Schlüsselwörter
Blutungen - Fremdkörper - Gesichtsfraktur - respiratorische Notfälle - Schluckstörungen
- Schocksituation
Notfallsituationen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich sind relativ häufig. Um eine vitale
Bedrohung des Patienten bzw. schwere bleibende Schäden abzuwenden, müssen Sie als
Arzt schnell handeln – auch wenn Sie kein HNO-Experte sind. Orientierung geben die
auffälligen Leitsymptome, wie z. B. Atemnot oder Blutungen. Sie grenzen die Diagnose
der zugrundeliegendenErkrankung stark ein und erleichtern die rasche Auswahl der passenden
Soforttherapie. Diese Übersichtsarbeit stellt die wichtigsten Notfälle an Hals, Nase
und Ohren vor und skizziert, wie man Patienten optimal versorgt.
Einleitung
HNO-Notfallsituationen erfordern häufig rasches ärztliches Handeln. Das gilt für beide
Arten von Notfällen:
-
HNO-Erkrankungen, die nicht vital bedrohlich sind, aber notfallmäßig therapeutische
Maßnahmen erfordern, sowie
-
Erkrankungen oder therapeutische Eingriffe im Kopf-Hals-Bereich, die zu einer vitalen
Bedrohung (z. B. der Atmung) des Patienten und damit zu einer Notfallsituation führen.
Im Folgenden werden v. a. häufige Notfälle näher beschrieben sowie solche, die den
Patienten vital gefährden. Für die übrigen Notfälle sei auf [Tab. e1] (online) verwiesen. Sie listet für jeden Notfall die wichtigsten Schritte auf, die
Sie über die üblichen Notfallmaßnahmen hinaus ergreifen sollten.
Tab. e1 nach [1]
Respiratorische Notfälle
Ursachen für Atemnot
Eine der dramatischsten Notfallsituationen, mit denen der Arzt konfrontiert werden
kann, ist die vitale Störung der Atemfunktion. Sie kann bedingt sein durch:
-
Störungen der zentralen Atemregulation,
-
eine mechanische Obstruktion der Atemwege,
-
eine Behinderung der Ausdehnungsfähigkeit der Lunge (z. B. Pneumothorax),
-
Störung des Gasaustausches und der Atemgaszusammensetzung.
Symptome
Eine respiratorische Insuffizienz beginnt oft mit uncharakteristischen Symptomen wie
Unruhe, Verwirrtheit und Tachykardie.
Das Endstadium der respiratorischen Insuffizienz ist der Atemstillstand. Er ist gekennzeichnet
durch fehlenden Atemstoß, fehlende Atembewegung, Zyanose und Eintreten des Kreislaufstillstands.
Erste Hinweise auf die Diagnose
Anhand von Atemfrequenz und -geräusch lässt sich die Ursache der Atemnot bereits weiter
eingrenzen.
-
Eine Tachypnoe deutet auf eine periphere Atemstörung hin,
-
eine Bradypnoe dagegen auf eine zentrale Atemstörung.
-
Atmet der Patient forciert, blockiert wahrscheinlich ein mechanisches Hindernis die
oberen Luftwege.
-
Auch inspiratorische Atemgeräusche sind Hinweise auf eine Obstruktion der oberen Luftwege:
Ein Stridor tritt bei Atemwegshindernissen im Bereich des Larynx und der Trachea auf.
-
Auskultatorisches Pfeifen, Giemen und Brummen entstehen bei Obstruktionen im Bronchialbereich,
z. B. beim Asthma bronchiale.
-
Schnarchende Atemgeräusche deuten auf eine Obstruktion im Pharynx hin – z. B. durch
Zurückfallen der Zunge.
Details zum Management von Atemnot finden sich in Lege artis 1/11 [1]. Daher beschränkt sich diese Übersicht auf mechanische Obstruktionen.
Mechanische Obstruktion der oberen Atemwege
Ursache
Für eine mechanische Obstruktion der Atemwege kommen verschiedene Gründe infrage:
-
Tumoren,
-
Entzündungen und Verletzungen im Pharynx-, Kehlkopf- oder Trachealbereich oder
-
Aspiration von Fremdkörpern
-
Auch chronisch hyperplastische Tonsillen beim Kind können zu einer Obstruktion der
Atemwege führen.
Blockade durch Tumor oder Entzündung
Bei Entzündungen, Hyperplasien oder Tumoren erfolgt in Notsituationen ggf. die Sofortintubation
– auch endoskopisch mit flexibler Optik oder starrem Rohr.
-
Bei Tumoren, die in die Trachea eingewachsen sind, sollte zuerst ein dünnes starres
Endoskop über die Enge hinweggeschoben werden. Dies erfolgt unter Absaugbereitschaft,
da es zu starken Blutungen kommen kann!
