Zahnmedizin up2date 2012; 6(1): 3
DOI: 10.1055/s-0031-1298263
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Die Situation ist da“

K.-M. Stratmann
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Publication Date:
27 March 2012 (online)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

das neue Jahr hat begonnen, und gute Vorsätze sind liegen geblieben, vergessen oder vielleicht auch schon in die Tat umgesetzt worden.

Für uns Zahnärzte hat 2012 mit einem Paukenschlag begonnen – wir haben eine neue Gebührenordnung. Wie schon Adenauer sagte: „Die Situation ist da.“

Unsere neue Situation gibt es jetzt seit dem 1.1.2012. Der Gesetzgeber passt offensichtlich die Gebührenordnung jeweils zum Vierteljahrhundert an. Es gab eine neue Gebührenordnung Mitte der 60er-Jahre, Ende der 80er-Jahre und jetzt zum Jahreswechsel 2012. Dienen soll die neue Ordnung dem „Interessenausgleich zwischen Zahnärzten und Patienten“. Aber gibt es dort wirklich so unterschiedliche Interessen? Will nicht sowohl der Patient als auch der Zahnarzt eine gute Zahnheilkunde? Beide Seiten wissen aus vielen Lebensbereichen, dass für eine gute Leistung auch ein entsprechender Preis zu zahlen ist. Zahnärzte wünschen naturgemäß eine gute Zahnheilkunde. Von unseren Lesern wissen wir es sogar ganz genau, denn Sie investieren mit der Zahnmedizin up2date in Ihre Fortbildung.

Eine Gebührenordnung jedoch kann den aktuellen Stand der Wissenschaft nicht wiedergeben, wenn sie für ein Vierteljahrhundert Bestand hat. Wir spielen folgendes Szenario einmal durch: Die Gebührenordnung hat 0 Sekunden benötigt, um erstellt zu werden. Wir setzen voraus, es hat keine Diskussionen über Jahre gegeben, die von der wissenschaftlichen Zahnheilkunde längst links überholt worden sind, wie es in der Implantologie, der Endodontie und der Funktionstherapie der Fall ist. Wir nehmen einmal an: Der aktuelle Stand der Zahnmedizin am 1.1.2012 wird beschrieben, die Halbwertszeit unseres Wissens beträgt 5 Jahre. Was beinhaltet dann ein solcher Katalog nach 25 Jahren? Nur noch ein Drittel des abgebildeten Wissens entspricht dem State-of-the-Art! Das bedeutet auch: Zwei Drittel des Wissens sind zwischenzeitig neu hinzugekommen oder überarbeitet und können in der Gebührenordnung nicht aufgenommen sein. Der Kompromiss lautet folglich: Wir müssen uns überlegen, wie wir moderne Zahnheilkunde in ein altes Korsett bekommen.

Nehmen wir zwei aktuelle Heftthemen einmal zum Anlass, genau diesen Verlauf sichtbar werden zu lassen.

Beispielhaft ist sicher die Kariesdiagnostik. Wir sind hier in puncto Diagnostik und Bewertung viele Meilensteine vom Stand 1988 entfernt. Zum Zeitpunkt der letzten Gebührenordnung von 1988 stellte sich – ganz markant gesagt – die Frage: „Fällt die Sonde in den Zahn hinein oder nicht?“ Mittlerweile sind zusätzliche diagnostische Verfahren entwickelt worden, hinzu kommt eine neue Sicht auf die biologischen und strukturellen Grundlagen. Heutzutage bewerten wir die Folgen eines kariösen Angriffes völlig anders als früher – dies bringt dem Patienten mehr Sicherheit und uns mehr Aufwand. Diesen nun sehe ich in der neuen Gebührenordnung nicht dargestellt.

Ein weiteres Beispiel findet sich beim Thema „Implantations- und Belastungszeitpunkt“. Die Fragestellung, wann ein Implantat belastet werden kann, also für den Patienten als funktionierende Einheit zur Verfügung steht, unterliegt ganz einfach einem Wandel, abhängig von fortwährender Forschung, und lässt sich tagesaktuell daher nur schwer in einer Gebührenordnung abbilden.

Ich denke, mit der vorliegenden Ausgabe werden Sie persönlich up2date in der Zahnmedizin sein. Was nicht so ganz so up2date ist, ist unsere Gebührenordnung. Was uns übrig bleibt: Wir werden diese Gebührenordnung mit Leben füllen, damit wir unseren Patienten moderne und gute Zahnmedizin anbieten können.

Viel Spaß beim Lesen!

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Ihr Karl-Rudolf Stratmann
Mitherausgeber der Zahnmedizin up2date