Menschen mit Diabetes Typ 2 und einer gestörten Nierenfunktion steht ein neues Medikament
in Deutschland nicht zur Verfügung, weil die herstellenden Pharmafirmen es aufgrund
landesüblicher bürokratischer Hürden nicht auf den Markt bringen. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft
(DDG) befürchtet, dass Auseinandersetzungen zwischen Gesetzgeber und Pharmaindustrie
über die Regelungen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) Menschen mit
Diabetes den Zugang zu neuen Medikamenten zukünftig erschweren könnten.
(Foto: Fotolia, Fotograf: D. Fleck)
Neues Antidiabetikum in Deutschland nicht auf dem Markt
Seit wenigen Tagen ist ein neues Antidiabetikum mit dem Wirkstoff Linagliptin nicht
mehr nur in Amerika, sondern auch in Ländern der Europäischen Union zugelassen. Linagliptin
kann auch bei Diabetespatienten mit einer gestörten Nierenfunk-tion eingesetzt werden.
Nicht so in Deutschland. Denn die Pharmafirma Boehringer Ingelheim hat sich mit ihrem
Partner Eli Lilly dafür entschieden, das Präparat in Deutschland nicht auf den Markt
zu bringen. Boehringer Ingelheim begründet die Entscheidung mit der seit Januar 2011
neu geregelten Preisbildung für neu zugelassene Arzneimittel. Seit dem Inkrafttreten
des AMNOG am 1. Januar 2011 bewertet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der
Regel auf Basis eines Gutachtens des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit
im Gesundheitswesen (IQWiG) den sogenannten Zusatznutzen neuer Arzneimittel. Der G-BA
prüft den Zusatznutzen des neuen Medikaments gegenüber einer "zweckmäßigen Vergleichstherapie".
Die richtige Wahl dieser "zweckmäßigen Vergleichstherapie" ist entscheidend und –
daher – stark umstritten.
Nicht Priorisierung sondern Rationierung durch AMNOG befürchtet
Abhängig vom Ergebnis handelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit dem pharmazeutischen
Unternehmern den Erstattungsbetrag aus, sofern dafür kein Festbetrag vereinbart wurde.
"Offensichtlich befürchtet die Industrie, dass das AMNOG-Verfahren den Nutzen des
neuen Medikaments nicht ausreichend berücksichtigt", kommentiert Prof. Dr. med. Andreas
Fritsche, Pressesprecher der DDG, diesen bislang für ein neues Diabetesmedikament
einzigartigen Vorgang.
Steht der Betrag für eine Pharmafirma in einem ungünstigen Verhältnis zu den Entwicklungskosten,
kann sie sich gegen die Markteinführung eines neuen Präparats entscheiden. Daraus
ergebe sich laut DDG grundsätzlich die Gefahr, dass beispielsweise in den USA oder
in anderen europäischen Ländern zugelassene Medikamente in Deutschland nicht mehr
auf den Markt kommen: "Hierbei handelt es sich dann nicht mehr um eine Form der Priorisierung,
die die wirksamsten Präparate dem Patienten zugute kommen lässt, sondern um eine Form
der Rationierung, die Patienten den Zugang dazu versagt", erläutert Fritsche.
DDG befürwortet Kosten-Nutzen-Bewertung im Sinne der Patienten
Die DDG bemüht sich um bestmögliche medizinische Behandlung von Menschen mit Diabetes
mellitus. Dazu gehört auch, ihnen die sichersten und wirksamsten Medikamente zugute
kommen zu lassen. Die Fachgesellschaft befürwortet deshalb eine Kosten-Nutzen-Bewertung
im Sinne des Patienten. Dafür müssen Kostenträger und Pharmaindustrie besser zusammenarbeiten.
Zweifelsfrei gilt für die DDG: Erweist sich ein neues Präparat gegenüber seinen Vorgängern
als vorteilhaft, sollte es Patienten verfügbar gemacht werden.
Pressemeldung der Deutschen Diabetes Gesellschaft