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DOI: 10.1055/s-0031-1298033
Briefe an die Redaktion
Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik:
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
25. November 2011 (online)
- Extra Raum für KGG - wozu eigentlich?
- Fehler eingeschlichen
- Physiotherapie unter Wert bezahlt
- Unberechtigter Angriff auf Berufsverbände
- Ärzte sind auch nicht besser als wir
Appell an die Berufsverbände
Extra Raum für KGG - wozu eigentlich?
Die Berufsverbände raten uns Praxisinhabern immer häufiger, mehr Selbstzahlerleistungen anzubieten, damit die Umsätze erhöht bzw. gehalten werden können. Vielleicht sollten sie aber zuerst bei den gesetzlichen Zulassungsbedingungen der Krankenkassenverbände Verbesserungen für uns erkämpfen.
Einige Zulassungsbedingungen sind nicht nachvollziehbar und blockieren uns Praxisinhaber in unserem wirtschaftlichen Arbeiten. Zwei dieser Bedingungen entbehren jeglicher Grundlage und Argumentation und kosten selbstständige Physiotherapeuten viel Geld.
Zum Punkt 2.2.3 der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes: Warum werden Mitarbeiter, die ausschließlich Hausbesuche für die Praxis machen, bei den vorausgesetzten Quadratmetern pro Mitarbeiter eingerechnet? Sie nutzen keinen Raum der Praxis. Genauso ist es mit freien Mitarbeitern, die man als Springer für Urlaubs-, Fortbildungs- und Krankheitsvertretung einsetzt. Hier ist kaum eine Wochenstundenzahl zu bestimmen, in der sie einen Raum besetzen. Die Öffnungszeiten einer Praxis sind in diesem Punkt der Zulassungsvoraussetzungen ebenfalls überhaupt nicht berücksichtigt.
Punkt 2.2.2 und 2.2.4 der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes: Warum brauche ich einen 30 qm großen Raum extra, um KGG abrechnen zu können? Wenn ich zum Beispiel einen 35 qm großen Raum habe, der bei der Praxiszulassung als Gymnastikraum gezählt wird, so bräuchte ich laut Vorgabe für die Zulassung der Abrechnungsposition KGG (außer den Geräten und der Fortbildung) noch einen 20-qm-Raum zusätzlich. Dabei kann ich in dem 35-qm-Raum bequem die vier vorgegebenen Geräte stellen und habe immer noch genug Platz für geräteunabhängiges Training.
Wozu dient der 20-qm-Raum überhaupt? Gruppengymnastik? Mal ehrlich: Wer bekommt denn heute noch Gruppengymnastik verordnet, außer in der Pädiatrie? Ich bin seit 17 Jahren selbstständig und arbeite überwiegend orthopädisch/posttraumatisch mit Erwachsenen. Die gesamten Orthopäden im Umkreis haben noch nie eine Gruppengymnastik verordnet, für die ich die 20 qm extra bräuchte. Die moderne Physiotherapie arbeitet auch in der Einzeltherapie nicht mehr mit Pezziball und Keulenschwingen, sodass die meisten funktionellen Übungen auch in der Behandlungskabine erlernt werden können.
KGG dagegen wird von den Ärzten eher verordnet, ist sinnvoller einzusetzen und kann in einem vorhandenen „Gruppenraum“ mit der Größe von mindestens 30 qm bestens integriert werden. Jeder Quadratmeter kostet viel Geld. Viele meiner Kollegen hätten so eher die Möglichkeit, KGG anzubieten, ohne sich räumlich extra vergrößern zu müssen. Im §124 SGB V steht unter Absatz 2: „Zugelassen ist, wer über eine Praxisausstattung verfügt, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleistet.“ Ich weise auf „zweckmäßig“ und „wirtschaftlich“ hin! Hier sollten die Berufsverbände mehr Mitspracherecht bei den Krankenkassenverbänden erkämpfen - auf welcher Ebene das auch immer geschehen muss. Denn anscheinend reicht es nicht, Selbstzahlerangebote zu offerieren, um die Gewinne zu erhöhen (physiopraxis 9/11, S. 13, „IFK-Wirtschaftlichkeitsumfrage“). Die oben genannten Vorgaben müssen dringend an die moderne Physiotherapie angepasst werden.
Mich interessiert es sehr, wie meine Kollegen darüber denken.
