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DOI: 10.1055/s-0031-1293568
Internationale Studienergebnisse
Publication History
Publication Date:
21 October 2011 (online)
- Vordere Kreuzbandruptur – Konservative Therapie kann reichen
- Sport – Barfuß leichter laufen
- Gonarthrose – Übergewicht beeinträchtigt Therapieerfolg nicht
- Forschung – Fazit in Publikationen oft fehlgedeutet
- Paraplegie – Funktionstraining im Sitz macht Sitzen nicht stabiler
- Infantile zerebralparese – Breitbeiniges Stehen zentriert Hüfte
- Lumboischialgie – Zeitpunkt der OP relevant
- Nervenwurzelkompression – MRT-befund allein genügt nicht
- Asthma bronchiale – Atemtherapie senkt Medikamentenkonsum
Vordere Kreuzbandruptur – Konservative Therapie kann reichen
Beginnen Patienten mit einer Ruptur des vorderen Kreuzbands frühzeitig mit einer konservativen Therapie, verbessert sich die Chance, eine Operation zu umgehen. Zu diesem Ergebnis gelangten Alexander Fischer und seine Kollegen vom Zentrum für Physikalische und Rehabilitative Medizin des SHK Weimar.
Sie schlossen 95 Patienten in ihre Studie ein, die eine ambulante Rehabilitation nach Ruptur des vorderen Kreuzbands durchgeführt hatten. Davon waren 79 Patienten zuvor operativ versorgt worden, 16 Patienten erhielten eine ausschließlich konservative Behandlung. Die Forscher erhoben zunächst retrospektiv die Daten ärztlicher, physiotherapeutischer und sporttherapeutischer Befunde. Sie stellten fest, dass mit Rehabilitationsende das betroffene Kniegelenk bei den operativ versorgten Patienten signifikant stabiler war als bei den konservativ versorgten. Die nicht operierten Patienten hatten allerdings eine geringere Muskelatrophie, und ihre Rehabilitationszeit war um 100 Tage kürzer, als es bei den operierten Patienten der Fall war. Bei allen weiteren Befunden im Bereich des Kniegelenks wie Schwellung, Streckdefizit und Schmerzen fanden die Wissenschaftler keine signifikanten Unterschiede.
55 der ursprünglich 95 Patienten füllten innerhalb von knapp drei Jahren nach Rehabilitationsende Fragebögen zur Ergebniskontrolle aus. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass sich die Probanden hinsichtlich ihres Schmerzempfindens, ihrer Beschwerden, Lebensqualität und Alltagsaktivitäten sowie im Sport- und Freizeitverhalten nicht mehr voneinander unterschieden.
Die Autoren empfehlen, Menschen mit einer Ruptur des vorderen Kreuzbands frühzeitig konservativ zu behandeln. Sollten damit keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden, kann die Indikation zur operativen Versorgung gestellt werden.
asba
Phys Med Rehab Kuror 2011; 21: 69–75
#Sport – Barfuß leichter laufen
Barfußlaufen ist weniger belastungsintensiv als Laufen mit Sportschuhen. Dies fanden Nicholas Hanson und sein Team heraus.
Zehn Freizeitläufer führten einen sechsminütigen Lauf mit einer Geschwindigkeit von jeweils 70 % der VO2max durch - einmal auf dem Laufband, einmal auf einer Hallenbahn. Dabei liefen sie jeweils einmal mit und einmal ohne Laufschuhe. Das Laufen in den Schuhen resultierte auf beiden Untergründen in einer signifikant höheren O2-Aufnahme und Herzfrequenz. Die Probanden empfanden die Belastungsintensität beim Laufen in den Schuhen höher als beim Barfußlaufen.
Gründe für die Resultate könnten das zusätzliche Gewicht der Schuhe und der reduzierte Einsatz des Fußgewölbes sein, das über die Plantarfaszie zusätzliche Energie beim Laufen liefert.
ne
Int J Sports Med 2011; 32: 401–406
#Gonarthrose – Übergewicht beeinträchtigt Therapieerfolg nicht
Normal- und übergewichtige Patienten mit Gonarthrose profitieren gleichermaßen von einer konservativen Therapie. Das fand eine Forschergruppe um Cheong Peng Meng vom Yan Chai Hospital in Hongkong, China, heraus.
