Dialyse aktuell 2012; 16(01): 53-54
DOI: 10.1055/s-0032-1304671
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

18. Essener Peritonealdialyse-Gespräch – Dialyseadäquanz und -effizienz im Fokus

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Publication Date:
01 February 2012 (online)

 
 

Die Frage, wie Adäquanz und Effizienz der Dialysebehandlung noch zu steigern sind, bildete den thematischen Schwerpunkt des 18. Essener Peritonealdialyse-Gesprächs. Auf der Veranstaltung, die Mitte Oktober unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Andreas Kribben und PD Dr. Heike Bruck, Essen, und mit Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH im Universitätsklinikum Essen stattfand, wurden verschiedene Möglichkeiten der Optimierung und Effektivitätssteigerung der Peritonealdialyse diskutiert.

Voraussetzung für Dialyseadäquanz: korrekte Trockengewichtbestimmung

Für eine erfolgreiche Dialysebehandlung ist es wichtig, das Trockengewicht eines jeden Patienten zu kennen. Besonders schwierig ist die Bestimmung bei Kindern, wie der pädiatrische Nephrologe Prof. Dr. Rainer Büscher, Essen, ausführte. Beim Erwachsenen hat der Extrazellulärraum normalerweise einen Anteil am Körpergewicht von bis zu 25 %, der Fettanteil beträgt circa 20 %. Bei Neugeborenen liegen diese Werte dagegen bei 50 % respektive 3 %, weshalb Rechenalgorithmen zur Fett-Wasser-Situation bei Kindern durchaus zu falschen Ergebnissen führen können. Der Hydratationszustand kann bei Kindern mit unterschiedlichen Methoden erfasst werden. Dazu zählen routinemäßig der Body-Mass-Index (BMI) und die Hautfaltendicke, bei speziellen Fragestellungen auch biochemische Marker (z. B. ANP: atriales natriuretisches Peptid). Sichere Aussagen zur Dialyseplanung liefern der Vena-cava-inferior-Durchmesser (IVCD) und als sensibelste Methode die Bioimpedanzmessung. Auch für Kinder existieren inzwischen Bioimpedanz-Referenz-Perzentilen [1].

Eigens für Dialysepatienten (einschließlich Kinder) wurde ein neuer "Body Composition Monitor" (BCM) entwickelt. Der BCM führt – anders als bisherige Einfrequenz-Bioimpedanz-Messgeräte – eine Multifrequenzanalyse durch und liefert in circa 2 Minuten Werte für den Fettanteil, die fettfreie Masse (in erster Linie Muskeln) und zu Über-/Unterwässerung (nach dem Prinzip "mehr Wasser = gute Leitfähigkeit = geringer Widerstand" bzw. "hoher Widerstand = trocken").

Den zeitlichen Verlauf dieser Parameter über Wochen und Monate zeigt das Programm ebenfalls an, was gute individuelle Verlaufsbeobachtungen mit Optimierung, Erhaltung und Anpassung des adäquaten Trockengewichtes ermöglicht, denn bereits geringe Flüssigkeitsschwankungen werden im Verhältnis zur Gewichtsveränderung (und somit auch zum Wachstum) erfasst. Bei dystrophen Kindern sind die RI-Normalwerte (RI: "resistance index") allerdings nur eingeschränkt zur Bestimmung des Trockengewichtes anwendbar, die unkritische Anwendung der Normogramme führt zu einem falsch hohen Trockengewicht mit daraus folgender Überwässerung. Der individuelle Ernährungszustand muss folglich berücksichtigt werden.


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Hat die Wahl der Dialysemodalität Einfluss auf Adäquanz und Effizienz?

Zunächst führte Dr. Thomas Weinreich, Villingen-Schwenningen, in das Thema Dialyseadäquanz ein und erläuterte die gültigen Zielwerte der gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der "Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse".

Anschließend erläuterte Bruck, dass es für die Wahl der initialen Dialysemodalität keine Daten gibt, die die Überlegenheit von PD (Peritonealdialyse) oder HD (Hämodialyse) beweisen. Für die ersten Dialysejahre zeigen viele Studien jedoch Vorteile für die PD. Die Empfehlung "PD first" bleibt somit bestehen, wobei zu betonen ist, dass die Wahl vom gut informierten Patienten selbst getroffen werden soll.

