Hebamme 2011; 24(4): 269-270
DOI: 10.1055/s-0031-1299560
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Leserbriefe
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Leserbriefe

zur Pro- und Kontradiskussion „Sollen Hebammen auch Ultraschalluntersuchungen machen?“ in Heft 3-2011
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Publication Date:
19 December 2011 (online)

Ich bin freiberufliche Hebamme, tätig in der Vor- und Nachsorge. Die Betreuung in der Schwangerschaft sieht häufig leider nur folgendermaßen aus: Hilfe bei Beschwerden (wenn bei der ärztlichen Vorsorge etwas auffällig geworden ist und wenig Zeit zum Erklären war) und Geburtsvorbereitungskurse. Seit ca. einem Jahr bestehe ich darauf, dass ich die Frauen einmal im Monat sehe. Seitdem ist der Wunsch nach Vorsorge erheblich gestiegen – scheitert jedoch daran, dass die Frauen auf ihren Ultraschall bestehen.

Ich arbeite im Rhein-Neckar-Delta, d. h. die ärztliche Versorgung ist gedeckt, man(n) könnte auch von Konkurrenz unter den Fachärzten sprechen. Leider gibt es nur noch wenige Ärzte, die nur 3 Ultraschalle pro Schwangerschaft durchführen. In der Regel werden bei jedem Vorsorgetermin welche gemacht. (Wenn keiner gemacht wird, fühlen die Frauen sich nicht gut aufgehoben – vielleicht liegt es an den ca. 10 Minuten, die ein Arzt pro Schwangere sich Zeit nimmt.)

Ich begrüße die Diskussion, um das Erlernen dieser Diagnostik, die (leider) zur Schwangerenvorsorge gehört wie das Blutdruckmessen. Ich denke, wir sollten uns davor hüten, damit auf Kriegsfuß zu stehen.

Wenn wir Hebammen mit dem Ultraschall wieder an Zuspruch gewinnen – nur zu! Es liegt dann an uns, dieses wieder auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren, indem wir die Bindung zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft positiv beeinflussen!!! Zum Beispiel durch: ZEIT, Wahrnehmungsübungen, Leopold’sche Handgriffe, Hörrohr hören etc. Es liegt in ­unserer Hand, ob wir unsere erlernten Handgriffe weiterhin anwenden oder ob wir durch diesen technischen Zugewinn unsere Wurzeln vernachlässigen.

Wenn wir uns dem Fortschritt verwehren, sterben wir aus. Dann können wir uns nur noch die Unterstützung der ­gesetzlichen KV und der privaten KV wünschen, damit wir den Ultraschall auch bezahlen können. Die Abrechnungsmöglichkeiten sollten sich daraufhin anpassen.

Susann Haag,
Hebamme, Waghäusel

Bei der derzeit herrschenden Rechtslage in Österreich sind Hebammen die einzige nichtärztliche Berufsgruppe, welche die Ultraschalluntersuchung während Schwangerschaft und Geburt in der völligen Eigenverantwortung im Bundes-Hebammengesetz (HebG Bglb. 310/1994) niedergeschrieben hat. Dies bedeutet, dass die Indikationsstellung, die Durchführung, die Befundung und somit natürlich auch die Aufklärung über die Untersuchung eigenverantwortlich in Händen der Hebammen liegt (siehe dazu HebG § 2 Abs. 2, Pkt. 5). Dies scheint bei der momentanen forensischen Situation bzgl. Geburtshilfe in Österreich für Hebammen nicht erstrebenswert.

Auf die von Ihnen gestellte Frage, was dagegen spräche, dass eine Hebamme um drei Uhr früh bei einer Frau mit fehlenden Kindsbewegungen und Schmerzen eine Ultraschalluntersuchung durchführt, ist zu entgegnen, dass diese Frage bereits Studentinnen im 1. Semester der Hebammenausbildung an der Fachhochschule beantworten können.

