Der Nuklearmediziner 2011; 34(04): 207
DOI: 10.1055/s-0031-1295432
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuroendokrine Tumoren

A. Haug
1   Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 December 2011 (online)

Preview
Zoom

Neuroendokrine Tumoren stellen eine sehr heterogene Tumorentität dar. Insgesamt ist ihre Inzidenz zwar gering, jedoch führt das erfreulich lange Überleben der betroffenen Patienten zu einer ansteigenden Prävalenz dieser Tumorentität. In der nuklearmedizinischen Diagnostik und Therapie gewinnen neuroendokrine Tumoren daher zunehmend an Bedeutung. Rationale der nuklearmedizinischen Bildgebung ist die Überexpression von Somatostatinrezeptoren dieser Tumoren. Die Einführung von Octreoscan, einem mit 111Indium markierten Somatostatinanalogon, Anfang der 90iger-Jahre stellte einen Durchbruch in der Diagnostik von neuroendokrinen Tumoren dar und konnte sich rasch als Goldstandard etablieren. Dementsprechend rasch fand Octreoscan Eingang in die Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften. Eine weitere Verbesserung der Diagnostik konnte aktuell durch den Einsatz der SPECT/CT erreicht werden, dennoch bestehen bei Octreoscan Limitationen – zum einen durch die verhältnismäßig ungünstigen physikalischen Eigenschaften von 111Indium und der dadurch limitierten örtlichen Auflösung, zum anderen auch durch die Eigenschaften des verwendeten Somatostatinanalogons. Durch die biläre Ausscheidung und die hohe Speicherung von Leber und Milz kommt es in diesen Bereichen zu einer eingeschränkten Sensitivität. Eine Verbesserung der Diagnostik von neuroendokrinen Tumoren wurde mit der Entwicklung von 68Gallium-markierten Somatostatinanaloga erreicht. 68Gallium als Positronenemitter steht als Generatorprodukt und somit unabhängig von der Verfügbarkeit eines Zyklotrons zur Verfügung. Am häufigsten finden sicherlich 68Ga-DOTATOC und 68Ga-DOTATATE Anwendung. Bedingt durch die höhere Auflösung der PET im Vergleich zur konventionellen Szintigrafie, aber auch durch die Erhöhung der Affinität zum Somatostatinrezeptor Typ 2 von sowohl DOTATOC als auch DOTATATE im Vergleich zu Octreoscan gelingt eine noch sensitivere Bildgebung neuroendokriner Tumoren. Daher widmen sich auch je ein Artikel dieser Sonderausgabe mit der „konventionellen“ Diagnostik mittels Octreoscan sowie der „neueren“ Diagnostik neuroendokriner Tumoren mittels PET. Problematisch ist hierbei momentan die noch fehlende Zulassung nach AMG von 68Ga-DOTATOC und 68Ga-DOTATATE als Radiopharmakon.

Die Überexpression von Somatostatinrezeptoren erlaubt nicht nur eine sensitive Bildgebung, sondern auch eine zielgerichtete Therapie von neuroendokrinen Tumoren. Durch die Markierung des bereits in der Bildgebung etablierten DOTATATE und DOTATOC mit einem β-Emitter, meist 177Lutetium oder auch 90Yttrium, gelingt eine selektive Therapie dieser Tumoren. Zwar stellen neuroendokrine Tumoren aufgrund ihrer biologischen Heterogenität hohe Anforderungen an die Wahl der geeigneten Therapie, nichtsdestotrotz hat sich die Radiorezeptortherapie mit Somatostatinanaloga bereits zu einem unverzichtbareren Baustein entwickelt. Vor allem bedingt durch den absehbaren Rückgang der Schilddrüsenautonomien durch die verbesserte Iodversorgung der Bevölkerung ist es für die Nuklearmedizin unverzichtbar, weitere, „extrathyreoidale“ Therapien zu erschließen. Um der ansteigenden Bedeutung dieser Therapie gerecht zu werden, beschäftigen sich 2 Artikel in diesem Themenheft hiermit. Neben einer Darstellung der Möglichkeiten dieser Therapie sollen die Auswirkungen auf die Nieren beleuchtet werden. Zu guter Letzt werden noch die Möglichkeiten der selektiven internen Radiotherapie (SIRT) hepatisch metastasierter neuroendokriner Tumoren dargestellt. Die SIRT als interdisziplinäre nuklearmedizinisch/radiologische Therapie gewinnt ebenfalls zunehmend an Verbreitung und stellt insbesondere bei funktionell aktiven neuroendokrinen Tumoren eine potente Alternative dar.