Anatomie und Biomechanik
Das Ellenbogengelenk stellt eine aus 3 Gelenken bestehende funktionelle Einheit dar.
Es besteht aus dem humeroulnaren, dem humeroradialen und dem proximalen radioulnaren
Gelenk.
Der distale Humerus wird in einen ulnaren und radialen Pfeiler unterteilt. Diese enden
gelenknah in den Epikondylen und tragen den artikulären Block. Dieser besteht im anterioren
Anteil des distalen radialen Pfeilers aus dem Capitulum humeri, dem Gelenkpartner
des Caput radii, während die am distalen ulnaren Pfeiler befindliche Trochlea humeri
mit dem Olekranon artikuliert.
Der distale Humerus stellt ein 3-dimensional hochkomplexes Gelenk dar.
In Bezug zur zentralen Humerusachse ist die Gelenkachse des distalen Humerus 4–8°
valgus anguliert, 3–4° innenrotiert und in der Sagittalebene 30–40° anterior gekippt
([Abb. 1]).
Abb. 1 a und b Knöcherne Anatomie des Ellenbogengelenks. a Ansicht von ventral.
b Ansicht von dorsal.
Weite Bereiche des distalen Humerus stellen gelenkbildende Strukturen dar, sodass
lediglich wenige Lokalisationen einer Osteosynthese zur Verfügung stehen. Implantate
können dorsoradial, medial und lateral positioniert werden. Um die Extension nicht
zu blockieren, muss die Einengung der Fossa olecrani durch Implantatmaterial vermieden
werden. Ebenso können von dorsal eingebrachte, in die ventral gelegene Fossa coronoidea
oder radialis überragende Schrauben bei Beugung zu einem Impingement am Proc. coronoideus
oder Radiuskopf führen.
Am Ellenbogen besteht eine enge anatomische Beziehung zu den Nerven und Gefäßen des
Armes:
Der N. ulnaris durchdringt ca. 8 cm proximal des Epicondylus medialis das Septum intermusculare
brachii mediale und verläuft dann am medialen Rand des Caput mediale des M. triceps
nach distal. Er wird in diesem Bereich von der A. collateralis ulnaris posterior begleitet.
Am dorsalen Aspekt des Epicondylus medialis zieht der N. ulnaris in den Sulcus N.
ulnaris und tritt dann in die Osborn-Arkade zwischen den beiden Köpfen des Flexor
carpi ulnaris ein.
10–12 cm proximal des Epicondylus lateralis tritt der N. radialis von posterior durch
das Septum intermusculare brachii laterale und verläuft dann im Radialistunnel zwischen
dem M. brachioradialis und brachialis nach anterior in die Ellenbeuge, wo er sich
in einen Ramus profundus und superficialis aufteilt.
Distal der Medianusgabel verläuft der N. medianus, die A. brachialis kreuzend, im
Sulcus bicipitalis medialis zur medialen Ellenbeuge und gelangt medial der Bizepssehne
und der A. brachialis unter dem Lacertus fibrosus zwischen den beiden Köpfen des M.
pronator teres zum Unterarm.
Die A. brachialis gelangt anterior des M. brachialis und lateral des N. medianus liegend
zur Ellenbeuge. In Höhe des Radiuskopfs teilt sie sich in ihre Endäste, die A. radialis
et ulnaris [12].
Abhängig von der Beuge- und Rotationsstellung des Unterarms werden eingeleitete Kräfte
zu 60 % über die radiale und zu 40 % über die ulnare Säule auf den Oberarm übertragen
[10].
Epidemiologie und Unfallmechanismus
Epidemiologie und Unfallmechanismus
Distale Humerusfrakturen des Erwachsenen sind mit einer Inzidenz von ca. 5/100 000
Einwohnern und einem Anteil von 2–6 % aller Frakturen eine relativ seltene Entität.
Sie stellt aber mit ca. 30 % einen relevanten Anteil der knöchernen Verletzungen des
Ellenbogengelenks dar.
Es findet sich eine typische bimodale Altersverteilung mit einem Gipfel bei jungen
männlichen Patienten (oft hochenergetische Traumata) und einem weiteren Gipfel bei
älteren Patientinnen über 65 Jahren (oft niedrigenergetisch).
Bei entsprechender Unfallanamnese sind Frakturen im Alter als osteoporotische Frakturen
zu betrachten und sollten den Behandelnden zu einer entsprechenden Diagnostik und
ggf. auch Therapie veranlassen.
Typischerweise findet sich bei älteren Patienten eine Kombination aus hochkomplexen
Mehrfragmentfrakturen und schlechter Knochenqualität.
Bei jungen Patienten führen oftmals hochenergetische Mechanismen zur Fraktur, was
insbesondere bei diesem Kollektiv in einer bis zu 30 % hohen Inzidenz von offenen
Verletzungen resultiert. Bei älteren Patienten liegen oftmals einfache Stolperstürze
vor, wobei auch hier durch eine durch Komorbiditäten geschädigte Haut (Kortisoneinnahme)
ein sorgfältiges Weichgewebsmanagement angezeigt ist.