69 Patienten mit Gonarthrose wurden nach vierwöchiger Schmerzmitteltherapie per Zufall in drei Gruppen eingeteilt: Drei Wochen lang erhielten die Patienten dreimal pro Woche entweder eine halbe Stunde Physiotherapie beziehungsweise Traditionelle Chinesische Medizin, jeweils kombiniert mit Elektroakupunktur, oder Physiotherapie kombiniert mit konventioneller Akupunktur. Die Forscher untersuchten das Kniegelenk radiologisch und erfassten unteranderem den Body Mass Index (BMI), die Schmerzintensität, die Medikamenteneinnahme sowie die Beeinträchtigungen im Alltag, beispielsweise beim Treppensteigen.
Alle Patienten mit einem BMI über 18,5 kg/m2 verbesserten sich in den klinischen und funktionellen Ergebnissen gleichermaßen signifikant, hatten weniger Schmerzen und konnten nach drei Wochen Physiotherapie mit oder ohne Akupunktur die Schmerzmittel deutlich reduzieren. Patienten mit einem BMI unter 18,5 kg/m2, die als untergewichtig beurteilt wurden, verbesserten ihre funktionellen Leistungen nicht. Sie wiesen allerdings bereits zu Studienbeginn gute Werte auf und hatten somit kaum Spielraum zur Verbesserung. Obwohl untergewichtige Patienten von Beginn an einen höheren Schmerzpegel hatten, profitierten sie nicht von Schmerzmitteln.
Die Studie zeigt, dass normal- und übergewichtige Patienten mit Gonarthrose auch ohne Operation zurechtkommen und ihre Beschwerden mithilfe einer konservativen Therapie verbessern können.
giro
Journal of Orthopaedics, Trauma and Rehabilitation 2011; 15: 17–20
#Forschung – Fazit in Publikationen oft fehlgedeutet
Rund zwei Drittel der praktizierenden Therapeuten, Ärzte und Pflegenden schätzt die Effekte therapeutischer Anwendungen korrekt ein. Jedoch nur ein Drittel kann die Beweislage richtig einordnen und aus systematischen Reviews das richtige Fazit ziehen. Zu diesem Resultat gelangten Forscher aus Malaysia.
Nai Ming Lai und sein Team schlössen 130 Teilnehmer - Therapeuten, Ärzte, Pflegende und Medizinstudenten - in ihre Studie ein, die zuvor einen einführenden Kurs in evidenzbasierter Medizin absolviert hatten. Die Probanden bekamen die Zusammenfassungen von vier systematischen Reviews vorgelegt - ohne Fazit der Autoren. Sie sollten einschätzen, ob die Intervention positiv, negativ oder neutral wirkt und wie evident die Wirksamkeit der Behandlung ist. Dazu sollten sie die Evidenzlage in drei Kategorien einstufen: empfohlen, limitiert oder unzureichend. Außerdem ermittelten die Forscher unter anderem, was die Teilnehmer zuvor über die Themen der Studien wussten.
Insgesamt schätzten fast zwei Drittel der Befragten die Auswirkung der Anwendungen richtig ein. Davon erkannte jedoch nur ein Drittel die Stärke der Beweiskraft und zog ein korrektes Fazit. Interventionen mit positiver Wirkung schätzten die Probanden häufiger richtig ein als die mit neutraler und negativer Wirkung. Entsprach die eigene Meinung vorher schon dem Ergebnis, war auch die Wahrscheinlichkeit für eine richtige Einschätzung größer.
hoth
#Paraplegie – Funktionstraining im Sitz macht Sitzen nicht stabiler
Absolvieren Menschen mit kürzlich erlittener Paraplegie aufgabenspezifische Übungen im Sitzen, bringt das für ihre Stabilität beim freien Sitzen keinen Vorteil. Das fanden Lisa Harvey und ihre Kollegen von der Universität in Sydney, Australien, heraus.
