Der Klinikarzt 2011; 40(11): 492
DOI: 10.1055/s-0031-1297197
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hodenkrebs – Konsensuskonferenz zu Diagnostik und Therapie

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Publication Date:
30 November 2011 (online)

 
 

    Die Häufigkeit von Hodentumoren in den letzten Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Der Hodenkrebs ist damit die häufigste Krebsart bei jungen Männern. Im Gegensatz zu fast allen anderen bösartigen Krebserkrankungen kann Hodenkrebs in nahezu jedem Erkrankungsstadium dauerhaft geheilt werden, also auch bei vorliegender Metastasierung. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist eine dem jeweiligen Metastasierungsstadium angepasste Therapie, an der meist mehrere Fachdisziplinen beteiligt sein müssen. Aufgrund der Komplexität der Behandlungen ist zudem eine besondere langjährige Erfahrung der Therapeuten erforderlich.

    Daher befasste sich die 3. Europäische Konsensuskonferenz zur Diagnostik und Therapie von Hodenkrebs vom 10.–12.11.2011 an historischer Stätte im Harnack-Haus in Berlin ausschließlich mit dieser Erkrankung. Neben der Weiterentwicklung von Diagnostik und Therapie von Hodenkrebs stand insbesondere die Lebensqualität der von der Krebserkrankung geheilten Männer im Mittelpunkt der Konferenz, die unter der Leitung von Prof. Dr. Jörg Beyer, Vivantes Klinikum Am Urban, Berlin, stattfand.

    Sofern die Erkrankung bei Diagnose noch auf den Hoden beschränkt ist, wurde bisher vorsorglich nach der operativen Entfernung des befallenen Hodens eine Bestrahlungsbehandlung oder Chemotherapie angeschlossen, um eventuell in den Körper weitergetragene Tumorzellen zu zerstören. Eine zusätzliche postoperative Chemotherapie oder Radiotherapie galt über Jahrzehnte als Standardbehandlung. Dies stellt jedoch für über 80 % der Betroffenen eine unnötige Behandlung dar, da sie mit der Entfernung des erkrankten Hodens bereits geheilt sein können. Aus diesem Wissen heraus wurde die Strategie der "aktiven Nachsorge" entwickelt, die engmaschige Kontrollen und eine zusätzliche Tumorbehandlung nur im Falle eines Rezidivs vorsieht. Zwischenzeitlich liegen hierzu Langzeitergebnisse vor. Diese belegen, dass tatsächlich auch mit "aktiver Nachsorge" nahezu alle Männer dauerhaft geheilt werden können. Ein solches Vorgehen erspart also der Mehrzahl der Männer eine zusätzliche postoperative Therapie und damit möglicherweise verbundene Beeinträchtigungen. Allerdings ist bei der "aktiven Nachsorge" eine exzellente Zusammenarbeit zwischen den Betroffenen und den spezialisierten Ärzten unbedingt erforderlich. Bei fortgeschrittenen Stadien sind differenzierte Kombinationschemotherapien sowie intensive unterstützende Begleittherapien erforderlich. Bei einigen Betroffenen ist nach der Chemotherapie erneut eine operative Entfernung von Metastasen erforderlich.

    Obwohl fast alle Betroffene nach erfolgreicher Behandlung wieder in einen normalen Lebensalltag zurückfinden können, sind Ausmaß und Langzeitbelastungen solcher intensiven Therapien erst in den letzten Jahren genauer bekannt geworden und signalisieren einen hohen Handlungsbedarf. Hatten sich die vorangegangenen Europäischen Konsensuskonferenzen im Wesentlichen mit dem Erreichen bzw. Erhalt der Heilungsraten bei den verschiedenen Stadien befasst, erhielt die Erfassung der psychischen und physischen Langzeitfolgen bei der diesjährigen Konferenz einen gleichrangigen Platz neben den traditionellen Themen von Diagnostik und Therapie.

    Eine am jeweils neuesten aktuellen Wissensstand ausgerichtete Diagnostik und Therapie muss als unabdingbare Grundlage guter medizinischer Praxis angesehen werden. Die Umsetzung der auf der Konferenz entwickelten Empfehlungen und deren praktische Anwendung sind daher nicht nur in der Behandlung von Hodenkrebs ein besonderes Qualitätsmerkmal. Hier sahen alle Teilnehmer der Konferenz noch großen Handlungsbedarf. Noch immer werden neueste medizinische Erkenntnisse zu spät und unzureichend bei der Behandlung Betroffener umgesetzt.

    gb


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