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DOI: 10.1055/s-0031-1300713
Einführung
Publication History
Publication Date:
30 December 2011 (online)

Die Leber steht gleich in zweifacher Hinsicht im Brennpunkt der Medikamentenentwicklung: Zum einen als Organ, das auf vielfältige Weise – infektiös wie nichtinfektiös – erkranken kann und der Therapie bedarf. Zum anderen als Organ, das an fast jeder medikamentösen Intervention mitbeteiligt ist: als First-pass-Filter bzw. als Metabolisierungs- oder Exkretionsorgan der verabreichten Wirkstoffe.
Das pathophysiologische Verständnis der Leber hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht; und erfreulicherweise wurde vieles davon auch zügig translational zur Entwicklung neuer Diagnostika und Therapeutika genutzt. Ein gutes Beispiel dafür bietet das hepatozelluläre Karzinom, dessen molekulare und zelluläre Pathogenese neue Ansatzpunkte für Medikamente offenbart hat. Ein anderes liefert die Hepatitis-C-Therapie, für die bald neue spezifische Enzyminhibitoren verfügbar werden dürften, die bei noch mehr Patienten für anhaltende virologische Kontrolle sorgen. Der bisherige Therapiestandard sowie das Potential der neuen Präparate werden im Symposium ausführlich bei den unterschiedlichsten Indikationen diskutiert.
Bei Hepatitis B und C stehen Optimierungen bereits zugelassener Therapien im Vordergrund. Biomarker für Pathophysiologie und Therapieansprechen sind wie bei vielen anderen Lebererkrankungen von großer Bedeutung für Forschung und Therapie. Die Hepatitis C stellt ein zurzeit besonders aktuelles Forschungsgebiet dar. Zahlreiche direkt antiviral wirksame Substanzen, sogenannte directly acting antivirals (DAAs), werden in Phase 1 bis 3 entwickelt. Hierbei handelt es sich um Hepatitis-C-spezifische Protease- und Polymeraseinhibito-ren. Weitere Strukturen aus dem Replikationszyklus des Hepatitis-C-Virus werden als Targets für innovative Therapeutika evaluiert; besonders hoffnungsvoll sind Inhibitoren des Virusproteins NS 5A, das an der RNA-Replikation und an Eingriffen in die Physiologie der Wirtszelle beteiligt ist. Dementsprechend gehen gleich mehrere Referenten auf diese Thematik ein.
Auch Leber- und leberassoziierte Erkrankungen, die keine Infektionsätiologie haben, erhalten auf dem Symposium gebührende Aufmerksamkeit. Dazu zählen etwa das akute Leberversagen, die hepatische Enzephalopathie und die primär sklerotisierende Cholangitis. Letztere wird in einem Vortrag als die größte verbliebene „Black Box” der Hepatologie vorgestellt, doch ist erfreulicherweise auch bei dieser von erfolgversprechenden neuen Therapieansätzen zu berichten.
Schließlich wird bei diesem Symposium auch die Rolle der Leber im Rahmen der Pharmakovigilanz behandelt. Noch immer ist Lebertoxizität der häufigste Grund dafür, dass Medikamente im Entwicklungsprozess aufgegeben oder nach ihrer Zulassung vom Markt genommen werden müssen. Auch die meisten fatalen unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind darauf zurückzuführen. Letztlich ist diese schlechte Bilanz eine Folge davon, dass die Lebertoxizität bei Mensch und Tier bis heute erst ungenügend verstanden ist; obendrein lassen die bisher eingesetzten Tiermodelle nur eingeschränkte Prognosen für die Humansituation zu. Es bedarf daher neuer Testverfahren, die eine zuverlässigere präklinische Risikovorhersage ermöglichen.
Der Bogen ist bei diesem Symposium also weit gespannt: von der Pathophysiologie über die Diagnose und Therapie bis hin zur Prophylaxe. Damit bleibt das Symposium dem bewährten Konzept früherer Jahre treu, Experten aus unterschiedlichen Forschungs- und Anwendungsbereichen zusammen zu bringen, um den Dialog und die Erkenntnisse, die sich erst in der Zusammenschau gewinnen lassen, zu fördern.
Noch ein anderer Aspekt ist uns wichtig: Sowohl in der Grundlagen- als auch klinischen Forschung zu hepatischen Erkrankungen gibt es exzellente Beispiele für eine enge und fruchtbare Kooperation zwischen universitärer und industrieller Forschung, der wichtige Arzneimittel und aussichtsreiche Medikamentenkandidaten zu verdanken sind. Es ist zu hoffen, dass sich solche Kooperationen auch zu solchen Lebererkrankungen formieren, die bislang noch kaum therapierbar sind. Das Symposium ist deshalb dazu gedacht, zu einer offenen Diskussion zwischen universitärer und industrieller Forschung beizutragen und damit neue Impulse für innovative Behandlungskonzepte zu geben. Es ist zudem erfreulich, dass neben Wissenschaftlern aus den Universitäten und der Industrie auch Sachverständige aus Ministerien, Behörden und Verbänden zu diesem Symposium kommen.
Für das Gelingen des Symposiums haben sich viele engagiert: An erster Stelle natürlich die Referenten, aber auch der Vorstand der Paul-Martini-Stiftung und deren Geschäftsstelle, die dieses Symposium vorbereitet und organisatorisch auf die Beine gestellt haben. Ebenso danken wir der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, die es mit uns durchführt. Nun hoffen wir, dass das Symposium – nicht zuletzt auch dank der Diskussionsbeiträge – dazu beiträgt, dass das Interesse und das Verständnis für die Hepatologie vertieft und damit letztlich Leberkranken besser geholfen wird.
Prof. Dr. Michael Manns
Medizinische Hochschule Hannover
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Peter C. Scriba
Ludwig-Maximilians-Universität München