Die distale Humerusfraktur kann durch einen direkte (z. B. Pkw-Seitaufprall) oder
indirekte Krafteinleitung entstehen. Neben der individuellen Knochenstruktur kommt
der Ellenbogengelenkstellung während der Krafteinleitung eine wesentliche Bedeutung
zu. So finden sich bei Sturz auf den extendierten Arm überwiegend suprakondyläre,
auf den flektierten Arm überwiegend perkondyläre und interkondyläre Frakturformen.
Sagittale Frakturmuster (Capitulum- und Trochleafrakturen) finden sich oftmals im
Rahmen von Luxationsereignissen und sind entsprechend des Unfallmechanismus häufig
mit begleitenden ligamentären Verletzungen vergesellschaftet.
Entsprechend der demografischen Entwicklung ist mit einer Zunahme der Inzidenz bei
den distalen Humerusfrakturen im höheren Lebensalter auszugehen.
Diagnostik
Neben den unsicheren Frakturzeichen (Schmerz, Schwellung, Hämatom) findet sich üblicherweise
eine schmerzhaft eingeschränkte Gelenkfunktion (functio laesa) und insbesondere bei
den höhergradigen Frakturformen oftmals eine teils groteske Fehlstellung im Ellenbogengelenk.
Neben der Unfallanamnese kommt der allgemeinen Krankheitsanamnese internistischer
Grunderkrankungen (Malignome, systemische Kortisontherapie) als auch bereits prätraumatischen
bestehenden Gelenkstörungen (rheumatoide Arthritis, vorbestehende Bewegungslimitierung)
eine besondere Bedeutung hinsichtlich der weiteren Therapieplanung zu.
Neben der Inspektion, Palpation und Bewegungsprüfung des Ellenbogengelenks ist die
Untersuchung der angrenzenden Gelenke immer durchzuführen. Insbesondere bei axialen
Stauchungstraumen sind Verletzungen im Bereich der Handwurzel und/oder des Handgelenks
nicht unüblich. Die erhobenen Befunde müssen sorgfältigst dokumentiert werden, bei
Weichgewebsschäden ist zur Verlaufsbeurteilung eine Wunddokumentation dringend zu
empfehlen (Fotodokumentation).
Neben der konventionellen Röntgendiagnostik in 2 Ebenen ist bei komplexen Frakturen
die Indikation zur CT-Diagnostik großzügig zu stellen.
Dreidimensionale Rekonstruktionen der Fraktur, ggf. mit Subtraktion des Unterarms,
erleichtern das Frakturverständis maßgeblich und ermöglichen eine detaillierte OP-Planung.
Bei Verdacht auf begleitende Gefäßläsionen ist eine Angio-CT oder Angiografie angezeigt.
Die MRT-Untersuchung hat außer bei Verdacht auf osteochondrale Läsionen keinen Stellenwert
in der Akutphasediagnostik distaler Humerusfrakturen.
Frakturklassifikation
Frakturen des distalen Humerus sollten entsprechend der von der Arbeitsgemeinschaft
für Osteosynthesefragen vorgeschlagenen AO-Klassifikation eingeteilt werden [5]. Andere, überwiegend im angloamerikanischen Raum angewandte Klassifikationen sind
die Klassifikationen nach Mehne und Matta sowie Riseborough und Radin.
Bei der AO-Klassifikation werden vollständig extraartikuläre Frakturen (A-Frakturen)
von partiell intraartikulären Frakturen (B-Frakturen) und vollständig intraartikulären
Frakturen (C-Frakturen) unterschieden.
Abhängig von der metaphysären und intraartikulären Verletzungsschwere erfolgt die
Klassifikation in Subgruppen ([Abb. 2]). Die AO-Klassifikation ist sowohl von therapeutischer als auch von prognostischer
Bedeutung.
Abb. 2 Klassifikation distaler Humerusfrakturen entsprechend der Arbeitsgemeinschaft für
Osteosynthesefragen.
Entsprechend einer epidemiologischen Studie aus England stellen A-Frakturen einen
Anteil von 38 %, Typ-B-Frakturen einen Anteil von 24 % und Typ-C-Frakturen einen Anteil
von 37 % dar. In derselben Untersuchung ist eindrücklich die Häufigkeit eines offenen
Weichgewebsschadens in Abhängigkeit von der Frakturschwere dargestellt. Diese beträgt
bei A-Frakturen 0,08 %, bei B-Frakturen 5 % und bei C-Frakturen 15 %. Bei C3-Frakturen
ist in bis zu 30 % mit offenen Frakturen zu rechnen [12].
Sagittale Abscherfrakturen der Trochlea und des Capitulums werden entsprechend der
Einteilung von Bryan und Morrey in 3 Kategorien unterteilt.
Typ-I-Frakturen stellen Frakturen des Capitulums dar (Synonym: Hahn-Steinthal-Fraktur).
Demgegenüber betrifft die Typ-II-Fraktur zwar auch isoliert das Capitulum, allerdings
liegt hier eine osteochondrale Abscherfraktur mit schaligem Frakturfragment vor (Synonym:
Kocher-Lorenz-Fraktur). Typ-III-Frakturen sind mehrfragmentäre Capitulumfrakturen.
Vervollständigt wird die Klassifikation durch den von McKee ergänzten Typ IV, einer
Abscherfraktur des Capitulums und der Trochlea.