-
Danach wird die Stenose mit starren Endoskopen in aufsteigender Größe erweitert.
In seltenen Fällen gelingt die Intubation nicht. So können Tumoren des Larynx, Hypopharynx
oder der Schilddrüse direkt zur Obstruktion führen.
Bei laryngektomierten bzw. tracheotomierten Patienten
Nach Eingriffen an Kehlkopf oder Luftröhre besteht die Neigung zu Verborkung der Trachea
und dadurch bedingter Obstruktion.
-
In diesem Fall kann man versuchen, die Borke mit einer Zange, evtl. durch ein starres
Bronchoskop (Würzburger Notfall-Bronchoskop), zu extrahieren.
-
Die Trachea wird vorsichtig mit Kochsalzlösung angespült, die Absaugung erfolgt mit
einem Absaugkatheter.
Rekurrensparese
Die Symptome der Rekurrensparese imitieren eine mechanische Obstruktion. Sie können
durch Krankheiten, aber auch durch Komplikationen nach Schilddrüsen-Operationen oder
Tumoren bedingt sein.
Denken Sie an eine mögliche Parese des N. laryngeus recurrens bei Patienten mit OP-Narbe
im Bereich der Tyroidea.
-
Die einseitige Parese zeigt sich zumeist in Heiserkeit, da die Stimmlippen nicht mehr
voll bewegt werden können.
-
Bei einer doppelseitigen Rekurrenslähmung besteht eine Immobilisierung beider Stimmlippen
in Medianstellung oder Paramedianstellung.
-
Die Stimme ist häufig unauffällig.
-
In Ruhe besteht meist eine Atemnot mit inspiratorischem Stridor, eine Belastung ist
häufig nicht mehr möglich.
Bei vitaler Atemnot durch eine Rekurrensparese müssen Sie intubieren!
Angioödeme
Es gibt verschiedene Typen von Angioödemen im Mund-Hals-Bereich. In über 90 % der
Fälle tritt jedoch das Quincke-Ödem als Form der rezidivierenden Schleimhautschwellung
auf.
-
Mediatoren, die dieses Ödem hervorrufen, sind vor allem Histamin und vasoaktive Substanzen,
wie z. B. ACE-Hemmer.
Nicht steroidale Antiphlogistika sind zur Therapie beim Angioödem weniger geeignet:
Ein Drittel der Patienten erleidet nach dem erstmaligen Auftreten trotz der Therapie
ein erneutes Ödem – obgleich keine Allergie gegenüber diesen Substanzen vorliegt.
Mittel der Wahl ist daher
-
die intravenöse Gabe von Glukokortikoiden wie Prednisolon® (250 –1000 mg) und
-
Antihistaminika, z. B. Fenistil®-Injektionslösung (1 Brechampulle à 4 ml, 1- bis 2-mal tgl.).
-
Beim ACE-Hemmer-induzierten Ödem muss zudem das entsprechende Medikament abgesetzt
werden.
Erwägen Sie immer, Angioödem-Patienten stationär zu überwachen und mögliche allergische
Ursache abzuklären.
Fremdkörper
Trachealfremdkörper
Meist sind Kinder betroffen
Fremdkörper gelangen zumeist bei Kindern in die Luftröhre – durch Aspiration von Spielzeug
oder kleinen Nahrungsmittelteilen. Besonders gefährlich sind Erdnüsse.
Trachealfremdkörper bergen die akute Gefahr zu ersticken. Grund ist meist ein fremdkörperinduziertes
Ödem und nicht der Fremdkörper selbst!
Versorgung des Patienten
Patienten müssen daher unter ärztlicher Begleitung in die Klinik transportiert werden
– bei Zyanose mit Sauerstoffmaske.
-
In der Klinik beatmet man den Patienten dann tracheoskopisch, indem man das Endoskop
an Ambubeutel, Beatmungs- oder Narkosegerät anschließt.
-
Die Extraktion des Fremdkörpers erfolgt durch das starre Bronchoskop.
Mund- und Pharynxfremdkörper
Ursache und Symptome
Bei Fremdkörpern im Mund und Rachenbereich handelt es sich in der Regel um verschluckte
Gräten, Nadeln oder Knochensplitter. In den meisten Fällen stecken diese in einer
Gaumenmandel, seltener im Zungengrund oder in der Vallecula epiglottica. Charakteristisch
sind der spontan auftretende Schmerz und ein gesteigerter Würgereiz. Beides erschwert
häufig die direkte Inspektion.
Inspektion
Das Aufspüren eines Fremdkörpers in Mund und Pharynx ist nicht immer einfach.
-
Die Lokalisation des Spontan- und Schluckschmerzes ist oft irreführend: Patienten
fühlen den Schmerz in der Regel tiefer, als der Fremdkörper tatsächlich sitzt.
