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DOI: 10.1055/s-0031-1297207
Antimykotika nach Stammzelltransplantation – Zur antifungalen Prophylaxe bei Patienten nach hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT)
Publication History
Publication Date:
30 November 2011 (online)
Über die Gefährdung von Patienten nach einer Stammzelltransplantation sprach Dr. Wilfried Darlath, Köln mit Priv.-Doz. Dr. Dr. Michael von Bergwelt-Baildon, Leitender Oberarzt an der Universitätsklinik in Köln ( michael.von-bergwelt-baildon@uk-koeln.de ). Zum Aufgabenbereich von Dr. von Bergwelt-Baildon gehören die Leitung der Stammzelltransplantationseinheit sowie Oberarzt- und Hintergrundtätigkeiten in der Hämatoonkologie und internistischen Intensivmedizin. Als Wissenschaftler leitet Dr. von Bergwelt-Baildon den Schwerpunkt Stammzelltransplantation, die AG Sportonkologie, sowie die Cologne Interventional Immunology. In dieser Funktion ist er Mitglied des Zentrums für Molekulare Medizin Köln (ZMMK), des Centrums für Integrierte Onkologie Köln Bonn (CIO), sowie Sprecher des Schwerpunktes Antigenpräsentierende Zellen des Exzellenzclusters Zelluläre Therapien NRW (NZT.NRW).


? Welchen Stellenwert hat die Prophylaxe mit Antiinfektiva im Rahmen einer HSZT?
Von Bergwelt-Baildon: Nach der Stammzelltransplantation ist der Patient aufgrund der starken Immunsuppression durch 2 Faktoren besonders gefährdet: Die Infektion mit opportunistischen Erregern einerseits und den Rückfall der malignen Grunderkrankung andererseits. Die Bedrohung durch opportunistische Erreger reicht von Viren über Bakterien bis hin zu Pilzen und besteht vor allem in den ersten Wochen und Monaten nach der Stammzelltransplantation. Je nach lokalem Protokoll werden dem Patienten mehrere Antiinfektiva prophylaktisch verabreicht – zum Teil bis zu einem halben Jahr nach der Transplantation und länger.
? Warum ist in diesem Zusammenhang eine Prophylaxe von Pilzinfektionen besonders wichtig?
Von Bergwelt-Baildon: Pilzinfektionen sind im Vergleich zu bakteriellen und viralen Infektionen zwar weniger häufig, jedoch geht eine manifeste Pilzinfektion mit einer sehr hohen Mortalität einher. Im ersten Monat nach der Stammzelltransplantation dominiert das Risiko einer Candida-Infektion, ab dem zweiten Monat steigt vor allem die Gefahr einer pulmonalen Aspergillus-Infektion. Besondere Risikofaktoren nach einer HSZT sind die Neutropenie, lange Vortherapien des Patienten und die Gabe von Immunsuppressiva, insbesondere von Kortison. Lokale Faktoren wie z. B. Umbaumaßnahmen im Krankenhaus können Aspergillus-Infektionen begünstigen.
? Wann sollte mit einer antifungalen Prophylaxe begonnen werden?
Von Bergwelt-Baildon: Hier gibt es keine allgemeingültigen Richtlinien. In unserem Zentrum favorisieren wir den Beginn der Neutropenie als sinnvollen Einstiegszeitpunkt für eine antifungale Prophylaxe bei einer allogenen Stammzelltransplantation. Bei der autologen Stammzelltransplantation setzen wir eine antifungale Prophylaxe nicht regelhaft ein.
? Was muss ein Antimykotikum leisten, um für die Prophylaxe geeignet zu sein?
Von Bergwelt-Baildon: Ein Antimykotikum sollte Durchbruchmykosen möglichst zu 100 % verhindern, es muss aber auch sicher und verträglich sein, also wenige und keine starken Nebenwirkungen haben. Vor allem im Setting der Stammzelltransplantation sollte es möglichst wenige Arzneimittelinteraktionen bewirken, weil diese Patienten meist sehr viele starke Medikamente einnehmen müssen. Hier stellen häufig die Arzneimittelinteraktionen der Calcineurin-Inhibitoren ein Gefährdungspotenzial für den Patienten dar.
? Wie lässt sich die Situation in klinischen Studien mit der im klinischen Alltag vergleichen?
Von Bergwelt-Baildon: In klinischen Studien haben wir häufig ein homogeneres Patientengut mit klar definiertem Setting, klaren Ein- und Ausschluss- sowie Abbruchkriterien. Diese Patienten werden exzellent kontrolliert und begleitet. Im klinischen Alltag sehen wir häufiger weniger klar definierte Situationen, die Patienten haben meist eine höhere Komorbidität als in Studien. Und die Endpunkte werden dynamisch an die klinische Situation angepasst. Im Zweifelsfall wird ein klinisch tätiger Arzt besonders auf Medikamente zurückgreifen, mit denen er langjährig gute Erfahrungen gemacht hat.
