Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2011; 18(06): 268
DOI: 10.1055/s-0031-1297231
Magazin
Bücher
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bisher vernachlässigter Blick auf Lazarettschiffe im 2. Weltkrieg – Transport von Verwundeten über See

Contributor(s):
Klaus-H. Seidenstücker
Hartman V, Nöldecke H.
Verwundetentransport über See – Deutsche Lazarett- und Verwundetentransportschiffe im Zweiten Weltkrieg.

Bochum: Verlag Dr. Dieter Winkler; 2010.
ISBN: 9783899111279 39,50 Euro
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Publication History

Publication Date:
12 December 2011 (online)

 
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Mit diesem Titel legt das Autorenduo Hartmann/Nöldecke den vierten Band ihrer Arbeiten zur Geschichte des Marinesanitätsdienstes während des 2. Weltkriegs vor. Beide Sanitätsoffiziere der deutschen (Bundes-)Marine haben, so darf man wohl annehmen, aus der eigenen beruflichen Aufgabenstellung heraus den Wunsch entwickelt, nach Erfahrungen und Orientierungspunkten aus unserer jüngeren Geschichte zu suchen und diese Historikern, aber auch heute in vergleichbarer Verantwortung stehenden Ärzten zur Verfügung zu stellen. Neben Militärärzten sind dies durchaus auch Kollegen, die in der Entwicklungs- und Katastrophenhilfe engagiert sind.

Sanitätsdienst lückenhaft dokumentiert

Die selbst gestellte Aufgabe war keine leichte, sind doch die verfügbaren Quellen bis heute fragmentarisch und oft schwer zugänglich. Insbesondere der Einsatz der Verwundetentransportschiffe war – vor allem in der zweiten Kriegshälfte – von den oft überraschenden Wendungen und den überwältigenden Ereignissen des deutschen Rückzugs aus schlussendlich allen Kriegsgebieten dominiert. Planungen waren reaktiv und hastig. Die Dokumentation dürfte oft auf der Strecke geblieben sein. Zudem gingen in den Wirren der letzten Kriegsmonate offensichtlich viele Dokumente verloren oder wurden vor dem Anrücken des Gegners vernichtet. Auch stand der Sanitätsdienst selten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der militärischen Führung und nach dem Krieg auch der Militärgeschichtsforschung.


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Auch private Dokumente einbezogen

Vor diesem Hintergrund haben es die beiden Autoren auf sich genommen, die verstreuten Quellen aufzusuchen und zu einem möglichst vollständigen Bild zusammenzuführen. Der vorliegende Band stellt die Ergebnisse dieser oft sicher mühevollen ‚Aus-grabungen’ zum Einsatz der Lazarett- und Verwundetentransportschiffe dar. Dabei wurden nicht nur die einschlägigen Archive, unter anderem das des Internationalen Roten Kreuzes in Genf, durchforstet, sondern es kam auch ein eigenes Archiv mit Material aus zahlreichen privaten Dokumenten und Sammlungen von ehemaligen Kriegsteilnehmern beziehungsweise deren Angehörigen zusammen. Hierzu gehören auch eine ganze Reihe von persönlichen Berichten und Interviews ehemaliger Besatzungsangehöriger der Schiffe, die den geschilderten historischen Fakten immer wieder auch menschliche Nachvollziehbarkeit geben.


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Kriegsschauplätze, Schiffe und Einsätze

Nach ein paar kurzen einleitenden Kapiteln zur Geschichte von Lazarettschiffen, zu Konzeption und Planung für den -Einsatz im 2. Weltkrieg und zu der damaligen Problematik mit dem Kriegsvölkerrecht wendet sich das Buch den verschiedenen Kriegsschauplätzen zu. Die Kenntnis von Geografie und Kriegsverlauf wird dabei weitgehend voraus-gesetzt, was das Buch für den interessierten Laien gelegentlich etwas sperrig macht.

Jedem der beteiligten Schiffe wird ein Unterkapitel gewidmet mit einer kurzen Darstellung des Lebenslaufs des Schiffs. Es folgen Umstände der Umrüstung und Indienststellung als Lazarett- beziehungsweise als Verwundetentransportschiff sowie Angaben zu seemännischer und medizinischer Besatzung unter teilweise namentlicher Nennung der Offiziere – offenbar soweit sich das aus den erschlossenen Dokumenten nachvollziehen ließ. Für den Mediziner gibt dies bereits einen ersten Einblick in Umfang und Qualität der möglichen Leistung dieser Schiffe. Danach finden sich die Einsätze, zu denen sie beordert wurden. Vermutlich als Folge der lückenhaften Quellen leider oft nur in skizzenhafter Schilderung, bereichert aber immer wieder auch durch Zitate aus den persönlichen Berichten der Beteiligten. Zahlreiche Bilder schaffen einen weiteren Zugang zu den Ereignissen.


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Fülle historischer Daten

Der Mediziner würde sich an einer Stelle sicher noch einen detaillierteren Blick in die bauliche Gestaltung, die Ausstattung und in das Personalkonzept der Lazarett- und Verwundetentransportschiffe wünschen oder auch eine Auswertung der Krankentagebücher. Aber auch so gibt das Buch eine Fülle historischer Daten, die dem Kriegsgeschehen einen bisher vernachlässigten Blickwinkel zukommen lassen. Der Verlauf des 2. Weltkriegs wird mit diesem Band auf eine besonders bedrückende Weise begreifbar, von den Anfängen in Norwegen über die schwierige Situation im Mittelmeer in der zweiten Kriegshälfte bis hin zu den verzweifelten Versuchen, einer unglaublichen Katastrophe in den letzten Kriegsmonaten in der Ostsee entgegenzutreten.

Eine fesselnde Lektüre für alle, die sich mit dem Einsatz von Lazarettschiffen beschäftigen wollen. Ein wertvolles Nachschlagwerk für Historiker, vor allem auch durch die ungeheure Zahl von Dokumenten, die sich mit diesem Buch erschließen.

Dr. Klaus-H. Seidenstücker, Tarp


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