-
Achtung: Besonders Gräten werden bei der einfachen Spiegeluntersuchung leicht übersehen,
da sie manchmal sehr tief einspießen und dann kaum noch sichtbar sind.
Es empfiehlt sich daher eine indirekte Spiegeluntersuchung in Oberflächenanästhesie
unter Zuhilfenahme von Untersuchungsmikroskop oder Lupenendoskop.
Eine Röntgenuntersuchung ist dagegen nur bei metallischen Fremdkörpern hilfreich.
Therapie
Fremdkörper in Mundhöhle und Rachen müssen unter allen Umständen entfernt werden!
Ein Abwarten ist nur zulässig, wenn der Patient seinen Schluckschmerz lediglich noch
als nachlassenden Druck ohne bestimmte Lokalisation beschreibt – man also annehmen
kann, dass der Fremdkörper von selbst abgegangen ist und nur noch die Schleimhautläsion
Schmerzen verursacht.
Akute Schluckstörungen
Verbrühungen des Mund-Rachen-Raums
Ursache
Verbrühungen entstehen im Wesentlichen durch das Trinken kochend heißer Getränke und
kommen fast nur bei kleinen Kindern vor. Das Einatmen von Wasserdampf, z. B. durch
Inhalatoren, schädigt dagegen eher die unteren Luftwege.
Therapie
Heißes Wasser zerstört normalerweise nur die oberen Schleimhautschichten. Die tieferen
Zellschichten bleiben intakt. Verbrühungen haben daher eine gute Prognose.
-
Da die Verletzungen schmerzhaft sind und sich infizieren können, sind Schmerzmittel
und eine antibiotische Abdeckung immer angezeigt,
-
bei Atemnot (2–3 h abwarten!) auch Steroide.
-
Schwere Verbrühungen erfordern eine stationäre Behandlung.
-
Hochgradiger Stridor zwingt zur Intubation, gegebenenfalls auch zur Tracheotomie.
Verätzungen des Mund-Rachen-Raums
Ursache
Deutlich schwerer als Verbrühungen verlaufen Verätzungen, denn sie schädigen auch
tiefergelegene Gewebeschichten. Verätzungen entstehen durch Ingestion von Säuren oder
Laugen und ziehen in der Regel fast ausschließlich die Speisewege in Mitleidenschaft.
Wiederum sind häufig Kinder betroffen, klassischerweise werden Haushaltsreiniger u.ä.
geschluckt.
Ausmaß der Schäden
Schädigungen bleiben auf die Mundhöhle beschränkt, wenn die ätzende Flüssigkeit infolge
starker Schmerzen sofort wieder ausgespuckt wurde. Eine stärkere Schleimhautschädigung
manifestiert sich durch ein Uvulaödem und Ätzschorfe, vorwiegend auf den Gaumenmandeln
und dem Gaumensegel.
Ein Schluck einer starken Säure oder Lauge (bei Kindern 5–15 ml, bei Erwachsenen ca.
20 ml) kann bereits Lebensgefahr bedeuten. Es drohen Schock, Nierenversagen, Ösophagus-
und Magenperforation sowie Arrosionsblutungen.
Sofortmaßnahmen
Als erstes hilft es, den Patienten den Mund mit Wasser ausspülen zu lassen. Dies kann
Progredienz z. T. verhüten. Das Wasser darf dabei nicht geschluckt werden!
-
Kann man das Schlucken eines Ätzmittels nicht sicher ausschließen, ist bei Ätzspuren
in der Mundhöhle und im Rachen eine endoskopische Kontrolle des Hypopharynx und des
Ösophagus, ggf. auch eine Gastroskopie indiziert.
Weitere Behandlung
Bei reinen Mundhöhlenverätzungen genügen Antibiotika (z. B. Amoxicillin, 3–6 g / d)
und Analgetika (z. B. Tramal®, 20 Tropfen; bei sehr starken Schmerzen: Capros®-Tropfen, 20 mg, oder 0,5–1 Amp. Dipidolor® i.v.).
-
Bei tief greifenden Verätzungen ist eine Narbenprophylaxe mit Steroiden indiziert
(ab dem 12.–14. Tag 1 mg Prednisolonäquivalent / kg KG tgl. für 4 Wochen).
-
Bei Spätschäden durch Narben sind Narbenexzisionen, ggf. auch Spalthaut- oder Schleimhauttransplantationen
erforderlich.
Ösophagusverätzungen
Symptome
Aufgrund der kurzen Passagezeit können Ätzspuren in Mund und Rachen gering sein, während
die Speiseröhre schwerste Verätzungen aufweist. Denken Sie an eine Ösophagusverätzung
bei
-
retrosternalen Schmerzen,
-
Hypersalivation,
-
Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen
Sie stehen im Vordergrund der Symptomatik.