Für die Entscheidung zwischen CAPD und APD gibt es ebenfalls keine primäre Präferenz, da keine generelle Überlegenheit eines der Verfahren gezeigt wurde. So lautete das Fazit, das Bruck aus dem neuen ERA-EDTA-Positionspapier ("Educating end-stage renal disease patients on dialysis modality selection: clinical advice from the European Renal Best Practice (ERBP) Advisory Board, [2]) zog. Bruck betonte, dass es sich dabei aber nicht um eine neue Leitlinie handele, sondern lediglich um einen kommentierenden Überblick über die derzeitige Studienlage, wobei sie kritisch bemerkte, dass große randomisierte Studien noch immer fehlten.

Viele Nephrologen stehen der PD nach wie vor skeptisch gegenüber – der Grund sind vermeintliche Kontraindikationen, die immer noch den klinischen Alltag bestimmen. Dazu zählen Behinderung und hohes Lebensalter (bei diesen Patienten kann die assistierte PD erwogen werden), vorausgegangener Transplantatverlust, Adipositas (bei diesen Patienten können spezielle Katheter mit thorakalem Exit eine gute Lösung darstellen), Herzinsuffizienz, polyzystische Nieren, Divertikulose, Hernien, Aszites und Lebertransplantation. Das Positionspapier weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Zustände heutzutage keine PD-Kontraindikationen mehr darstellen. Das belegten auch Dr. Gabriele Schott, Krefeld, und Heike Dierkes, Coesfeld, mit Fallbeispielen aus der Praxis: Die vorgestellten Patienten waren trotz scheinbarer Kontraindikation gut mit der PD führbar.

Das Positionspapier gibt darüber hinaus hilfreiche Empfehlungen, wann ein Wechsel der Dialysemodalität angebracht ist. Situationen, in denen eine Umstellung von HD auf PD erwogen werden sollte, sind beispielsweise hämodynamische Probleme an der HD, Muskelkrämpfe trotz optimalen Trockengewichts, Aszites sowie ausgeschöpfte Möglichkeiten eines nativen Gefäßshunts (vor dem Hintergrund der Risiken einer Kunststoffprothese oder eines zentralen Katheters). Umgekehrt sollte der Wechsel von PD auf HD erwogen werden bei ausgeprägten Problemen bei der Flüssigkeitsbilanzierung, persistierenden Urämiesymptomen, unkontrollierbarem Ernährungsstatus, intraabdominellen Eingriffen und sklerosierender Peritonitis. Rezidivierende Peritonitiden, Exit- und Tunnelinfektionen dagegen sind meist gut behandelbar und kein zwingender Grund zum Verfahrenswechsel. Auch das "präemptive Switchen" nach 2–3 PD-Jahren wird als obsolet erachtet, solange die Dialyseeffizienz gegeben ist. Ein neues Positionspapier [3] empfiehlt daher, einmal jährlich zur Kontrolle bzw. auch beim Auftreten von Komplikationen einen PET ("peritoneal equilibrium test") mit hochosmolarer Glukose durchzuführen, um ein Ultrafiltrationsversagen rechtzeitig zu erkennen.


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Höhere Effizienz durch die adaptierte APD

Die adaptierte APD (automatisierte Peritonealdialyse) ist eine glukose-, volumen- und zeitgesteuerte angepasste Cyclertherapie, bei der zur Steigerung der Ultrafiltration zunächst kleine Volumina mit kurzen Verweilzeiten, und später dann, um eine verbesserte Clearance zu erreichen, große Volumina mit langen Verweilzeiten eingefüllt werden (Abb. [ 1 ]).

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Abb. 1 9-stündige APD-über-Nacht-Sitzung, Gesamt-Dialysat-Volumen 12 l. APD-A: 2 Austausche mit einer Cyclerzeit von 45 min und einem Füllvolumen von 1,5 l und 3 Austausche mit einer Cyclerzeit von 150 min und einem Füllvolumen von 3 l. APD-C: 6 Austausche mit einer Cyclerzeit von 90 min und einem Füllvolumen von 2 l.
APD = automatisierte Peritonealdialyse, APD-A = adaptierte APD, APD-C = konventionelle APD