Weichgewebsverletzungen werden nach Gustilo und Anderson oder Tscherne und Oestern
klassifiziert.
Therapieformen
Die bis Mitte des letzten Jahrhunderts durchgeführte konservative Therapie distaler
Humerusfrakturen führte in einem hohen Prozentsatz zu unbefriedigenden Ergebnissen.
Die Gefahr einer verzögerten oder gar ausbleibenden Bruchheilung ist um bis zum 6-Fachen
erhöht, die funktionellen Ergebnisse sind überwiegend schlecht. Eine längere Ruhigstellung
des Ellenbogengelenks führt besonders beim alten Patienten durch posttraumatische
Gelenkkapselkontraktur, Narbenbildung und Ossifikationen nahezu unausweichlich zu
einer signifikanten Einsteifung des Gelenks. Eine Ruhigstellung über 14 Tage sollte
dringend vermieden werden. Die konservative Therapie ist somit nur indiziert, wenn
ein operatives Verfahren wegen Begleiterkrankungen nicht möglich oder der Anspruch
und die Compliance sehr niedrig ist (z. B. bei demenzieller Erkrankung, gebrauchsunfähige
Extremität nach Schlaganfall). Im Fall einer konservativen Therapie ist nach initialer
Schienenruhigstellung nach Abschwellung ein zirkulärer Oberarmgips mit Handeinschluss
indiziert. Die vulnerable Weichgewebssituation ist bei multimorbiden Patienten (Kortisonhaut)
stets kritisch zu bedenken.
Ziel der operativen Therapie distaler Humerusfrakturen ist die Wiederherstellung einer
dauerhaft stabilen und schmerzfreien Gelenkfunktion.
Diverse klinische Studien konnten nachweisen, dass dies nur durch eine exakte anatomische
Rekonstruktion der Gelenkflächen und Gelenkgeometrie sowie eine frühfunktionelle Nachbehandlung
möglich ist [2], [4], [7]. Die offene Reposition und stabile interne Fixation gilt somit als Therapie der
Wahl. Ist eine primäre Übungsstabilität allein durch die Osteosynthese nicht zu erreichen,
sollte über die additive Stabilisierung durch einen Fixateur oder Bewegungsfixateur
nachgedacht werden. Obwohl hinsichtlich der späteren Gelenkbeweglichkeit die frühfunktionelle
Behandlung von enormer Wichtigkeit ist, hat dennoch die knöcherne Heilung einen höheren
Stellenwert. Die Erfolgsaussichten sind nach einer sekundären Arthrolyse bei Steife
besser als nach knöchernen Heilungsstörungen. Somit ist bei nicht ausreichender Stabilität
dennoch eine Ruhigstellung angezeigt.
Im Falle von erheblicher intraartikulärer Zerstörung, vorbestehenden Gelenkpathologien
und höherem Lebensalter ist der endoprothetische Gelenkersatz zu erwägen (siehe Artikel
Dr. Becker et al. in dieser Ausgabe, S. 14).
Die primäre Arthrodese des Ellenbogengelenks in Funktionsstellung ist selten und kommt
nur bei ausgewählten Patienten in Betracht.
[Abb. 3] beschreibt den in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main
etablierten Entscheidungsalgorithmus hinsichtlich der Therapieform ([Abb. 3]).
Abb. 3 Entscheidungsalgoritmus zur Behandlung distaler Humerusfrakturen an der Berufsgenossenschaftlichen
Unfallklinik Frankfurt am Main.
OP-Vorbereitung, Lagerung und operative Zugänge
OP-Vorbereitung, Lagerung und operative Zugänge
Der Operationszeitpunkt hängt im Wesentlichen vom begleitenden Weichgewebstrauma (offene
Fraktur), Begleitverletzungen (Gefäßläsionen) und logistischen Komponenten ab.
Insbesondere bei komplexen Typ-C-Frakturen ist ein erfahrenes OP-Team notwendig. Da
eine Notfallindikation selten vorliegt, ist eine operative Versorgung der Fraktur
im Intervall bei optimalen Grundvoraussetzungen gerechtfertigt. Bei eventueller Notwendigkeit
eines endoprothetischen Gelenkersatzes ist ein entsprechendes Instrumentarium zur
OP vorzuhalten.
Ist eine zeitnahe Versorgung der Fraktur nicht gewährleistet, muss natürlich temporär
eine Gipsschienenruhigstellung oder, in Abhängigkeit von Begleitverletzungen und Weichgewebsschaden,
die Anlage eines gelenküberbrückenden Fixateur externe erfolgen.
Um eine schmerzfreie postoperative Nachbehandlung zu ermöglichen, ist die Anlage eines
Schmerzkatheters zu erwägen. Nachteilig ist hierbei allerdings die unter Umständen
postoperative eingeschränkte Beurteilbarkeit der Motorik und Sensibilität. Ob ein
Schmerzkatheter das funktionelle Ergebnis positiv beeinflusst, ist nicht wissenschaftlich
belegt.
Ein Blasendauerkatheter sollte bei zu erwartender OP-Zeit von über 2 Stunden angelegt
werden.
Die perioperative Antibiotikaprophylaxe sollte 30 Minuten vor Hautschnitt und ggf.
Schließen der Oberarmblutsperre erfolgen.
