Der Klinikarzt 2011; 40(10): 474
DOI: 10.1055/s-0031-1295350
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

HAI 2011 – Nicht-operationsbedingte Akutschmerzen schnell, effektiv und mechanismenorientiert behandeln

Further Information

Publication History

Publication Date:
08 November 2011 (online)

 
Zoom
Dr. Stefan Wirz

Schmerzen sind mit über 70 % der häufigste Grund für Besuche in der Notaufnahme. Allerdings weist die schmerztherapeutische Patientenversorgung in vielen Kliniken noch Defizite auf: Bei etwa 41 % der Patienten sind die akuten Schmerzen nach dem Besuch in der Notaufnahme unverändert oder sogar stärker. Knapp drei Viertel berichten bei der Entlassung von mäßig bis starken Schmerzen [ 1 ]. "Obwohl mit starken Opioiden wirksame und gut verträgliche Analgetika zur Verfügung stehen, gibt es noch immer Versorgungslücken in der Therapie von nicht-operationsbedingten Akutschmerzen", so Dr. Stefan Wirz, Chefarzt der Abteilung für Anästhesie, Interdisziplinäre Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin, CURA – Katholisches Krankenhaus im Siebengebirge, Bad Honnef, anlässlich des Hauptstadtkongresses der DGAI für Anästhesiologie und Intensivtherapie, HAI 2011.

Inadäquate Schmerztherapie – schwerwiegende Konsequenzen

"Die Folgen von unzureichend kontrollierten Akutschmerzen sind gravierend. Sie verursachen unnötiges Leid, gefährden die Betroffenen und steigern nicht zuletzt die Behandlungskosten", berichtete Wirz. Starke Schmerzen wirken sich zum Beispiel ungünstig auf das respiratorische oder das kardiovaskuläre System und den Wundheilungsprozess aus. Auch die Frührehabilitation, z.B. nach Implantation einer Knie-Endoprothese, wird durch eine unzureichende Schmerztherapie verzögert. Am effektivsten sind hierbei selektive Regionalverfahren, wie z.B. der kombinierte Einsatz von N.-femoralis- und N.-ischiadicus-Kathetern. Der individuell dosierte Einsatz - patientenkontrollierte Analgesie (PCA) - dieser Techniken führt in Zusammenarbeit mit Physiotherapie zu einer signifikanten Verbesserung des chirurgischen Outcomes und der Krankenhausverweildauer.

Ein weiteres Risiko ist die Schmerzchronifizierung. "Es gibt aktuell nur unzureichende Daten zur Chronifizierung von nicht-operationsbedingten Akutschmerzen. Orientierung können allerdings die Studienergebnisse zur Chronifizierung von perioperativen Schmerzen geben", erklärte der Schmerzexperte. In 10–50 % der Fälle gehen die akuten postoperativen Schmerzen in chronische und in 2–10 % sogar in starke chronische Schmerzen über [ 2 ], [ 3 ]. Es zeigt sich, dass eine unzureichende akute Schmerzkontrolle zu chronischen Schmerzen führen kann.


Akutschmerzen behandeln: schnell, effektiv und mechanismenorientiert

"Akute Schmerzen sollen unverzüglich, effektiv und mechanismenorientiert therapiert werden. Ein multimodaler Ansatz ist vielversprechend", fasste Wirz das allgemeine Vorgehen bei der Behandlung von Akutschmerzen, die nicht durch eine Operation bedingt sind, zusammen. "Bei der Behandlung des nicht durch eine Operation verursachten Akutschmerzes und des perioperativen Akutschmerzes gibt es keinen Unterschied." Die Tatsache, dass der Akutschmerz verschiedenartige Ätiologien und Entitäten hat, erschwere allerdings die Planung und Erstellung eines individuellen Therapiekonzeptes. Grundlage sei aber immer eine mechanismenorientierte Schmerztherapie. Nozizeptive Schmerzen werden üblicherweise mit NSAR und Opioiden behandelt, neuropathische Schmerzen mit Antiepileptika, trizyklischen Antidepressiva und Opioiden bei der Subgruppe von Opioid-Respondern.


Effektive und gut verträgliche Therapie mit starken Opioiden

Starke Opioide nehmen einen großen Stellenwert innerhalb der medikamentösen Therapie ein. "Zum einen aufgrund ihrer potenten analgetischen Wirkung. Zum anderen auch, da die WHO-Stufe I- und II-Analgetika bei Patienten nur bedingt anwendbar sind", so Wirz. Starke Opioide sollen als retardierte Formulierung mit einer 12-Stunden-Kinetik verabreicht werden. So können starke Schmerzen effektiv gelindert werden. Die Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon (Targin®) ist stark wirksam und sehr gut verträglich – entspricht also diesem Anforderungsprofil. Oxycodon lindert den Schmerz und Naloxon sorgt für den Erhalt der normalen Darmfunktion. Dies kann dazu führen, dass Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe sowie Schwindel weniger auftreten. Targin® hat ein breites Indikationsgebiet und kann für die Therapie starker Bewegungs- oder Tumorschmerzen sowie viszeraler oder neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden. Allerdings sollte es nicht präoperativ und bis 24 Stunden postoperativ eingesetzt werden.

Als injizierbares, nicht retardiertes Analgetikum mit dem gleichen Wirkstoff Oxycodon eignet sich Oxygesic® inject. Aufgrund der Substanzkonstanz können umstellungsbedingte Nebenwirkungen vermieden werden. Morphin ist aufgrund der aktiven Metaboliten Morphin-3-Glucuronid und Morphin-6-Glucuronid kein Mittel der ersten Wahl. Die ungünstigen pharmakologischen Eigenschaften können die Gesundheit insbesondere bei Patienten mit Kumulationsgefahr gefährden.


Klinische Schmerzstandards für eine erfolgreiche Patientenversorgung

Ein optimales Schmerzmanagement in der Klinik bedarf einer gemeinsamen, einheitlichen und effizienten Vorgehensweise von Ärzten und Pflegenden. "Implementierte Schmerzstandards in Form von einheitlichen Strukturen und Prozessen, Mitarbeiterschulungen, Patientenaufklärung und Empfehlungen für die medikamentöse Schmerztherapie sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Schmerzbehandlung", stuft Wirz die Bedeutung von klinischen Richtlinien und Konzepten zur Schmerztherapie ein. In diesem Bereich gibt es jedoch noch Handlungsbedarf: In mehr als der Hälfte aller europäischen Krankenhäuser gibt es keine schriftlichen Richtlinien oder Protokolle zum Schmerzmanagement.

Quelle: Wirz S. "Akutschmerz außerhalb des operativen Umfelds – Welche Medikation?", Vortrag anlässlich des HAI 2011 – Der Hauptstadtkongress der DGAI für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Berlin, 13.9.2011.
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch Mundipharma, Limburg/Lahn.





Zoom
Dr. Stefan Wirz