-
Bei Larynxbeteiligung hört man einen Stridor.
-
Kardiopulmonale Dysregulation, Schock und Nierenversagen sind möglich.
Typische Schäden durch Ätzmittel
Laugen und Säuren wirken unterschiedlich. Anhand der Gewebeschäden lässt sich so die
Art der Verätzung schon abschätzen.
-
Laugen verursachen Kolliquationsnekrosen, d. h. sie verflüssigen das Gewebe. Dies
geht meist mit tiefgreifender Wandschädigung, Rötung und sulziger Schwellung der Schleimhäute
einher.
-
Säuren dagegen führen zur Koagulationsnekrose – die Proteine im Gewebe gerinnen. Einige
Substanzen hinterlassen dadurch charakteristische Spuren:
-
Salzsäure führt zu weißlichen Belägen,
-
Salpetersäure zu gelblichen und
-
Schwefelsäure zu schwärzlichen Nekrosen.
Sofortmaßnahmen
Unabhängig davon, wie die Verätzung entstanden ist, steht bei der Therapie die akute
Notfallbehandlung im Vordergrund. Je länger der Unfall zurück liegt, umso ausgeprägter
können die Schäden sein. Daher muss eine Therapie sofort eingeleitet werden.
-
Legen Sie 1–2 venöse Zugänge und verabreichen Sie darüber
-
ein Analgetikum (z. B. Piritramid; Dipidolor®, 1/2 Amp. langsam i.v.) und
-
Prednisolon 2 mg / kg i.v. (z. B. Solu-Decortin® H) zur Vermeidung von Narbenstrikturen.
Cave Bei massiver Ätzmittelingestion sind Kortisonpräparate wegen der Perforationsgefahr
kontraindiziert. Auch die Gabe von Bikarbonat hat wegen der Perforationsgefahr durch
die CO2-Entwicklung zu unterbleiben!
Welche Substanz wurde geschluckt?
Klären Sie, welche Substanz der Patient geschluckt hat. Rufen Sie die nächstgelegene
Vergiftungszentrale an, um spezifische Hinweise zur weiteren Therapie zu erhalten.
Weitere Diagnose
Röntgenaufnahmen von Thorax und Abdomen sind obligatorisch.
Um den Schweregrad der Verätzung zu ermitteln, führt man 6–24 h nach der Verätzung
eine Frühendoskopie mit flexibler Optik durch.
Bei Perforationsverdacht ist die Endoskopie kontraindiziert!
Aufgabe der Frühendoskopie ist die sichere Stadieneinteilung [Tab. 1]. Von ihr hängt die Anschlusstherapie ab.
Tab. 1 Stadieneinteilung bei Verätzung des Ösophagus (nach [2]
[3]).
Anschlusstherapie bei schwereren Verätzungen
Hat die Frühendoskopie eine Schädigung vom Grad 1b oder höher gezeigt, ist eine Weiterbehandlung
nötig.
-
Bereits im Rahmen der Endoskopie kann dann eine Magenspülung erfolgen, wenn die Verätzung
nicht länger als 3–4 h zurückliegt.
-
Um Narbenstrikturen zu vermeiden, gibt man sofort nach Endoskopie Prednisolon 2 mg / kg
tgl. bis zur 4. Woche (vgl. Sofortmaßnahmen).
-
Zur Reduktion weiterer ätzender Belastungen des Ösophagus kann man H2-Antagonisten (z. B. Ranitidin i. v.) verabreichen. Das mindert die Produktion von
Magensäure.
-
Damit sich die verletzte Speiseröhre nicht entzündet, erhält der Patient eine antibiotische
Therapie. Geeignet dafür sind
-
Amoxicillin plus Clavulansäure i. v. (z. B. Augmentan®, 3-mal 1,2–2,2 g/d).
-
Bei Penicillin-Allergie: Clindamycin (z. B. Sobelin®, 3- bis 4-mal 300–600 mg / d i.v.), alternativ Cotrimoxazol (z. B. Eusaprim® oder Cotrim-ratiopharm® Ampullen SF, 2-mal 2 Amp. tgl.).
Ernährung des Patienten
Feste Kost sollte die verletzte Speiseröhre in den ersten Wochen nicht passieren.
In Abhängigkeit vom Lokalbefund kann man ab Grad 1b schon während der Frühendoskopie
eine Magensonde legen. Dies beugt späteren Strikturen vor. Nach 2–4 Wochen kann die
Sonde entfernt werden.
Verlaufskontrolle
Verätzungen können zu Strikturen und Stenosen des Ösophagus führen. Daher müssen betroffene
Patienten regelmäßig Röntgenkontrollen mit Breischluck erhalten.