Die Oberarmblutsperre sollte immer vorbereitet werden, ob diese dann genutzt wird,
hängt vom OP-Verlauf ab. Eine Blutsperre über 120 Minuten sollte vermieden werden.
Wichtig ist, dass die Blutsperre weit proximal angelegt wird, um ggf. eine Erweiterung
des Zugangs nach proximal nicht zu behindern.
Der Patient wird entsprechend des nach der Fraktursituation gewählten Zugangs gelagert.
Im Falle eines dorsalen Zugangs empfiehlt sich die Lagerung in Bauchlage, die verletzte
Extremität wird dabei über einen kurzen Armtisch oder eine Rolle ausgelagert. Eine
Beugung bis mindestens 100° muss gewährleistet sein. Alternativ ist der dorsale Zugang
auch in Seitenlage oder Rückenlage durchführbar. Bei Bauch- oder Seitenlage hat es
sich im eigenen Vorgehen bewährt, den Arm frei in einem Tischabdecktuch hängen zu
lassen. Die durch die große Wundfläche doch erhebliche Blutung wird so aufgefangen
und der Arm ist stets steril umgeben ([Abb. 4]). In Rückenlage empfiehlt es sich, den Arm auf einer Beinschale über dem Oberkörper
des Patienten zu lagern.
Abb. 4 a bis g Komplexe intraartikuläre distale Humerusfraktur (AO 13 C3), männlich, 56 Jahre. a Frakturröntgen nach Fixateur-externe-Stabilisierung, b Lagerung des Patienten in Bauchlage, c sterile Abdeckung des OP-Bereichs, d dorsaler Zugang und Darstellung des N. ulnaris, e Darstellung der Fraktur über Olekranonosteotomie, temporäre K-Draht-Stabilisierung
nach anatomischer Reposition, f Doppelplattenosteosynthese am dorsoradialen und medialen Pfeiler, g postoperative Röntgenkontrolle.
Im Falle eines medialen, lateralen oder ventralen Zugangs wird der Patient in Rückenlage
mit auf dem Armtisch ausgelagertem Arm gelagert.
Bei im CT zu erahnender artikulärer oder metaphysärer Trümmerfraktur mit Substanzverlust
ist die Indikation zur Spongiosaplastik großzügig zu stellen. In diesem Fall muss
eine Entnahmestelle (z. B. am vorderen oder hinteren Beckenkamm) zugänglich sein.
Welcher operative Zugang gewählt wird, hängt maßgeblich von der Frakturmorphologie
und den Begleitverletzungen ab.
Radialer Zugang/proximal limitierter Zugang nach Kocher
Indikation: unikondyläre Frakturen des radialen Pfeilers, Capitulumfrakturen
Die Hautinzision beginnt ca. 5 cm proximal des Ellenbogengelenks und zieht über den
radialen Epikondylus nach distal, posterior des Radiusköpfchens. Je nach Höhe der
radialen Pfeilerfraktur ist ggf eine Erweiterung nach proximal notwendig. Nach Durchtrennung
der Faszie wird proximal das Intervall zwischen dem posterior gelegenen M. triceps
und dem brachioradialis dargestellt, nach distal verläuft anterior der M. extensor
carpi ulnaris und posterior der M. anconeus. Nach Darstellung der oftmals bereits
traumatisch eröffneten Gelenkkapsel ist der radiale Gelenkanteil einsehbar. Ein subperiostales
Präparieren nach anterior und posterior ermöglich die Visualisierung des gesamten
radialen Pfeilers. Ventral des Zugangs ist auf den dort verlaufenden N. radialis zu
achten. Ein übermäßiger Zug mit Retraktoren und Haken muss vermieden werden.
Ulnarer Zugang
Indikation: unikondyläre Frakturen des ulnaren Pfeilers, Trochleafrakturen
Die Hautinzision beginnt medial, ebenfalls 5 cm proximal des Gelenks, und setzt sich
über den medialen Epikondylus nach distal fort. Das Aufsuchen des N. ulnaris ist proximal
am medialen Rand des M. triceps am leichtesten. Nach Darstellung des N. ulnaris wird
dieser dann sparsam neurolysiert und mittels Vessel Loop angeschlungen. Nach subperiostalem
Ablösen der Flexorenmuskulatur wird die Gelenkkapsel eröffnet. In der Modifikation
dieses Zugangs nach Campbell wird der Epicondylus medialis osteotomiert und mit den
Muskelansätzen nach ventral verlagert.
Ventraler Zugang
Indikation: Capitulum- und Trochleafrakturen
Beim ventralen Zugang nach Henry erfolgt eine S-förmige Hautinzision von proximal-lateral
über die Fossa cubitalis nach distal-medial. Der im Zugangsbereich verlaufende N.
cutaneus antebrachii lateralis sollte geschont werden, da ansonsten eine Dys- oder
Anästhesie der sensibel versorgten Hautareale resultieren kann. Die sensibel innervierten
Hautareale erstrecken sich am dorsalen und volaren radialseitigen Unterarm. Volar
ist sein Versorgungsgebiet größer und reicht bis zum Daumenballen, dorsal endet es
etwa in Höhe des Handgelenks. Nach Eröffnung der Unterarmfaszie wird das Muskelintervall
zwischen M. brachialis und brachioradialis aufgesucht. N. medianus und A. brachialis
werden nach medial, der N. radialis nach lateral gehalten. Nach Inzision der ventralen
Gelenkkapsel sind das Capitulum und der radiale Anteil der Trochlea darstellbar.