Wie Prof. Dr. Michel Fischbach, Straßbourg (Frankreich), mit Verweis auf seine jüngst publizierte Studie [4] ausführte, gelingt es, mit diesem Verfahren die Dialyseeffizienz maßgeblich zu steigern: Die Harnstoff- und Kreatininclearence (gemessen in der Dialysatauslaufkonzentration) waren signifikant besser und die tägliche Ultrafiltration erhöhte sich um fast 100 ml/d. Weitere günstige Effekte wurden beobachtet: So lag der Blutdruck in der mit adaptierter APD-behandelten Gruppe nach 45 Tagen deutlich niedriger (systolisch 139 ± 20 und diastolisch 80 ± 14 vs. systolisch 144 ± 19 und diastolisch 83 ± 15 mmHg in der mit konventioneller APD behandelten Gruppe), was auf die optimierte Flüssigkeitsbalance zurückgeführt werden kann. Auch die Phosphat- und Natriumelimination waren signifikant höher. Wie die vorliegende Studie an 19 Patienten zeigt, ist durch die adaptierte APD bei gleichem Aufwand, Kosten und gleicher Glukosekonzentration eine höhere Effizienz zu erreichen (Tab. [ 1 ]).

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Tab. 1 Ausgewählte Labor- und Dialysevariablen bei der konventionellen und der adaptierten automatisierten Peritonealdialyse.

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Phosphatkontrolle ist wichtig für das Überleben

Die Hyperphosphatämie geht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher [5], weshalb die Phosphatkontrolle zu den wichtigsten Interventionen bei nierenkranken Patienten zählt, wie Prof. Dr. Martin Kuhlmann, Berlin, ausführte. Bei normaler Ernährung nimmt ein Mensch im Durchschnitt täglich 1500 mg Phosphat mit der Nahrung auf, wovon etwa 60 % resorbiert wird. Nierengesunde Menschen können die Phosphatbalance erhalten, indem sie auch wieder in etwa 900 mg Phosphat ausscheiden. Bei CKD-Patienten mit eingeschränkter Ausscheidungsfunktion kommt es jedoch zur Hyperphosphatämie, wenn keine diätetischen oder medikamentösen Interventionen, wie beispielsweise eine Phosphatbindertherapie, zum Einsatz kommen.

Eine dritte, effektive Möglichkeit zur Herstellung der Phosphatbalance ist die gesteigerte Phosphatelimination durch die intensivierte Hämodialyse, das heißt Steigerung der Dialysedauer und/oder -frequenz. So ist die mit Abstand höchste Eliminationsrate durch die nächtliche Heim-HD zu erreichen. Bei PD-Patienten ist für die Optimierung der Phosphatelimination die Bestimmung des individuellen Phosphat-Transporter-Typs sinnvoll – der sich durchaus vom Kreatinin-Transporter-Typ unterscheiden kann [6], um dann das optimale PD-Verfahren für den Patienten zu wählen. So profitieren Patienten mit niedriger Phosphat-Transport-Rate beispielsweise von der CAPD und bei Patienten mit schneller Phosphat-Transport-Rate lässt sich die Phosphatausscheidung durch Erhöhung der Füllvolumina steigern.

Wie die Vorträge von Fischbach und Kuhlmann dokumentieren, ist die Dialyseeffizienz der PD durchaus noch ausbaufähig, und das sogar mit relativ einfachen Maßnahmen. Selbst die moderne Dialysemedizin bietet also noch Raum für Optimierungen, von denen die Patienten dann hinsichtlich der Lebensqualität, Morbidität und möglicherweise auch Mortalität profitieren.

Dr. Bettina Albers, Weimar


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Literatur

online unter https://thieme-connect.de/ejournals/toc/dialyseakt oder beim Verfasser


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Terminhinweis

19. Essener Peritonealdialyse-Gespräch: 13.11. 2012

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Beitragsinhalte stammen vom "18. Essener Peritonealdialyse-Gespräch", Universitätsklinikum Essen, unterstützt von der Fresenius Medical GmbH, Bad Homburg.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der PR-Agentur albersconcept, Weimar.


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Abb. 1 9-stündige APD-über-Nacht-Sitzung, Gesamt-Dialysat-Volumen 12 l. APD-A: 2 Austausche mit einer Cyclerzeit von 45 min und einem Füllvolumen von 1,5 l und 3 Austausche mit einer Cyclerzeit von 150 min und einem Füllvolumen von 3 l. APD-C: 6 Austausche mit einer Cyclerzeit von 90 min und einem Füllvolumen von 2 l.
APD = automatisierte Peritonealdialyse, APD-A = adaptierte APD, APD-C = konventionelle APD
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Tab. 1 Ausgewählte Labor- und Dialysevariablen bei der konventionellen und der adaptierten automatisierten Peritonealdialyse.