Mit freundlichen Grüßen Birgit Deichert, Taunusstein
Zum Artikel „Selbsttraktion des Kiefergelenks“, physiopraxis 10/11
Fehler eingeschlichen
Im Artikel von Jochen Schomacher hat sich auf S. 40 ein Fehler eingeschlichen: Bei der Bildunterschrift von Abbildung 4 steht, dass die Korkenscheibe zwischen den Eckzähnen platziert wird. Das ist natürlich falsch. Richtig ist, dass die Korkenscheibe zwischen den Backenzähnen platziert wird.
Zum Artikel „Leere Taschen“, physiopraxis 9/11
Physiotherapie unter Wert bezahlt
Guten Tag, ich habe den Artikel zu den Zertifikatspositionen mit großem Interesse gelesen. Es ärgert mich ebenfalls, dass sich meine gesamten Fortbildungen (MLD, MT, MTT, Bobath, Kinesio-Taping, Cyriax, Rückenschule) finanziell so gar nicht lohnen! Und hierbei sei betont, dass dieser Umstand nicht an meiner Chefin liegt, sondern vielmehr an der Vergütung der gesetzlichen Krankenkassen.
Zudem ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass es 21 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch einen großen Vergütungsunterschied zwischen Ost und West gibt. So bekomme ich in Sachsen bis zu zwei Euro weniger für eine Zertifikatsposition als meine Kollegen in Nordrhein-Westfalen. Auch der Stundenlohn im Osten, der sich aus den Vergütungen durch die Kasse für die jeweilige Therapie ergibt, ist bei „OBI“ fürs Regaleinräumen um bis zu sechs Euro höher als bei einem Physiotherapie-Berufsanfänger - da lohnt sich doch eine 3-jährige Ausbildung!
Mit freundlichen Grüßen, Katja H. aus Zwickau
Unberechtigter Angriff auf Berufsverbände
Sehr geehrte physiopraxis, gleichwohl Herr Lamprecht mit dem Artikel „Leere Taschen“ vielen unserer Kollegen in deren gefühlter Wahrnehmung sicherlich aus der Seele spricht, wenn er auf die Tatsache verweist, dass wir in der Vergütung unserer Leistungen weit unter Wert liegen, weist der Beitrag etliche Fehler auf: Von dem völlig unberechtigten Angriff auf die Berufsverbände - Stichwort „strukturelle Erhöhungen der Vergangenheit“ - und der teilweisen Widersprüchlichkeit der Ausführungen einmal ganz abgesehen, war doch Herr Lamprecht selbst genau in dieser Zeit Vorstandsmitglied im ZVK Landesverband Baden-Württemberg!
1. Die pauschale Aussage, eine „Höherqualifizierung“ hat generell keine „Höherhonorierung“ zur Folge, ist falsch.
2. Nicht nur MT, auch „KinderNeuro“ und KGG führen zu höherer Honorierung.
3. Es gibt keine gesetzlich vorgeschriebenen Behandlungszeiten (Ausnahme: MLD).
4. Es wird nur die Mindestbehandlungszeit für die Minutenpreisberechnung herangezogen. Seriöserweise müssten auch Mittel- und Höchstbehandlungszeiten verglichen werden.
5. Ein Arzt muss keine 2.065 Rezepte ausstellen, damit sich die Zertifizierung Manuelle Therapie beginnt, betriebswirtschaftlich zu amortisieren. Es müssen 2.065 Behandlungen abgegeben werden.
6. Bei MLD Berechnungen mit plus 5 bzw. plus 10 Minuten anzustellen, belegt „Ahnungslosigkeit“: MLD gibt feste Nettobehandlungszeiten, keine Richtzeiten vor.
7. Dass angestellte Kollegen mit Zertifikatsfortbildungen deutlich höhere Honorare bei ihren Arbeitgebern verhandeln können, lässt der Autor völlig unbeachtet. Er bemerkt nur - sogar hervorgehoben: „Ein frisch examinierter Physiotherapeut (wen meint er damit? Den angestellten oder denjenigen, der sich hoch verschuldet direkt niedergelassen hat?) erzielt mit KG einen höheren Stundenumsatz als sein neurologisch spezialisierter Kollege mit KG-ZNS.“ Bei einer derart sensiblen Materie sollten obige beispielhaft aufgeführte Fehler nicht passieren, und physiopraxis sollte ein Interesse daran haben, nur absolut korrekt zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen, Michael N. Preibsch, Vorstandsvorsitzender ZVK Landesverband Baden-Württemberg
Antwort des Autors
Lieber Michael, ich kann verstehen, dass Dir so eine Aufstellung keine Freude machen kann. Es ist vollkommen uninteressant, ob ich einmal im Vorstand des ZVK Landesverbands Baden-Württemberg war oder nicht. Wie Du sicher weißt, bin ich vom Vorstandsposten zurückund aus dem Verband ausgetreten. Zu Deinen Punkten möchte ich anmerken:
1. Ich sage explizit, dass ein Therapeut, der ökonomisch denkt, die Fortbildung MT machen soll und evtl. KGG, wenn er sicher ist, er kann drei Patienten gleichzeitig behandeln.
