Verantwortlich für diese Rubrik: Manfred Wolfersdorf, Bayreuth; Iris Hauth, Berlin
Die Diskussion über die Entwicklung des neuen Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik
ist im letzten Jahr nach Anfrage des BMG und nach Bekanntwerden der ersten Eckpunkte
zur weiteren Gestaltung des ordnungspolitischen Rahmens geprägt von verschiedenen
Standpunkten, inwieweit das neue Entgeltsystem neue Versorgungsformen initiieren und
befördern soll. Dazu zählen das Regionalbudget in Schleswig-Holstein, ein Regionalbudget,
das auch niedergelassene Leistungserbringer einbezieht, patientenzentrierte Budgets
und integrierte Versorgungsformen.
Die bisherige Diskussion seitens der Fachleute ist motiviert von den Wünschen nach
einer qualitätsvollen Versorgung für psychisch erkrankte Menschen, Erfahrungen aus
einzelnen Regionen und Projekten. Die Krankenkassen werden motiviert durch die Sorge,
dass das neue Entgeltsystem auf Basis von Tagespauschalen die Krankenhausaufenthalte
und deren Verweildauern ansteigen lassen könne und somit die Kosten für die Behandlung
psychisch erkrankter Menschen im Krankenhaus steigern.
Zur Förderung einer sachlichen und fundierten Weiterentwicklung des Versorgungssystems
ist es dringend notwendig, Daten aus dem stationären, teilstationären und ambulanten
Versorgungssektor zu Rate zu ziehen. Sie stehen bisher nur den Krankenkassen und dem
InEK zur Verfügung. Um mit Krankenkassen und den Entscheidungsträgern sachgerecht
diskutieren zu können, werden die DGPPN und die BDK gemeinsam ein Projekt fördern,
das einerseits Daten der Versorgung einer großen Krankenkasse mit über 12 Mio. Mitgliedern
in Bezug auf ambulante, teilstationäre und stationäre Versorgung sichtet, darüber
hinaus soll eine Stichprobe zunächst von 40–50 Minuten anhand des §21-er Datensatzes
und Struktur- und Prozessdaten ausgewertet werden.
Im Vortragsteil der Herbsttagung stellte Herr Repschläger "Versorgungsdaten der stationären,
teilstationäre und ambulanten Behandlung psychisch erkrankter Versicherter", erste
Auswertungen der Daten der Barmer GEK zur Behandlung psychisch erkrankter Mitglieder
vor.
Um zukunftsträchtig eine den Bedürfnissen der psychisch Kranken entsprechende Versorgung
und deren Finanzierung zu entwickeln, sind die Bedürfnisse der Betroffenen und Angehörigen
wesentlich. Vor diesem Hintergrund Psychiatrieerfahrene, Angehörige und Professionelle
aus den verschiedenen Perspektiven der ambulanten, teilstationären und stationären
Behandlung ihre Positionen dar.
Frau Fricke aus dem Vorstand des Bundesverbandes Psychiatrieerfahrener betonte, dass
es für betroffene Menschen wichtig sei, selbst wählen zu können in welchem Setting
sie behandelt werden. Vorrangig sei die Behandlung im ambulanten Setting, manchmal
gäbe es auch Situationen in denen die Betroffenen Beistand und Ruhe brauchten. "Es
ist gleichgültig, wo das Bett steht, hauptsächlich der Mensch fühlt sich wohl und
gut umsorgt." Frau Fricke betonte, dass eine Flexibilisierung der Behandlung anzustreben
sei und führte darüber hinaus Inhalte der UN-Konventionen auf.
Frau Schliebener, Vorsitzende des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker,
geht aus Sicht der Angehörigen davon aus, dass ambulante Behandlung nicht immer ausreicht.
Die Belastung, die Angehörige erfahren bei zu kurzen stationären Aufenthalten und
ambulanten Krisen, ist enorm hoch. Zur Qualitätsverbesserung der stationären Behandlung
führt sie eine andere Haltung der Professionellen, Abschließen von Behandlungsvereinbarungen
auf. Darüber hinaus wäre es wichtig, vermehrt tagesklinische Behandlung auch für akute
Patienten einzurichten, Möglichkeiten zu schaffen, dass die Institutsambulanz auch
aufsuchend im Sinne des Hometreatments arbeiten kann und eine Förderung der bisher
zu wenig umgesetzten integrierten Versorgung.