Dorsale Zugänge
Indikation: uni- und bikondyläre Frakturen des medialen und/oder lateralen Pfeilers
Der dorsale Zugang zum Ellenbogengelenk stellt den Standardzugang in der Versorgung
komplexer Frakturen dar.
Je nach artikulärer Verletzungsschwere kann über die im Folgenden dargestellten Zugänge
ein größtmöglicher Anteil der Gelenkfläche eingesehen werden. Insbesondere Begleitverletzungen
des proximalen Unterarms können über diesen Zugang leicht mitbehandelt werden. Des
Weiteren ergeben sich Vorteile durch eine geringere Hautnervendichte und ein besseres
kosmetisches Ergebnis, da eine dorsal am Ellenbogengelenk lokalisierte Narbe im Alltag
kaum auffällt. Zudem ist die Verbandspflege bei ggf. additivem Fixateur externe einfacher
möglich.
Die dorsale Hautinzision erfolgt unter Radialumschneidung des Olekranons und erstreckt
sich je ca. 10 cm nach proximal und distal. Bei traumatischer Bursaverletzung ist
eine Bursektomie zu empfehlen. Nach Darstellung des M. triceps muss obligat das Identifizieren
und Markieren des N. ulnaris im Sulcus N. ulnaris erfolgen. Eine extraanatomische
Transposition des Nervs nach ventral wird im eigenen Vorgehen nur durchgeführt, wenn
nach Frakturstabilisierung eine mechanische Irritation durch die Osteosynthese befürchtet
werden muss. Aktuelle Studien konnten keinen Nutzen der Transposition nach ventral
belegen. Der Anteil an Nervenirritationen ist nach ventraler Transposition allerdings
bis zu 4-fach erhöht. Von immenser Wichtigkeit, insbesondere im Hinblick auf eine
spätere Revision oder Metallentfernung, ist die genaue Dokumentation der Nervenposition
in der OP-Info und des OP-Berichts. Bei der Präparation nach proximal am radialen
Pfeiler ist auf den im distalen Drittel des Humerusschafts von medioproximal nach
lateroventral kreuzenden N. radialis zu achten.
Abhängig von der Frakturmorphologie ermöglicht die dorsale Hautinzision verschiedene
Zugangswege.
Zugang nach Alonso-Llames (triceps-on)
Durch Präparation eines medialen und lateralen Fensters am Trizeps kann eine gute
Darstellung des metaphysären distalen Humerus erreicht werden. Die Gelenkfläche ist
nur begrenzt einsehbar. Dieser Zugang ist daher in erster Linie für extraartikuläre
und einfach intraartikuläre Frakturen geeignet. Vorteilhaft ist, dass die einsehbare
artikuläre Fläche des distalen Humerus leicht durch eine Erweiterung dieses Zugangs
im Sinne einer Olekranonosteotomie vergrößert werden kann. Des Weiteren ermöglicht
dieser Zugang ein Umschwenken auf den unten beschriebenen Bryan-Morrey-Zugang (bei
Entscheidung zur Endoprothese). Daher ist der Alonso-Llames-Zugang auch zur Erstbeurteilung
komplexer Frakturen gut geeignet, da er abhängig von der Verletzungsschwere erweitert
werden kann.
Transolekranärer Zugang
Dieser wurde erstmals 1915 von MacAusland beschrieben und in der Folge wiederholt
modifiziert. Eine V-förmige Osteotomie des Olekranons ist durch die höhere Rotationsstabilität
und größere knöcherne Kontaktfläche einer geraden Osteotomie vorzuziehen. Entsprechend
der Form der Osteotomie wird diese auch als Chevron-Osteotomie bezeichnet. Chevron
ist der englische Begriff für Winkel und beschreibt in der Architektur das V-förmige
Aufeinandertreffen von Dachbalken. Es wurde als Zeichen eines Verdiensts im Militär
eingeführt und dient heute in erster Linie als Rangabzeichen.
Mit einer oszillierenden Säge werden die dorsalen ⅔ des Olekranons osteotomiert, das
letzte Drittel wird mit einem Lambotte-Meißel (benannt nach Albin Lambotte, belgischer
Chirurg und Mitbegründer der Unfallchirurgie) frakturiert, um bei der Rekonstruktion
eine gute Verzahnung der Fragmente zu erreichen. Das mobilisierte Olekranon wird dann
in eine feuchte Kompresse eingeschlagen und kann so, mit anhaftendem Trizeps, nach
proximal abgehoben werden ([Abb. 4]). Nach Vollendung der Osteosynthese erfolgt die Refixierung mittels Zuggurtung oder
Plattenosteosynthese [13].
Der Anteil der nach Olekranonosteotomie einsehbaren Gelenkfläche ist im Vergleich
zu anderen Zugängen um bis zu 50 % vergrößert.
Trizeps-Splitting-Zugang
Nach mittiger Durchtrennung des M. triceps wird der Streckapparat nach medial und
lateral subperiostal am Olekranon und der proximalen Ulna unter Bildung von muskulofaszialen
medialen und lateralen Lappen abgelöst.