-
Diese beginnen bei Hinweis auf Strikturbildung ab 12.–15. Tag, bei Bedarf erfolgt
eine Frühbougierung der Stenose.
-
Bei komplikationslosem Verlauf führt man neben der Röntgenkontrolle im Zweifel eine
Kontrollendoskopie in der 3.–4. Woche nach der Verätzung durch. Sie dient zum Ausschluss
von Strikturen vor Ende der Kortisontherapie.
Ösophagusfremdkörper
Ursache
Auch Fremdkörper im Ösophagus können den Schluckvorgang behindern. Sie sitzen meist
in der 1. Etage des Ösophagus.
-
Bei Gebissträgern handelt es sich häufig um größere Fleischbrocken, da die Gaumenplatte
das Gefühl für die Größe von Nahrungsbrocken einschränkt.
-
Kinder verschlucken meist Geldmünzen oder Spielzeugteile.
Fremdkörper in den tieferen Ösophagusabschnitten sind selten. Sofern größere Nahrungsbrocken
in den unteren Ösophagusabschnitten hängen bleiben, dann meist aufgrund einer Ösophagusstenose
oder (selten) aufgrund eines Karzinoms.
Kommt es durch Fremdkörper zur Verlegung des Kehlkopfes, droht der sog. Bolustod durch
reflektorischen Herzstillstand!
Gut zu wissen
Kleine Kinder, bei denen das Verschlucken des Fremdkörpers nicht beobachtet worden
ist, fallen dadurch auf, dass sie plötzlich die Nahrung verweigern, ohne dass eine
andere Erklärung gegeben werden kann. Oft sind Patienten sehr beunruhigt, wenn sie
beim Trinken aus einer defekten Flasche versehentlich einen Glassplitter verschluckt
haben. Solche Splitter setzen sich jedoch praktisch nie fest oder verursachen ernsthafte
Verletzungen. Gefährlich sind dagegen Glassplitter, die mit gekauter Nahrung verschluckt
werden. Sie sind in den Speisebrei eingehüllt und können sich während des Schluckens
nicht in die Längsachse des Speiseweges drehen. Dasselbe gilt für Gräten, Nadeln,
Nägel etc.
Standardtherapie
Mittel der Wahl zur Fremdkörperextraktion ist die sofortige Ösophagoskopie mit starrem
Endoskop. Wenn nötig und möglich, kann man den Fremdkörper mit endoskopischen Zerkleinerungszangen
oder (bei geeigneten Nahrungsmittelfremdkörpern, z. B. Fleisch) durch Argon-Plasma-Koagulation
zerlegen.
Schon bei berechtigtem Verdacht auf Fremdkörper ist eine Ösophagoskopie erforderlich.
Dann sollte jedoch ein flexibles Endoskop zum Einsatz kommen.
So nicht!
Versuche, einen Fremdkörper durch Essenlassen von Kartoffelbrei oder Sauerkraut weiter
nach unten zu befördern, sind kontraindiziert. Zu warnen ist auch vor blinden Extraktionsversuchen
mit sogenannten Münzenfängern oder vor dem Versuch, Fremdkörper blind mit Sonden in
den Magen zu stoßen. Sie bringen den Patienten in akute Lebensgefahr.
Zervikale Ösophagotomie
Falls Zerkleinerung und Fremdkörperentfernung erfolglos bleiben, kann in seltenen
Fällen eine zervikale Ösophagotomie oder bei tief sitzenden Fremdkörpern auch eine
Thorakotomie erforderlich werden.
Bei Perforation sind ein Übernähen des Wanddefektes und eine hoch dosierte antibiotische
Abdeckung erforderlich.
Prognose
Kleine Fremdkörper gelangen nach anfänglichem Steckenbleiben oft spontan in den Magen
und werden dann ausgeschieden (Stuhlkontrollen, ggf. Röntgenkontrollen). Wenn Fremdkörper
schnell und komplikationslos zu entfernen sind, ergeben sich meist keine langfristigen
Probleme. Bei längerer Liegedauer kann es infolge primärer Wandverletzung oder sekundärer
Drucknekrose zur Mediastinitis kommen.
Blutungen im Kopf-Hals-Bereich
Blutungen im Kopf-Hals-Bereich
Nasenbluten (Epistaxis)
Ursache
Nasenbluten ist nicht immer harmlos. Es kann als sogenanntes ”unstillbares“ Nasenbluten
zu lebensbedrohlichen Zuständen führen und ist dann nur durch ein rasches Eingreifen
zu beherrschen. Unterschieden werden
-
lokale Blutungsquellen (z. B. Läsionen am Locus Kiesselbachi, Tumoren, Traumata, Rhinitis
sicca anterior, Septumperforation),
-
systemische Blutungsursachen (z. B. arterielle Hypertonie, Arteriosklerose, hämorrhagische
Diathese, Markumarisierung, Infektionskrankeiten) oder
-
Unfälle.
