abb. 2 Die Koronarperfusion ist sowohl 20 Stunden nach einer H.E.L.P.-Behandlung relativ zum Wert vor der Therapiesitzung als auch absolut nach einem 9-monatigen Behandlungsintervall erhöht.
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Abb. 3 Entwicklung des Stenosegrades unter dem Einfluss von H.E.L.P.
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Abb. 4 Veränderung proinflammatorischer Marker (H.E.L.P. vs. DSA).
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Abb. 5 Werte von Triglyzeriden, LDL, HDL und inflammatorischen HDL vor und nach der H.E.L.P.-Apherese.
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Abb. 6 H.E.L.P.-Apherese: prozentuale Reduktion verschiedener relevanter Marker.
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Abb. 7 Reduktion proinflammatorischer Plasmaproteine bei der H.E.L.P.-Apherese.