Bryan-Morrey-Zugang
Ist die Implantation einer Ellenbogenprothese augrund der artikulären Verletzungsschwere
wahrscheinlich, sollte die Gelenkdarstellung über einen den Streckmechanismus erhaltenden
Zugang (z. B. Bryan-Morrey-Zugang) erfolgen, um die postoperative Rehabilitation unter
aktiver Extension zu ermöglichen. Beim Zugang nach Bryan-Morrey wird der gesamte Streckapparat
in seiner Kontinuität erhalten und von medial nach lateral subperiostal am Olekranon
abgelöst.
OP-Verfahren
Osteosynthesematerialien
Fixateur externe
Bei frakturbedingt erheblicher Instabilität mit begleitendem, hochgradig offenem oder
geschlossenem Weichgewebstrauma stellt die Ruhigstellung im Fixateur externe die primäre
Stabilisierung der Wahl dar. Insbesondere im Rahmen einer Polytraumatisierung erlaubt
der Fixateur externe im Gegensatz zur Gipsschienenruhigstellung eine vereinfachte
Behandlungspflege.
Die Platzierung der Schanz-Schrauben erfolgt humeral und ulnar lateral.
Humeral ist die Platzierung der Pins über einen limitierten Zugang zur Schonung des
im Übergang vom mittleren zum distalen Drittel nach lateral kreuzenden N. radialis
dringlichst zu empfehlen.
Bereits in dieser Phase sollte die Position der Pins mit Hinblick auf die definitive
Versorgung gewählt werden. Die Pinlöcher stellen eine Schwächung der kortikalen Struktur
dar und können bei an diesen Punkten endender Osteosynthese oder Prothese eine periimplantäre
Fraktur begünstigen. Bei definitiver Prothesenversorgung ist zusätzlich das Risiko
eines Zementaustritts gegeben.
Nach Stabilisierung des Allgemeinzustands des Patienten und Konsolidierung der Weichgewebe
erfolgt dann in der Sekundärphase die definitive operative Versorgung der Fraktur.
Zusätzlich kann der Fixateur externe bei verbliebener Instabilität nach Osteosynthese
Verwendung finden.
Kirschner-Drähte
Die perkutane Verschraubung und isolierte K-Draht-Osteosynthese bietet keine ausreichende
Primärstabilität, um eine funktionelle Nachbehandlung zu gewährleisten und ist somit
obsolet. K-Drähte werden für die temporäre Fixierung benötigt (s. u.).
Schrauben
Es kommen Kleinfragmentschrauben und kanülierte Schraubensysteme zur Anwendung. Eine
isolierte Schraubenosteosynthese bietet selten eine primäre Übungsstabilität, sodass
eine Schraubenosteosynthese in der Regel durch eine Plattenosteosynthese gesichert
wird.
Platten
Drittelrohrplatten besitzen keine ausreichende Stabilität, in der Vergangenheit wurden
wiederholt Brüche dieser Platten beobachtet.
Es kommen daher LC-DC- oder 3,5-mm-Rekonstruktionsplatten zur Verwendung.
Die seit einigen Jahren angebotenen präformierten Osteosyntheseplatten erleichtern
das Anpassen an die komplexe Geometrie des distalen Humerus.
Winkelstabile Platten
Insbesondere bei komplexen Frakturen mit kleinen Fragmenten und schlechter Knochensubstanz
bieten winkelstabile Osteosyntheseplatten relevante Vorteile.
Durch das Prinzip der Winkelstabilität kann oftmals eine gute Primärstabilität trotz
o. g. Kombination erzielt werden. Durch die biomechanischen Eigenschaften der Plattenfixateure
mit verbessertem Schraubenhalt sind im hohen Prozentsatz trotz schlechter Knochenqualität
übungsstabile Frakturversorgungen zu erreichen [3], [14].
Dies gilt besonders für die neuen anatomisch vorgeformten und winkelstabilen Plattensysteme,
die für den distalen Gelenkblock multiple Schraubenoptionen bereit halten [9], [11]. Diese sind sowohl uni- als auch multidirektional winkelstabil verfügbar ([Abb. 5]). Entsprechend der Biomechanik der Winkelstabilität sollte die periostale Durchblutung
durch das Fixateur-interne-Prinzip geschont werden. Da in biomechanischen und klinischen
Studien wiederholt ein Versagen der am radialen Pfeiler von dorsal eingebrachten Schrauben
beobachtet wurde, sollte eine lateromediale Verschraubung des Gelenkblocks stets angestrebt
werden [2], [11].
Abb. 5 a und b Winkelstabile, anatomisch präformierte Implantate für den distalen Humerus. a LCP Distal Humerus Plates System, Synthes, Umkirch. b Variax Elbow System, Stryker, Selzach, Schweiz.
Bei Hybridfixierung (artikulär winkelstabil/diaphysär konventionell) muss die Osteosyntheseplatte
im Schaftbereich nachmodelliert werden, um eine sekundäre Verschiebung des Gelenkblocks
zu verhindern (die Platte wird an den Humerusschaft herangezogen). Werden die Platten
als Fixateur interne verwendet (winkelstabile Fixierung artikulär und diaphysär),
ist eine Anpassung in der Regel nicht notwendig (winkelstabile Fixierung ohne notwendigen
Kontakt zwischen Platte und Knochenschaft).