? Welche Studien belegen den Stellenwert von Posaconazol und Micafungin?
Von Bergwelt-Baildion: Hinsichtlich des Stellenwertes von Posaconazol sind vor allem die Untersuchungen der Arbeitsgruppe von Cornely [ 1 ] und Ullmann [ 2 ] zu nennen. Sie belegen einen prophylaktischen Effekt von Posaconazol bei Patienten mit Erstdiagnose einer akuten myeloischen Leukämie bzw. einer chronischen GvHD nach Stammzelltransplantation. Die Studienlage hinsichtlich der Gabe von Micafungin bezieht sich auf die Verhinderung von Candida-Infektionen. Hier sind insbesondere die Studien von van Burik [ 3 ] und von der Arbeitsgruppe Hashino [ 4 ] zu erwähnen, die unterschiedliche Dosierungen von 50 mg bzw. 100 mg pro Tag verwenden Diese Studien haben auch unseren Algorithmus in Köln beeinflusst. Eine Zulassung besteht für 50 mg pro Tag.
? Welche Gründe machen aufgrund Ihrer Kölner Erfahrungen einen Wechsel von Posaconazol zu Micafungin sinnvoll?
Von Bergwelt-Baildion: Bei uns werden die Patienten nach Aufnahme zur allogenen Stammzelltransplantation mit Posaconazol behandelt. Es gibt aber mehrere klassische Szenarien, bei denen wir frühzeitig auf eine intravenöse Therapie mit Micafungin umstellen. Dazu gehören die schwere Mukositis und Faktoren, die dazu führen, dass die Patienten eine orale Medikation nicht zu sich nehmen können, also z. B. Emesis und Schluckbeschwerden. Außerdem stellen wir um bei Arzneimittel-Interaktionen, vor allem mit Calcineurin-Inhibitoren oder Unverträglichkeiten, insbesondere bei hepatischer Toxizität.
? Sie haben bereits viele Patienten mit Micafungin prophylaktisch behandelt. Bitte beschreiben Sie Patientengut, Switch-Szenarien und Ihre klinischen Resultate.
Von Bergwelt-Baildon: Bis jetzt haben wir rund 100 Patienten nach diesem Algorithmus behandelt. Das Patientengut umfasst die gesamte Spannweite der Indikationen für eine allogene Stammzelltransplantation: hämatologische Neoplasien wie akute Leukämien, chronische Leukämien, Non-Hodgkin-Lymphome und benigne Erkrankungen wie z. B. aplastische Anämie oder PNH (paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie). Die Patienten waren zwischen 18 und 75 Jahre alt. Bisher ist unter Micafungin keine invasive Durchbruchmykose aufgetreten. Die Verträglichkeit war in der Regel gut. Bei 5 Patienten haben wir eine oberflächliche Pilzinfektion der Schleimhaut beobachtet, die nach Hinzugabe eines oralen Antimykotikums aber schnell eradiziert werden konnte.
? Wie sieht die Prophylaxe bei mykosegefährdeten Hochrisiko-Patienten aus?
Von Bergwelt-Baildon: Bei uns bekommt jeder Patient im Rahmen einer allogenen Stammzelltransplantation eine antibakterielle, antivirale und antifungale Prophylaxe, wobei wir hinsichtlich des individuellen Risikoprofils unterscheiden. Da heute die Verträglichkeit der antiinfektiven Therapien besser ist als vor 10 Jahren, kann man die Indikation für einen prophylaktischen Ansatz großzügiger stellen.
? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus Ihren Erfahrungen, und was können Sie Ihren Kollegen im Hinblick auf ihr Vorgehen empfehlen?
Von Bergwelt-Baildon: Aufgrund unserer Erfahrungen im Stammzelltransplantationsprogramm Köln/Bonn sind wir mit dem oben genannten Algorithmus zufrieden, vor allem wegen der extrem niedrigen Inzidenz von Durchbruchmykosen und der Möglichkeit, das Vorgehen je nach Toxizität zu adaptieren. Die dynamische Kombination von Posaconazol und Micafungin hat sich als sichere und gut handhabbare Therapiestrategie erwiesen. Daher sehen wir keinen Anlass, unseren Therapie-Algorithmus derzeit zu modifizieren.
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Literatur
- 1 Cornely CA et al. N Engl J Med 2007; 356: 348-359
- 2 Ullmann AJ et al. N Engl J Med 2007; 356: 335-347
- 3 Van Burik JA et al. Clin Infect Dis 2004; 39: 1407-1416
- 4 Hashino S et al. Int J Hematol 2008; 87: 91-97
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Literatur
- 1 Cornely CA et al. N Engl J Med 2007; 356: 348-359
- 2 Ullmann AJ et al. N Engl J Med 2007; 356: 335-347
- 3 Van Burik JA et al. Clin Infect Dis 2004; 39: 1407-1416
- 4 Hashino S et al. Int J Hematol 2008; 87: 91-97

