Dialyse aktuell 2012; 16(02): 70-72
DOI: 10.1055/s-0032-1307025
Fachgesellschaften
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Elevationstest

Umsetzung und Nutzen bei der Dialyse
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Publication Date:
08 March 2012 (online)

 
 

Der Elevationstest ist eine nützliche Maßnahme, um die Funktionsfähigkeit von Nativshunts zu überprüfen. Dieser Test ist im Gesamtbild der Diagnosemöglichkeiten zu sehen und ergänzt den Dialog über den Shunt mit den Beteiligten.

Das Aufgabenspektrum der nephrologischen Fachpflegekraft in der Hämodialyse beinhaltet neben vielen anderen Tätigkeiten auch die regelmäßige Überprüfung des Dialyseshunts der Patienten auf seine Funktionalität hin. Dazu gehört …

  • … das Aussehen des Shunts und der Punktionsareale zu beobachten und zu beurteilen (Inspektion).

  • … den Shunt und die Shuntvene regelmäßig abzutasten (Palpation).

  • … die regelmäßige Auskultation mittels eines Stethoskops mit anschließender Beurteilung der Strömungsgeräusche und der Strömungsintensität, sowohl systolisch als auch diastolisch.

Diese Maßnahmen müssen in ein Patientengespräch eingebunden sein, um herauszufinden, ob seitens der Patienten irgendwelche Auffälligkeiten und Abweichungen seit der letzten Dialyse zu beobachten und zu berichten sind. Eine weitere Maßname zur Beurteilung der Shuntfunktionalität ist der Elevationstest, den ich im Folgenden beschreibe.

Definition des Elevationstests

Elevation, vom lateinischen "elevare" stammend, bedeutet übersetzt "erheben". Dieser Begriff wird in vielen Bereichen der Wissenschaften und Technik benutzt: In der Astronomie als der Winkelabstand eines Punktes am Sternhimmel von der Horizontebene, in der Geografie als die Beziehung von Erhebungen und Bergen zum Meeresspiegel usw. In der Anatomie und Physiologie beschreibt die Elevation das Heben eines Armes über die Horizontalebene hinweg. In der Medizin, vor allem in der Orthopädie und Physiotherapie, wird der Elevationstest zum Testen der Schulterfunktion (hier speziell des Acromioklaviculargelenkes) eingesetzt, und zwar in Form des Hochführens des Armes über den Kopf hinweg zum entgegengesetzten Ohr. Man prüft, ob diese Bewegung fließend oder intermittierend eingeschränkt und/oder schmerzhaft ist bzw. ebenso, ob der Prüfling den Test eigenständig oder mit Unterstützung durchführen kann. Der Elevationstest ist also die Weiterführung der Abduktionsbewegung über einen Winkel größer als 90 Grad hinaus.

In Abbildungen [ 1 ] und [ 2 ] sind diese Bewegungen schmerzfrei und ohne Einschränkungen möglich. Durch das Handauflegen auf die Schulter könnte der Therapeut schon während des Bewegungsablaufes eventuelle Reibungen spüren, die auf eine(n) beginnende(n) Gelenkverschleiß/-verkalkung deuten könnten.

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Abb. 1 Der rechte Arm ist in die Horizontalebene gehoben.
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Abb. 2 Der rechte Arm ist über den Kopf hinweg geführt.

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Zur Beurteilung eines Dialyseshunts nutzen

Aus diesem orthopädisch-physiotherapeutischen Test heraus ist der Elevationstest zur Beurteilung eines Dialyseshunts in der Nephrologie und Gefäßchirugie abgeleitet und entwickelt worden. Unter einem Shunt versteht man eine operativ hergestellte künstliche Verbindung einer Vene mit einer Arterie, also eine Verbindung des Hochdruck- mit dem Niederdrucksystem. In der Regel erfolgt diese in der sogenannten End-zu-Seit-Anastomose, wobei vorzugsweise die Vena cephalica auf die Arteria radialis aufgenäht wird (Abb. [ 3 ]). Ziel dieser Maßnahme ist die Ausbildung einer Shuntvene zur späteren problemarmen Punktion, um eine effektive Nierenersatztherapie durchführen zu können (Abb. [ 4 ]).

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Abb. 3 Schematische Darstellung einer End-zu-Seit-Anastomose.
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Abb. 4 Shunt mit einem arterialisierten Venensystem und einer deutlich dominanten Shuntvene, die zur wiederholbaren Punktion geeignet ist.

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Ablauf des Elevationstestes

Der Elevationstest gliedert sich in 3 unterschiedliche Phasen, die jedoch in direkter Beziehung stehen. Am einfachsten lässt sich der Test durchführen, wenn sich der Patient in sitzender Position befindet.

Phase 1

Abweichend vom Elevationstest in der Orthopädie beginnt unser Test mit dem Shuntarm in der Horizontalebene, idealerweise in Herzhöhe (Abb. [ 5 ]). Der Shunt und die Shuntvene sollten sich in dieser Position gut darstellen, der Puls am Shunt sollte gut und leicht tastbar sein. Beim Abtasten der Shuntvene nach proximal sollte sich die Pulsation leicht, aber deutlich spürbar abschwächen. Der Shunt und die Shuntvene sollten gut gefüllt, aber ohne Kraftaufwendung mit einem Finger komprimierbar sein. Als Folge sollte eine sichtbar kollabierende Vene im proximalen Verlauf zu sehen sein, die sich nach der Kompression aber sogleich erholt und einen gut sicht- und tastbaren Füllungszustand erreicht.

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Abb. 5 Der Shuntarm in der sogenannten Neutralposition, idealerweise in Herzhöhe.