2. „KinderNeuro“ führt auch beim Vergleich von den Höchstbehandlungszeiten zu keinem höheren Stundenumsatz als KG.
3. Richtig, es gibt keine gesetzlich vorgeschriebenen Behandlungszeiten (Ausnahme MLD). Doch es existieren Mindestbehandlungszeiten, die für niedergelassene Kollegen verbindlich sind.
4. Ich habe auch Mittel- und Höchstbehandlungszeiten verglichen. Die Frage ist allerdings, warum für die Mindest- und Mittelbehandlungszeiten bei „normaler“ KG der Minutenpreis höher ist als bei KG-ZNS, einschließlich Pädiatrie. Und warum die Minutenpreise nur bei der Höchstbehandlungszeit gleich sind, ist trotzdem nicht ersichtlich. Bei der MT ist das Verhältnis zur „normalen“ KG immer gleich.
6. Es ist richtig, dass es bei MLD fest vorgegebene Zeiten gibt. Die Tatsache, dass die Berufsverbände für MLD30, MLD45 und MLD60 unterschiedliche Minutenpreise mit den Kassen ausgehandelt haben, scheinst Du nicht zu negieren.
7. Ob ein Physiotherapeut nun angestellt oder selbstständig ist - die Tatsache bleibt die gleiche: Der Therapeut, der ausschließlich „normale“ KG abgibt, erzielt einen höheren Stundenumsatz als derjenige, der viele KG-ZNS macht. Sein Honorar kann der Angestellte mit dem Praxisinhaber natürlich frei aushandeln, doch der Stundenumsatz wird durch KG-ZNS nicht steigen.
Den einzigen Punkt, bei dem ich Dir recht geben muss: Damit sich die Fortbildung MT amortisiert, müssen nicht 2.065 Rezepte, sondern mehr als 2.065 Behandlungen erbracht werden. Das entspricht etwa 344 Rezepten MT statt KG.
Hans Lamprecht
Zum Artikel „Peinliches Ergebnis“, physiopraxis 5/11
Ärzte sind auch nicht besser als wir
Sehr geehrte physiopraxis-Redaktion, die Ärzte wehren sich vehement gegen den Direktzugang für Physiotherapeuten, obwohl sie nichts anderes als selbstständiges Befunden und Arbeiten von uns verlangen. Welche Diagnosen stehen denn auf den Rezepten? Bewegungsstörungen, Hyperlordose und so weiter. Lauter Allgemeinplätze. Selbst wichtige Vorerkrankungen wie Herzinfarkte, Frakturen oder TEPs werden nicht als Information an uns weitergegeben.
Und dann bekomme ich ein solches Rezept auch noch von Dr. Dietmar Göbel, der ja Anlass für den Artikel „Peinliches Ergebnis“ gab und uns angegriffen hat wegen mangelnder Therapieberichte. Welch ein Hohn.
Viele Grüße Heide Pfaff, Physiotherapeutin
Anmerkung des Autors
Sehr geehrte Frau Pfaff, mit „den“ Ärzten ist es wohl wie mit „den“ Physiotherapeuten. Es gibt „sie“ nicht. Zumindest will keiner so ein Stereotyp sein. Dietmar Göbel hat mit seiner Studie verärgert, wachgerüttelt, sensibilisiert und eine offene Diskussion in Gang gebracht. Das ist gut so. Dass ihm dann so ein - von Ihnen beschriebener -Fauxpas passiert, entbehrt ja nicht einer gewissen Komik. Oder war seine Verordnung gar nicht fehlerhaft? Was erwarten überweisende Ärzte von den Physiotherapeuten? Was ist uns bei Berichten wichtig? Ich habe zu Dr. Göbel Kontakt aufgenommen und konnte ihn für den physiokongress im Januar 2012 gewinnen. Dann gehört die Bühne eine Stunde dem Thema „Arzt contra Physiotherapeut - Ignoranz oder Kooperation?“. Nicht verpassen!
Viele Grüße, Georg Supp