Prof. Dr. Driessen stellte in seinem Statement für die PIA ein zentrales Behandlungselement,
die Institutsambulanz als erste Anlaufstation bei Krisen vor. Die Institutsambulanz
entscheidet dann, inwieweit die Behandlung intensiv durch das Institutsambulanzteam
auch auswirkend zu Hause durchgeführt werden könne oder inwieweit teilstationäre oder
stationäre Behandlung nötig sei. Die PIA könne in Zukunft die zentrale Behandlungseinheit
sein, die das Casemanagement für den Patienten sowohl im und um das Krankenhaus herum
verantwortlich übernehme.
Prof. Dr. Längle betonte, dass die ehemals rehabilitativ ausgerichteten Tageskliniken
seit Jahren auch akute Behandlung bzw. Psychotherapiebehandlung durchführten. Nach
neueren Multicenterstudien wird geschätzt, dass mindestens 30% der heute noch stationären
Patienten auch tagesklinisch behandelt werden könnten.
Prof. Pollmächer hatte die Aufgaben ein Plädoyer für die stationäre Behandlung zu
halten. Dabei betonte er, dass auch psychisch erkrankte Menschen ebenso wie somatisch
Erkrankte ein Recht auf stationäre Krankenhausbehandlung haben. Die Indikation vollstationärer
psychiatrischer Behandlung nach deren Kontraindikation, Effektivität und Effizienz,
Kosten und Nutzenverhältnis sollten ideologiefrei geklärt werden. Problematisch ist
die empirisch vergleichende Forschung zu Behandlungssettings, die "extrem komplexe
Kombinationspräparate" sind.
Zusammenfassend auch unter Einbezug einer ausführlichen Diskussion mit Prof. Dr. Kunze,
der die Vorschläge der "Aktion psychisch Kranke" darstellte, endete die Diskussion
mit dem Ergebnis, dass auf jeden Fall der Entwicklungsprozess des neuen Entgeltsystems
nach §17d mit Verbesserung der Kalkulationsinstrumente und sinnvoller Anpassung an
die Belange der psychisch Kranken fortgeführt werden sollte. Darüber hinaus befürworteten
alle, dass definierte und strukturierte Modellprojekte wie z. B. das Krankenhausbudget
à la Itzehoe, personenzentrierte Budgets und ähnliches gefördert werden sollten und
in wissenschaftlicher Begleitforschung evaluiert, um nach einer angemessenen Zeit
entscheiden zu können, inwieweit sich diese neuen Versorgungsformen und deren Finanzierung
in die Regelversorgung implementieren lassen.
Im weiteren Verlauf der Herbsttagung wurde ein Update zur aktuellen Entwicklung des
Entgeltsystems speziell zu den Themen Eckpunktepapier des BMG, OPSWeiterentwicklung,
PIA-Prüfauftrag nach §17d gegeben.
Im sog. Verbandsteil der Tagung stellten die Arbeitskreise der Bundesdirektorenkonferenz
aktuelle Themen vor. Seitens des Vorstandes der BDK gab es im Vorfeld ein Treffen
mit den Leitern der Arbeitskreise um die gemeinsame Arbeit zu intensivieren.
Die Landessprecher berichteten schwerpunktmäßig zu den Fragen der Umsetzung der Sicherheitsverwahrung
und des Therapieunterbringungsgesetzes, der Umsetzung der 90- bzw. 100%igen PsychPV
in den Kliniken sowie neue integrierte Versorgungsverträge bzw. Modellprojekte in
ihren Ländern.
Die Herbsttagung mit ca. 80 Teilnehmern war geprägt durch eine intensive, rege Diskussion
und durch ein von Dr. Hohl-Radke, dem Gastgeber, ausgerichtetes Begleitprogramm. Ein
besonderes Vergnügen bereitete allen Teilnehmern das bewegende Konzert von Prof. Steinberg
(Cello) und Prof. Günther (Klavier) und als Gast Prof. Forchert (Violine).
Dr. I. Hauth
Vorsitzende der BDK