Ich empfehle, beim Abtasten des Shunts und der Shuntvene mindestens 2 Finger im parallelen Zustand zu benutzen. Damit vergrößert man das Tastareal und bekommt so vor dem "geistigen Auge" eine gute Darstellung der Vene über Größe, Tiefe und Verlauf, die bei der späteren Punktion sehr hilfreich sein kann.


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Phase 2

Der Shuntarm wird nun langsam über die Herzhöhe hinaus nach oben geführt. Schon beim Hochführen (jedoch spätestens in der Endposition) sollte die Shuntvene deutlich kollabieren – ein Zeichen, dass der Blutabfluss gewährleistet und nicht in irgendeiner Form behindert ist (Abb. [ 6 ], [ 7 ]).

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Abb. 6 Deutlich sichtbarer Kollaps der Shuntvene.
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Abb. 7 Die Shuntvene kollabiert nicht so deutlich sichtbar, aber im Vergleich zu Abbildung [ 8 ] ist eine geringere Venenfüllung erkennbar (Kontrolle durch Tasten).

Eine Kontrolle des Ergebnisses ist die manuelle Kompression der Shuntvene im proximalen Verlauf. Nun sollte sich die Shuntvene distal wieder füllen, um beim Beenden des Kompressionsvorganges sofort wieder zu kollabieren. Diesen Venenkollaps kann man pädagogisch sehr gut dafür benutzen, um den Patienten zu zeigen, warum ein längeres Arbeiten mit dem Shuntarm über Kopf zu Shuntverschlüssen führen kann. Wenn Arbeiten über Kopf notwendig sind, braucht der Shunt unbedingt Erholungszeiten, damit die Durchblutung gewährleistet ist.


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Phase 3

In dieser Phase wird der Shuntarm nun langsam abwärts deutlich unter Herz-niveau geführt. Schon in der Abwärtsbewegung, spätestens auf Herzebene und natürlich in der Endposition sollten der Shunt und die Shuntvene wieder gefüllt und oder gut tastbar sein (Abb. [ 8 ]). Dies ist ein Zeichen dafür, dass der arterielle Zufluss gewährleistet und der venöse Abfluss durch das physikalische Prinzip des Höhenunterschiedes erschwert, aber nicht unterbunden ist.

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Abb. 8 Shunt unter Herzniveau.

Zur Kontrolle kann man distal die Shuntvene manuell komprimieren; proximal erschlafft die Vene. Beim Lösen der Kompression füllt sich die gesamte Vene schnell wieder. Die Position des Shuntarmes unter Herzniveau mit gutem Füllzustand kann man auch sehr gut zur Punktion nutzen, wenn der Shunt noch jung und zart ist und man eine Kompression mittels Stauband vermeiden möchte.


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Interpretation und Fazit

Der Elevationstest ist nur bei Nativshunts anwendbar, bei Prothesen ist eine Beurteilung nicht möglich. Die Dauer des Elevationstestes in der Praxis beträgt maximal 60 Sekunden, ist also auch bei "ungeduldigen" Patienten bei Unauffälligkeiten einmal pro Woche ohne großen Aufwand anwendbar. Nicht immer sind der Shunt und die Shuntvene beim Elevationstest optisch gut zu beurteilen. Je nach Alter und Punktionsmöglichkeiten ist dies sehr unterschiedlich. Vor allem bei der Arealpunktion kommt es sehr häufig zu narbigen Gewebsumwandlungen mit entsprechender Gefäßsteifigkeit. Hier hilft nur das Abtasten während des Testablaufes, um eine Aussage zu erhalten.

Wie so oft im Leben und auch in der Medizin gibt es nicht nur das "Symptom" oder den "Test", sondern oft sind diese Dinge ein Baustein für ein Mosaik eines Gesamtbildes. Der Elevationstest ist ein Indiz, das im Gesamten interpretiert und durch weitere Untersuchungen (z. B. Ultraschall und Flussmessung) belegt oder widerlegt wird. Zudem muss der Patient im Ganzen gesehen werden. So kann schon eine sogenannte Rechtsherzbelastung zu Fehlinterpretationen führen, da es zu Venenstauungen kommen kann.

Trotzdem ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, sich im Dialog mit dem Patienten, den Angehörigen, den Kollegen und dem Arzt mit dem Shunt regelmäßig auseinanderzusetzen, um Störungen frühzeitig zu erkennen und begegnen zu können, bevor es zum "GAU" kommt. Hier bietet der Elevationstest eine ideale Plattform, um über eine manuelle Tätigkeit im Gespräch mit dem Patienten Informationen zu sammeln, aber auch, um pädagogisch wirken zu können.

Manfred Breit, Trier


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Abb. 1 Der rechte Arm ist in die Horizontalebene gehoben.
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Abb. 2 Der rechte Arm ist über den Kopf hinweg geführt.
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Abb. 3 Schematische Darstellung einer End-zu-Seit-Anastomose.
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Abb. 4 Shunt mit einem arterialisierten Venensystem und einer deutlich dominanten Shuntvene, die zur wiederholbaren Punktion geeignet ist.
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Abb. 5 Der Shuntarm in der sogenannten Neutralposition, idealerweise in Herzhöhe.
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Abb. 6 Deutlich sichtbarer Kollaps der Shuntvene.
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Abb. 7 Die Shuntvene kollabiert nicht so deutlich sichtbar, aber im Vergleich zu Abbildung [ 8 ] ist eine geringere Venenfüllung erkennbar (Kontrolle durch Tasten).
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Abb. 8 Shunt unter Herzniveau.
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