Die Forscher untersuchten 32 Patienten mit Paraplegie. Alle Probanden hatten eine komplette oder inkomplette Schädigung des Rückenmarks vor weniger als sechs Monaten erlitten und konnten eingeschränkt frei sitzen. Um herauszu finden, ob ein zusätzliches Funktionstraining den freien Sitz verbessert, teilten sie die Teilnehmer in zwei Gruppen ein: Alle Patienten bekamen sechs Wochen lang Physio- und Ergotherapie. Diese beinhalteten Transfer- und Rollstuhltraining sowie Strategien zum Anziehen und Duschen. Zusätzlich erhielt die Untersuchungsgruppe dreimal pro Woche ein 30-minütiges aufgabenspezifisches Training im Sitzen. Von insgesamt 84 funktionellen Aktivitäten wie eine Flasche vom Tisch greifen und Boxbewegungen machen, absolvierten die Probanden einige zufällig ausgewählte.
Bei der Kontrolluntersuchung nach sechs Wochen hatten sich beide Gruppen gleichermaßen verbessert.
Ein zusätzliches Funktionstraining bringt somit für das freie Sitzen keine Vorteile. Dennoch empfehlen die Autoren, funktionelle Bewegungen während des Sitzens in der Therapie aufzugreifen. Denn so können Patienten lernen, Alltagsaktivitäten auch in dieser Position auszuüben. Den Autoren fiel auf, dass in der Experimentalgruppe eine erwähnenswert schlechte Kooperation der Teilnehmer beim zusätzlichen Training vorlag.
Sgl
#Infantile zerebralparese – Breitbeiniges Stehen zentriert Hüfte
Stehen Kinder mit einer infantilen Zere-bralparese einmal täglich in einer gespreizten Beinstellung, reduziert dies die Sub-luxationstendenz der Hüftgelenke und erhält die Länge der Beinmuskulatur. Zu diesem Studienergebnis gelangten Dr. Kate Himmelmann und Caroline Martins-son aus Schweden.
Die Forscher untersuchten 97 Kinder mit infantiler Zerebralparese, die nicht selbstständig gehen konnten und teilweise wegen subluxierter Hüftgelenke operiert worden waren. Sie instruierten drei Kinder mit und elf Kinder ohne chirurgische Intervention sowie deren Eltern im Umgang mit einer speziellen Stehhilfe, die das Stehen mit maximaler Abduktion in den Hüftgelenken ermöglicht. Über einen Zeitraum von einem Jahr sollten die Kinder mindestens einmal täglich ein bis eineinhalb Stunden darin stehen. Als Vergleichswerte nutzten die Wissenschaftler Daten von 63 Kindern mit und 20 Kindern ohne operativen Eingriff, die nicht am Stehtraining teilnahmen. Die Stellung des Hüftkopfes aller Kinder beurteilten sie anhand radiologischer Messungen. Außerdem untersuchte ein Physiothe-rapeut die Hüftgelenkbeweglichkeit.
Alle Kinder, die das Stehtraining durchführten, hatten eine signifikant geringere Subluxationsstellung in den Hüftgelenken als die Kinder ohne Stehtraining. Die Hüftgelenkbeweglichkeit verbesserte sich lediglich bei operierten Kindern nach Stehtraining, und zwar in Richtung Abduktion.
hoth
Pediatr Phys Ther 2011; 23: 150–157
#Lumboischialgie – Zeitpunkt der OP relevant
Werden Patienten mit einer Lumboischial-gie aufgrund eines Bandscheibenvorfalls innerhalb von zwei Wochen nach Auftreten ihrer Beschwerden operiert, lassen ihre Beinschmerzen schneller nach als bei Patienten, die erst nach drei Monaten konservativer Therapie operiert werden. Dies fand das Forscherteam um Wilco Jacobs aus den Niederlanden in einer Literaturstudie heraus.
Unabhängig davon, ob die Patienten operativ oder konservativ behandelt wurden, zeigte sich nach bis zu zwei Jahren postoperativ kein Unterschied hinsichtlich Schmerzen und Krankschreibung.
Aufgrund der geringen Studienqualität sind die Resultate kritisch zu betrachten.
anka
#Nervenwurzelkompression – MRT-befund allein genügt nicht
Wird der Verdacht einer zervikalen Nervenwurzelkompression mithilfe einer MRT überprüft, sollten die Befunde mit Vorsicht betrachtet werden, da es häufig zu falsch-positiven oder falsch-negativen Resultaten kommt. Dies stellte ein holländisches Forscherteam fest.