Gegen die Durchführung des Ultraschalls spricht die Regelwidrigkeit! Im Falle einer Regelwidrigkeit hat die Hebamme einen Arzt, der zur eigenständigen Berufsausübung befugt ist, beizuziehen. Und nicht einen, wie Sie meinen, Assistenzarzt – eine Bezeichnung, die es im Ärztegesetz gar nicht gibt. Es handelt sich um einen Turnusarzt, also einen in Ausbildung stehenden Arzt, der mit Sicherheit nicht Ansprechpartner der Hebamme in einer solchen Situation sein kann.

Bisher wusste ich nicht, dass es sich bei der Universitätsfrauenklinik Innsbruck um ein Buschkrankenhaus handelt, in dem es scheinbar nicht möglich ist, in der Nacht einen kompetenten Arzt beiziehen zu können. Die Einschulung der in Ausbildung stehenden Ärzte wäre, bevor diese Dienst versehen, auch empfehlenswert. Ebenso die eigenständige Dokumentation der Ärzte.

Wenn sich die österreichischen Heb­ammen gefallen lassen, dass sie durch den Rückzug der Gynäkologen in den gynäkologischen Bereich mehr Arbeit bekommen, dann wäre es schade um die Geburtshilfe. Ebenso kann nicht ­unterstützt werden, dass Gynäkologen geburtshilflich keine Arbeit mehr haben wollen und das zu Erledigende auf die eigenverantwortliche Hebamme abschieben.

Ich als Hebamme weigere mich zu akzeptieren, dass in der Geburtshilfe nur mehr Schwarz und Weiß gemalt wird. Entweder Hebammengeburtshilfe, also reine Physiologie, oder Sectio. Eine andere Möglichkeit erscheint mir in Zukunft bei schlecht oder nicht mehr ausgebildeten Ärzten kaum andenkbar. Wenn in der Geburtshilfe die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Heb­amme verloren geht, leidet auch die Ausbildung der Hebammen.

Fazit: Bevor wir Hebammen schallen, sollten wir zum einen gemeinsam den Fokus auf die Geburtshilfe und die Ausbildung der involvierten Berufsgruppen in der Geburtshilfe legen, zum anderen auf gar keinen Fall die geltende Rechtslage ignorieren!

Renate Großbichler-Ulrich MLS
Leitende Hebamme in Wien

Als Versicherungsbeauftragte für die Gruppenversicherung der Hebammen überlege ich mir in erster Linie die Auswirkungen der Ultraschalldiagnostik auf den Polizzeninhalt und die Prämie der Haftpflichtversicherung. Der Polizzeninhalt muss auf die erweiterte Aufklärungshaftung (die Frauen werden die Hebammen fragen: „Erklären Sie mir das Ultraschall-Bild!“) und Orga­nisationshaftung (wer überprüft und meldet schadhafte Geräte?) bei der Ultraschall-Diagnostik abgestimmt werden. Das wirkt sich auf die Prämie aus. Für die österreichischen Hebammen habe ich um ein diesbezügliches Angebot bei unserer Versicherung gebeten.

Werden sich die Hebammen in Deutschland die Ausübung ihres Berufes noch leisten können, wenn sich die Prämie der jährlichen Haftpflichtversicherung für die ureigenste Hebammentätigkeit (Vor- und Nachsorge, Geburt) jetzt schon bei Euro 6000,00 jährlich (Stand 2011) bewegt?

Warum diese Unterstützung von Seiten der Ärzte für die US-Diagnostik für Hebammen? Soll vielleicht die Haftung für die US-Diagnostik auf die Hebammen abgewälzt werden? Die Art der Anfragen und Empfehlungen, ob und wie wir Hebammen den Ultraschall in der Haftpflichtversicherung verankert haben oder haben sollen, bekräftigen meinen diesbezüglichen Verdacht.

Ein Vergleich mit den anderen euro­päischen Ländern ist seriös, wenn wir nicht nur einen Aspekt, wie die Ausübung des Ultraschalls herausgreifen, sondern wir müssen auch deren haftungsrechtliches Umfeld der gesamten Hebammentätigkeit miteinbeziehen.

Anita Pichler, Wien

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