Durch die neuen Implantatsysteme wurde die Möglichkeit einer gelenkerhaltenden Therapie
auch hin zu hochkomplexen Frakturen mit begleitend schlechter Knochenqualität erweitert.
Die deutlich höheren Kosten für anatomisch präformierte, winkelstabile Implantate
müssen allerdings unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kritisch betrachtet werden.
Bis dato fehlen klinisch vergleichende Studien zwischen konventionellen und winkelstabilen
Implantaten, sodass lediglich eine Grad-I-Empfehlung zur Verwendung der winkelstabilen
Implantate gegeben werden kann [6], [16].
Frakturversorgung
A-Frakturen
A1-Frakturen treten typischerweise bei noch nicht vollständig geschlossener Epiphysenfuge
auf und stellen knöcherne Ausrisse des radialen oder ulnaren Kollateralbands dar.
Nur bei diesen Frakturformen ist die isolierte Verschraubung mit Kleinfragment- oder
kanülierten Schrauben gerechtfertigt.
Extraartikuläre, metaphysär einfache und mehrfragmentäre Frakturen werden nach offener
Reposition mittels einer Doppelplattenosteosynthese am radialen und ulnaren Pfeiler
stabilisiert. Die Lage der Platten kann radial und medial, alternativ aber auch dorsoradial
und medial erfolgen. Die beidseitige Positionierung dorsal sollte biomechanischen
Studien zufolge wegen der deutlich geringeren Primärsteifigkeiten vermieden werden.
Der Gelenkblock sollte mit mindestens 4 Schrauben fixiert sein, am Schaft sind 6 bikortikale
Schrauben gefordert. Winkelstabile Implantate sind bei guter Knochenqualität und großem
Gelenkblock nicht notwendig, können aber bei schlechter Knochenqualität, metaphysärer
Zertrümmerung und kleinem Gelenkblockfragment hilfreich sein.
B-Frakturen
Frakturen des radialen oder ulnaren Pfeilers werden entsprechend der Lokalisation
durch eine einseitige Plattenosteosynthese stabilisiert. Eine isolierte interfragmentäre
Verschraubung bietet keine ausreichende Primärstabilität und ist daher immer durch
eine Plattenosteosynthese zu ergänzen.
Sagittale Abscherfrakturen können nach anatomischer Reposition direkt von ventral
oder auch indirekt von dorsal verschraubt werden. Wichtig ist, dass keine Osteosynthesematerialien
die Knorpeloperfläche überragen.
C-Frakturen
Es erfolgt zunächst die offene Rekonstruktion des Gelenkblocks. Nach Darstellung und
Bergung der oftmals grob dislozierten artikulären Fragmente werden diese anatomisch
reponiert und temporär fixiert. K-Drähte der Stärke 0,8–1,4 mm sind in diesem Schritt
zur Stabilisierung ausreichend. Kleine osteochondrale Fragmente können ggf. mit resorbierbaren
Pins fixiert werden.
Eine interfragmentäre Kleinfragmentschraube mit durchgehendem Gewinde oder eine kanülierte
Schraube erhöhen die Stabilität des Gelenkblocks.
Im Anschluss wird der Gelenkblock mit K-Drähten der Stärke 1,6–2 mm gegen den Humerusschaft
fixiert. In diesem Schritt muss die physiologische Angulation des Gelenkblocks im
30°-Winkel nach anterior beachtet werden. Vor allem in Bauchlage und bei kräftigem
umgebendem Weichgewebsmantel ist diese Beurteilung oftmals schwierig. Im Zweifelsfall
sollte eine Durchleuchtungsuntersuchung erfolgen. Wie auch bei den A2- und A3-Frakturen
ist die definitive Stabilisierung durch eine Doppelplattenosteosynthese zu realisieren.
Die Lage der Platten kann analog radial und medial, alternativ aber auch dorsoradial
und medial erfolgen. Es besteht anhaltend eine Kontroverse, ob die Platten in einer
90°-Konfiguration (dorsoradial und medial) oder 180°-Konfiguration (radial und medial)
positioniert werden sollten. Biomechanische Untersuchungen mit simulierter metaphysärer
Trümmerzone legen eine Positionierung in 180° nahe. Allerdings konnte in der einzigen
existierenden klinisch vergleichenden Studie zwischen 90°- und 180°-Position kein
Unterschied festgestellt werden. Fallserien zeigen sowohl in 90° als auch in 180°
gleiche funktionelle Ergebnisse mit vergleichbaren Komplikationsraten.
Liegt eine metaphysäre Trümmerfraktur mit Defektsituation vor, ist die primäre Spongiosaplastik
dringlichst zu empfehlen.
Alternativ ist eine primäre metaphysäre Verkürzung von einigen Zentimetern ohne funktionelle
Einschränkungen der Streckmuskulatur möglich. Es ist dann allerdings von besonderer
Wichtigkeit, die Fossa olecrani, coronoidea und radialis zur remodellieren (z. B.
Outerbridge-Kashiwagi Procedure).