Therapie
Bei schweren Blutungen tamponiert man die Nase beidseitig mit einem Salbenstreifen
(1 m x 1 cm). Diesen legt man mäanderförmig von hinten nach vorn oder von oben nach
unten in die Nasenhöhle. Alternativ eignen sich mit Salbe versehene Fingerlingstamponaden.
Als Widerlager sollte die kontralaterale Seite gleichermaßen tamponiert werden, auch
wenn sie nicht blutet. Die Tamponade ist außen an der Nase zu fixieren, um eine Aspiration
zu vermeiden.
Bei persistierender Blutung aus den dorsalen Abschnitten der Nase ist zusätzlich eine
hintere Nasentamponade mit beidseits gelegten Doppelballonkathetern erforderlich (z. B.
Xomed Epistat®; pneumatischer Nasentubus nach Masing, Rüsch®). Diese schiebt man von vorn durch die Nasenhaupthöhle bis zum Nasopharynx ein und
bläst sie auf (vor Einführen prüfen, ob Ballons aufblasbar und dicht sind!) Wegen
der Gefahr z. T. beträchtlicher Schleimhautschäden sollten Doppelballonkatheter nach
spätestens 4–5 Tagen entfernt werden.
Stillt die Ballontamponade die Blutung nicht oder liegt eine extrem starke Blutung
vor (z. B. bei einer Mittelgesichts-Rhinobasisfraktur), wird in Narkose eine Bellocq-Tamponade
eingeführt.
Mund- und Pharynxblutungen
Ursache
Schweren Mund- und Pharynxblutungen liegen häufig Gefäßarrosionen durch Tumoren oder
Unfälle zugrunde.
Erstmaßnahme: Atmung ermöglichen
Die Blutungen können schnell lebensbedrohlich sein und neben einer lokalen Blutstillung
notfallmedizinische Maßnahmen erforderlich machen. Massiver Blutverlust kann zum hypovolämischen
Schock (siehe unten) oder – durch Aspiration von frischem Blut oder Koagula – zur
respiratorischen Insuffizienz mit Erstickungstod führen.
Daher muss man bei jedem Patienten
Es ist wichtig, bei Blutungen im Bereich der oberen Luftwege einen starken Sauger
mit Saugrohr bereitzuhalten.
Vitalfunktion sichern
Anhand des Schockindex [Tab. 2] lässt sich die kardiozirkulatorische Situation beurteilen. Man muss dann ggf. sofort
damit beginnen, die vitalen Funktionen wiederherzustellen bzw. aufrecht zu erhalten.
Tab. 2 nach [4]
In schwierigen Fällen
Bei komatösen Patienten oder nach Aspiration empfiehlt sich die sofortige Intubation:
Sie gewährleistet die Beatmung und schützt die Atemwege vor weiterer Aspiration. Bei
schwieriger Intubation kann das Würzburger Notfall-Bronchoskop eingesetzt werden.
Blutstillung
Um einen weiteren Blutverlust zu vermeiden, muss eine ausreichende Blutstillung erfolgen.
-
Bei Gefäßarrosionsblutungen (bei Malignomen) ist eine Kompression bis zur endgültigen
operativen Versorgung notwendig.
-
In vielen Fällen von Tumorblutungen im HNO-Bereich ist die Intubation zur Verhinderung
einer Aspiration empfehlenswert. Massive Blutungen im Pharynx- und Mundhöhlenbereich
können dann vorübergehend durch Tamponaden gestillt werden.
-
Kann die Blutungsquelle nicht lokalisiert werden, ist es oft notwendig, die in das
Gebiet führenden Gefäße von außen am Hals zu unterbinden – in manchen Fällen sogar
die A. carotis externa.
-
Im Einzelfall kann eine Angiografie mit nachfolgender Embolisierung infrage kommen.
Schocksituationen
Hypovolämischer Schock
Therapie
Ist der Volumenverlust durch eine Blutung im Hals-Kopf-Bereich sehr groß, kann es
zum hypovolämischen Schock kommen. Bringen Sie den Patienten in diesem Fall zuerst
in die klassische Schocklage:
-
Lagern Sie den Oberkörper des Patienten flach, während Sie die Beine etwas höher legen.
-
Danach erfolgt umgehend eine Volumensubstitution durch große Punktionskanüle, primär
mit Blutersatzmitteln wie
-
Oxygelatinederivate (Grenzdosis 2000 ml),
-
Hydroxyethylstärke (3 %-/6 %-/10 %-Lösung, Grenzdosis 20 bzw. 33 bzw. 66 ml / kg KG
tgl.).