Barbara Kuijper und ihre Kollegen untersuchten 78 Patienten, die seit weniger als einem Monat Anzeichen einer zervikalen Radi-kulopathie wie ausstrahlende Schmerzen in den Arm und Sensibilitätsstörungen hatten. Nach einer klinischen Untersuchung bestimmten die Forscher das Stadium der Nervenwur-zelkompression. Zusätzlich interpretierten zwei unabhängige Untersucher die MRT-Be-funde der Patienten: In circa 73 Prozent aller Fälle war die klinisch symptomatische Nervenwurzel im MRT komprimiert. Bei 45 Prozent lag im MRT eine Kompression sowohl von klinisch auffälligen als auch unauffälligen Nervenwurzeln vor. Bei rund 10 Prozent fanden die Forscher im MRT ausschließlich Kompressionen von symptomfreien Nervenwurzeln, die klinisch symptomatische Nervenwurzel war nicht komprimiert. 13 bis 15 Prozent aller Betroffenen wiesen normale MRT-Befunde auf.
Falsch-negative Ergebnisse kamen bei fast einem Viertel, falsch-positive bei circa der Hälfte aller Patienten zustande. Die Ergebnisse zeigen, dass MRT-Befunde von Patienten mit zer-vikaler Radikulopathie nur im Kontext mit klinischen Befunden aussagekräftig sind.
hoth
J Neurol Neurosurg Psychiatry 2011; 82: 561–563
#Asthma bronchiale – Atemtherapie senkt Medikamentenkonsum
Asthmatiker werden meist mit Medikamenten und Inhalationssprays behandelt, um typische Symptome wie Atemnot zu verbessern. Wenden sie zusätzlich spezielle Atemtechniken an, verbessert dies unter anderem ihre Lebensqualität. Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam um Anne Bruton aus Großbritannien.
Die Wissenschaftler durchsuchten die wichtigsten Datenbanken nach Forschungsarbeiten, die seit dem letzten Cochrane Review 2004 über Atemtherapie bei Patienten mit Asthma bronchiale erstellt worden waren. In allen eingeschlossenen Studien hatten die untersuchten Behandlungen das Ziel, die Atemfrequenz bei Asthmatikern zu senken. Im Rahmen der Atemtherapie erlernten die Patienten die Bauchatmung sowie Techniken zur Verlängerung der Ausatmung und verschiedene Entspannungsverfahren.
Bei den Patienten, die diese Techniken anwendeten, verbesserte sich die Lebensqualität, sie litten seltener unter Angstzuständen und benötigten weniger Medikamente.
Neben der medikamentösen Therapie stellen demnach spezielle Atemtechniken eine wichtige Behandlungsmöglichkeit von Patienten mit Asthma bronchiale dar.
anka
Curr Opin Allergy Clin Immunol 2011; 1: 53–57


Die Studie weist einige Mängel im Studiendesign auf und ist kritisch zu betrachten: Es ist unklar, wie viele Studien Anne Bruton und ihr Team in ihre Arbeit einbezogen haben und welche Qualität diese hatten. Die Autoren beschreiben nicht, wie lange die Interventionen in den einzelnen Studien durchgeführt wurden - weder bezüglich der Therapiesitzungen noch des Anwendungszeitraums -, sodass man keine Vorstellung über den Therapieumfang bekommt. Die Autoren führen keinerlei Schwächen in ihrem eigenen Studiendesign auf und widersprechen sich im letzten Abschnitt ihrer Arbeit: Zuerst führen sie an, dass in keiner der eingeschlossenen Studien überprüft wurde, ob tatsächlich bei Studienbeginn ein abnormes Atemmuster bestand und wie es sich nach Therapie verändert hat. Sie kommen aber zu dem Schluss, dass es ausreichende Beweise dafür gibt, Atemtherapie bei der Therapieplanung von Asthma zu empfehlen. Aufgrund dieser etwas undurchsichtigen Darstellung ist das Fazit mit Vorsicht zu betrachten.
Andrea Kaack arbeitet als Physiotherapeutin in Hamburg.