Nach Abschluss der Osteosynthese und provisorischer Refixierung des Olekranons muss
eine Bewegungsprüfung im vollen Bewegungsausmaß erfolgen. Eine intraoperative Röntgenkontrolle
zur Beurteilung der Reposition und Osteosynthese ist obligat durchzuführen.
Ist eine Osteosynthese technisch nicht möglich oder bestanden bereits prätraumatische,
erhebliche Einschränkungen der Gelenkfunktion, ist der endoprothetische Ersatz zu
erwägen (siehe Artikel Becker et al. in dieser Ausgabe).
Die Arthrodese des Ellenbogengelenks im Rahmen einer akuten distalen Humerusfraktur
spielt eine untergeordnete Rolle.
Nachbehandlung
Ziel der operativen Therapie distaler Humerusfrakturen ist die Wiederherstellung einer
dauerhaft schmerzfreien und stabilen Gelenkfunktion in einem für den Alltag ausreichenden
Bewegungsausmaß. Dieses Ziel ist nur durch eine anatomische Rekonstruktion der Gelenkfläche
und primär übungsstabile Osteosynthese zu erreichen.
Die frühe funktionelle Nachbehandlung hat einen signifikanten Einfluss auf das spätere
Ergebnis [2], [7].
Trotz initial stabiler Osteosynthese wird im eigenen Vorgehen postoperativ eine Gipsschiene
angelegt. Dies unterstützt durch eine kurzzeitige (2–3 Tage) Ruhigstellung die Weichgewebskonsolidierung
der initial oftmals erheblich geschwollenen Extremität, andererseits hat es nach unserer
Erfahrung einen positiven Effekt hinsichtlich der postoperativen Schmerzen. Das funktionelle
Ergebnis wird durch eine so kurze Ruhigstellung nicht beeinflusst. Lokale Kälteanwendungen
und später Lymphdrainage unterstützen im Verlauf das Abschwellen.
Die Wirksamkeit einer heterotopen Ossifikationsprophylaxe nach Frakturen des Ellenbogengelenks
ist wissenschaftlich nicht belegt, sollte aber dennoch prophylaktisch für einen Zeitraum
von 4 Wochen mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum durchgeführt werden. Eine
präoperative Bestrahlung bei der Primär-OP ist wegen des erhöhten Risikos einer Pseudarthrosenbildung
nicht zu empfehlen. Im Rahmen von Revisionsoperationen und vorausgegangenen heterotopen
Ossifikationen wird sie im eigenen Vorgehen aber auch angewendet.
Eine belastungsstabile knöcherne Konsolidierung tritt am distalen Humerus zwischen
der 8. und 10. Woche ein. Eine Vollbelastung kann dann initiiert werden.
Die Indikation zur Entfernung des Osteosynthesematerials am distalen Humerus sollte
wegen der durch Narbenbildung erhöhten Gefahr der iatrogenen Nervenverletzung sehr
zurückhaltend gestellt werden.
Die Indikation sollte nur bei mechanischer Irritation durch das Implantatmaterial
oder bei sensomotorischen Störungen gestellt werden. Eine umfangreiche Aufklärung
des Patienten über Komplikationen und Risiken dieser vom Patienten oftmals als „kleine
OP“ wahrgenommenen Eingriffs ist dringend zu empfehlen.
Komplikationen
Ein Osteosyntheseversagen, in der Regel durch Ausriss der Schrauben im Gelenkblock,
sowie die Bildung einer Pseudarthrose wird in einem Prozentsatz von 7,5 bis 32 % gesehen
[2], [8], [9], [11], [15].
Eine postoperative sensomotorische Störung des N. ulnaris, meist nur passager, ist
eine der häufigsten Komplikationen nach operativer Therapie distaler Humerusfrakturen
und wird mit einer Häufigkeit von bis zu 16 % angegeben. Die anteriore Transposition
des Nervs hat keinen protektiven Einfluss.
Ein Osteosyntheseversagen oder eine ausbleibende Konsolidierung nach Refixierung der
Olekranonosteotomie findet sich in bis zu 31 % der Fälle [1], [11].
Funktionelle Ergebnisse
Trotz der anhaltend hohen Komplikationsraten sind die Ergebnisse nach Osteosynthese
distaler Humerusfrakturen in aktuellen Publikationen vielversprechend.
Wenn auch noch nicht durch vergleichende Studien belegt, könnte dies Ausdruck der
durch neue, anatomisch präformierte und winkelstabile Implantate verbesserten Fragmentfixierung
und somit frühen funktionellen Nachbehandlung sein. Gute und sehr gute Ergebnisse
nach C3-Fraktur wurden bei über 90 % der Patienten festgestellt ([Abb. 6]) [9], [11]. Demgegenüber konnten nach konventioneller Plattenosteosynthese von C3-Frakturen
nur in 26 % der Fälle gute und sehr gute Resultate ermittelt werden [2].
Abb. 6 a bis c AO-13-C3-Fraktur, männlich, 61 Jahre. a CT-Oberflächenrekonstruktion der Fraktur, b nach offener Reposition und winkelstabiler Doppelplattenosteosynthese, c funktionelles Ergebnis nach 20 Monaten entsprechend Mayo Elbow Performance Score
sehr gut.