In Notfällen kann die Grenzdosis zur Überbrückung bis zur Transfusion überschritten
werden.
Praxistipp Blutersatzmittel in flexiblen Kunststoffbehältern sind denen in Glasflaschen vorzuziehen,
da eine Druckmanschette angelegt werden und so die Volumensubstitution schneller erfolgen
kann.
Transfusion
Blutverluste > 2500 ml beim Erwachsenen müssen mit Blutkonserven substituiert werden.
Dies ist jedoch auch abhängig vom Allgemeinzustand und Alter des Patienten. So müssen
beim ”Herzpatienten“ bereits nach geringen Blutverlusten Blutkonserven gegeben werden.
-
Bis zur Bereitstellung des Blutes können initial Blutersatzstoffe (s. o.) eingesetzt
werden.
-
Bei dringendem Blutbedarf ist Spenderblut der Blutgruppe 0 Rh- geeignet. Dennoch muss für eine nachfolgende blutgruppengleiche Transfusion Blut
gekreuzt werden!
Die Gabe vasokonstriktorisch wirkender Sympathomimetika (Adrenalin) vor der Volumensubstitution
sollte vermieden werden. Eine Intensivüberwachung ist notwendig.
Abb. 1 Notfallmaßnahmen beim anaphylaktischen Schock (mod. nach [2]). Als Ursache eines derartigen Schocks kommen allergische Reaktionen durch Insektenstiche,
aber auch durch diagnostische Maßnahmen infrage, z. B. Allergietests oder Desensibilisierungstherapien.
Iatrogener vasovagaler Schock
Ursache
Vasovagale Synkopen können durch iatrogene Manipulationen im Gehörgang, in der Nase
und im Pharynx ausgelöst werden.
Symptome
Beim vasovagalen Schock bestehen meist eine kurzfristige Bewusstlosigkeit, Kaltschweißigkeit,
Blässe und Übelkeit.
Anders als beim hypovolämischen Schock tritt beim vasovagalen Schock eine Bradykardie
auf.
Therapie
Auch beim vasovagalen Schock empfiehlt sich die klassische Schocklagerung – also
Häufig genügt allein diese Maßnahme, dass sich der Patient rasch erholt. Führt sie
nicht zum Erfolg, kann man den Blutdruck auch medikamentös steigern, entweder durch
-
Parasympatholytika, wie z. B. Atropin (0,5–1 ml) oder
-
Akrinor® (0,5–1 ml langsam i. v.).
Anaphylaktischer und anaphylaktoider Schock
Symptome
Beim anaphylaktischen Schock ist die Hypotonie das Leitsymptom. Zusätzlich können
Flush, Bronchospasmus, Übelkeit, Dyspnoe und Tachykardie auftreten. In fortgeschrittenen
Stadien kann es zu Bradykardie, Bewusstlosigkeit, Atem- und Kreislaufstillstand kommen.
Therapie
Wichtigster Schritt zu Beginn der Therapie ist,
Bei manifestem Schock ist das weitere Vorgehen auf das Sichern bzw. Wiederherstellen
der Vitalfunktionen gerichtet:
-
Injizieren Sie langsam Adrenalin i. v. (0,1–0,5 mg, z. B. 0,5 ml einer Lösung von
Suprarenin® in 20 ml NaCl).
-
Anschließend gibt man Glukokortikoide i. v.:
-
Dexamethason 100 mg oder
-
Prednisolon 1000 mg.
-
Bei Deydratation des Patienten erfolgt ein Volumenersatz mit Plasmaexpander (z. B.
Hydroxyethylstärke) oder Kristalloiden (z. B. Ringer-Lactat-Lösung, 100 ml in 15 min).
-
Bei Atemstillstand müssen Sie intubieren und beatmen, bei Kreislaufstillstand zusätzlich
kardiopulmonal reanimieren.
Mittelgesichts- und Rhinobasisfrakturen
Mittelgesichts- und Rhinobasisfrakturen
Ursache
Für Mittelgesichts- und Rhinobasisfrakturen sind in erster Linie Mechanismen direkter
Gewalteinwirkung von Bedeutung. Verkehrsunfälle sind die häufigste Ursache. In 50 %
der Fälle sind Mittelgesichts- und Rhinobasisfrakturen miteinander kombiniert.
Arten von Frakturen
Die frontale Gewalteinwirkung kann zu Kieferfrakturen führen, die teilweise den von
Le Fort beschriebenen Typen entsprechen. Sie kann aber auch als zentrale Mittelgesichtsfraktur
in Erscheinung treten.
-
Die wesentlichen Kriterien der Mittelgesichtsfrakturen vom Typ Le Fort I–III sind
Störungen der Okklusion und insbesondere ein frontal offener Biss, der durch Abrutschen
des Oberkiefers nach hinten und unten zustande kommt.
-
Bei isolierten zentralen Mittelgesichtstrümmerfrakturen treten keine Okklusionsstörungen
auf, da die hauptsächliche Gewalteinwirkung von frontal auf die Glabella trifft.
Sofortoperation
Unter folgenden Umständen darf eine OP nicht aufgeschoben werden:
-
bei ausgedehnten frischen Weichteilverletzungen mit Rhinobasisfraktur,
-
bei Dura- und Hirnverletzungen und anhaltend starkem Liquorfluss,
-
bei Eindringen von Fremdkörpern (Pfählung, Projektile) sowie
-
bei traumatisch bedingter Kompression des N. opticus.
Besonderheit bei Sehnerv-Schädigung
Eine Kompression des Sehnervs oder eine direkte Verletzung durch Frakturen bzw. Knochensplitterabsprengungen
können zu einer rasch zunehmenden Sehverschlechterung und Erblindung führen.
Sind Frakturen am Dach des Optikuskanals vorhanden, ist die Dekompression mittels
Kraniotomie durch den Neurochirurgen indiziert.
Aufgeschobene Dringlichkeit
Nicht alle Patienten können oder müssen sofort operiert werden. Wenn keine Weichteilverletzungen
vorliegen und dem Patienten aufgrund anästhesiologischer und neurochirurgischer Vorbehalte
eine längere Narkose nicht zuzumuten ist, kann man die OP verschieben. Bei gesicherter
Rhinobasisfraktur erfolgt zunächst eine Therapie mit einem liquorgängigen Antibiotikum.
-
Innerhalb von 2–3 Wochen sollten jedoch alle Le-Fort-Frakturen und beeinträchtigenden
Okklusionsstörungen versorgt werden. Sonst kann Bindegewebe in die Frakturspalten
einwachsen und die knöcherne Ausheilung behindern. Hier droht eine Oberkieferpseudarthrose
mit Restmobilität und entsprechender Beeinträchtigung des Kauvermögens.
-
Die Versorgung isolierter Rhinobasisfrakturen kann man durchaus 6–8 Wochen aufschieben,
wenn es die Allgemeinsituation des Patienten erfordert. Kommt es jedoch nach anfänglichem
Sistieren erneut zu starker Rhinoliquorrhö oder zu einer aszendierenden Infektion,
muss man die Rhinobasis ggf. rascher versorgen.
-
Bei kombinierten Rhinobasis-Gesichtsschädel-Frakturen richtet sich der Operationszeitpunkt
in der Regel nach der Gesichtsschädelfraktur.
Operationsmanagement
Bei der chirurgischen Versorgung hat sich die Operationsplanung von innen nach außen
bewährt. Falls eine Rhinobasisfraktur (= innen) vorliegt, wird diese zuerst versorgt
(I). Dann folgt der interorbitale Raum mit Siebbein, Nase, medialen Orbitawänden und
kaudaler Stirn (II), zuletzt das übrige Mittelgesicht (= außen, III). Rhinobasis und
interorbitaler Raum operiert der Rhinochirurg, das übrige Mittelgesicht der Kieferchirurg.
Fazit Die meisten HNO-Notfälle müssen rasch behandelt werden, um bleibende Schäden oder
Lebensgefahr vom Patienten abzuwenden. Jeder Arzt sollte in diesen Fällen die grundlegenden
Notfallmaßnahmen anwenden. Darüber hinaus ist es hilfreich, über die weiteren therapeutischen
Schritte informiert zu sein. So können bereits die Grundlagen für eine zügige Weiterbehandlung
durch den HNO-Facharzt geschaffen werden.
Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literaturhinweis
Teile dieses Artikels stammen aus folgendem Buch: Zenner H-P. Praktische Therapie von HNO-Krankheiten. 2. Aufl. Stuttgart: Schattauer;
2008, v. a. aus den Kapiteln
-
Notfallmaßnahmen bei vitaler Bedrohung (Bootz F)
-
Erkrankungen von Gesicht, Mittelgesicht und Rhinobasis: Verletzungen, thermische Schäden
(Ambrosch P, Brunner FX) sowie Verletzungen, thermische/chemische Schäden (Dietz A,
Brunner FX) und Nasenbluten / Epistaxis (Plinkert PK)
-
Erkrankungen des Larynx: Entzündungen, Laryngopathien (Werner JA, Zenner H-P)
-
Erkrankungen der Trachea: Entzündungen (Werner JA, Zenner H-P)
-
Erkrankungen des Ösophagus: Verletzungen, chemische Schäden (Brunner FX, Plinkert
PK)
Beitrag online zu finden unter http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0031-1295696