ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2011; 120(10): 528-529
DOI: 10.1055/s-0031-1293166
Colloquium
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interview mit Prof. Roland Frankenberger – "Ein Glasionomer mit überlegener Frakturresistenz in der Kausimulation"

Gerhard Frensel
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Gerhard Frensel
Dentalfachjournalist
Mentzhauser Straße 67
26939 Ovelgönne

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Publication Date:
28 October 2011 (online)

 

    In der restaurativen Zahnheilkunde stehen seit Langem konventionelle Glasionomer-Zemente (GIZ) als Amalgam-Alternative zur Verfügung. Allerdings eignen sie sich mangels mechanischer Festigkeit nur für Provisorien oder semipermanente Füllungen. Eine neue Ära in der Glasionomer-Technologie leitet dagegen das neue ChemFil Rock (DENTSPLY DeTrey) ein. Es ermöglicht die Versorgung von Patienten, welche eine zuzahlungsfreie und dabei relativ langlebige Füllung wünschen. Über die Eigenschaften von ChemFil Rock und zur klinischen Bedeutung dieses erstmals zinkmodifizierten Glasionomers äußert sich Prof. Roland Frankenberger, Universität Marburg, im Interview mit Dentalfachjournalist Gerhard Frensel.

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    R. Frankenberger

    ? Herr Prof. Frankenberger, welche Bedeutung haben heute Glasionomer-Zemente in der restaurativen Zahnheilkunde?

    Prof. Roland Frankenberger: Aufgrund werkstoffkundlicher Überprüfungen sollte man erwarten, dass sie überhaupt keine Rolle in der zahnärztlichen Praxis spielten. Ihre Biegefestigkeit und Abrasionsstabilität reichen in der Regel nicht aus, um belastbare Füllungen herstellen zu können. Aber die Verkaufszahlen von Glasionomer-Zementen sprechen eine ganz andere Sprache. In nahezu jeder Zahnarztpraxis werden sie eingesetzt. GIZ sind beispielsweise ein probates Material für die temporäre Versorgung, oder wenn sich der Behandler nicht sofort auf die weitere Therapie festlegen beziehungsweise erst noch eine weitere Beratung des Patienten durchführen möchte. Glasionomer-Zemente bieten daher einen guten Weg, um mit dem Patienten "klar zu kommen".

    ? Ist die Eigenschaft der Fluoridabgabe ein generelles Argument für GIZ?

    Frankenberger: Diese ist sicherlich wünschenswert und mag gerade in der Alterszahnheilkunde eine Rolle spielen. Allerdings gibt es nur wenige wissenschaftliche Studien, die dezidiert nachweisen, dass die Fluoridabgabe wirklich dazu beiträgt, Sekundärkaries zu verhindern oder eine Füllung langlebiger zu gestalten.

    ? Inwieweit unterscheidet sich ChemFil Rock von konventionellen Glasionomer-Zementen?

    Frankenberger: ChemFil Rock besitzt eine neuartige und intelligentere Chemie mit zinkmodifizierten Glasfüllern. Sie zielt vor allem darauf ab, dass das Material schneller als ein konventioneller GIZ mechanische Festigkeit entwickelt. Dadurch wird das Hauptproblem bisheriger Glasionomer-Zemente reduziert, welche während der frühen Phase – also etwa im Bereich der ersten Woche nach dem Legen der Füllung – leicht abradieren und sehr anfällig für Frakturen und Imperfektionen sind. Durch seine veränderte Chemie erhält ChemFil Rock eine verbesserte Frakturresistenz und Abrasionsbeständigkeit – das haben wir in unserer Kausimulationsstudie nachgewiesen.

    ? Bietet ChemFil Rock auch Vorteile bei der Verarbeitung?

    Frankenberger: ChemFil Rock besitzt eine angenehme, nicht klebrige Konsistenz, die gut zu modellieren und leicht zu stopfen ist. Es adaptiert ausgezeichnet an die Kavitätenwände. Hier ist dem Hersteller ein vernünftiger Kompromiss gelungen. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist sensationell, weil auf sämtliche Vor- und Nachbehandlungen verzichtet werden kann. ChemFil Rock erfordert weder Konditionieren, noch Oberflächenversiegelung – ein großer Vorteil.

    ? Für welche Indikationen setzen Sie das Material ein?

    Frankenberger: In erster Linie als Langzeitprovisorium. In meine Klinik kommen Patienten, die ChemFil Rock als Amalgam-Ersatz wünschen, eher selten. Allerdings warte ich mit Interesse auf die Ergebnisse von derzeit laufenden klinischen Studien zu diesem Thema. Es wird aktuell an der Ludwig-Maximilians-Universität München eine große Anwender-Feldstudie in Zahnarztpraxen durchgeführt, die anhand einer großen Fallzahl von ChemFil Rock-Füllungen dessen Eignung als Amalgam-Ersatz analysieren wird. Sollte die Studie signifikant belegen, dass nach 2 Jahren noch mehr als 95 % der ChemFil-Rock-Füllungen intakt sind, dann wäre das Material auch hinsichtlich der ADA-Kriterien für uns interessant.

    ? Bei welchen Kavitäten-Klassen verwenden Sie ChemFil Rock?

    Frankenberger: Bei Klasse-I- und mittelgroßen Klasse-II-Füllungen. Bei letzteren gehäuft, weil hier die Entscheidung darüber, ob direkt oder indirekt restauriert werden sollte, oftmals eine Übergangslösung mit einem GIZ erfordert.

    ? Für welche Patientengruppen ist das Material besonders geeignet?

    Frankenberger: In erster Linie für den klassischen Nichtzuzahler, der ansonsten von der GKV nur die Versorgung mit Amalgam bezahlt bekäme. Dass – bei entsprechendem finanziellem Engagement des Patienten – eine Versorgung mit Komposit hochwertiger und langlebiger ist, steht natürlich außer Frage. Die Fähigkeit der Fluoridabgabe von ChemFil Rock könnte möglicherweise bei der Behandlung älterer Patienten vorteilhaft sein; aber bisher liegen hierzu kaum klinische Daten vor.

    ? Die Verarbeitung von ChemFil Rock geschieht im Vergleich zu anderen, auch teureren Materialien, besonders schnell. Wäre dies nicht ein Vorteil bei der Behandlung von Kindern?

    Frankenberger: Grundsätzlich ja. Allerdings müssen wir auch hier noch die Ergebnisse einiger externer klinischer Studien abwarten, um die Eignung von ChemFil Rock für diesen Bereich genauer einschätzen zu können.

    ? Sie erwähnten aktuelle, derzeit laufende klinische Studien. In Ihrem eigenen Haus fanden umfangreiche In-Vitro-Testungen von ChemFil Rock und anderen Glasionomer-Zementen statt. Was genau wurde untersucht und welche Ergebnisse liegen Ihnen vor?

    Frankenberger: Wir haben praktisch alle relevanten Parameter in vitro überprüft. ChemFil Rock wurde dabei komplett getestet und hat im Vergleich zu anderen GIZ sehr gut abgeschnitten. So wurde das Prüfmaterial in einer Kausimulation sowohl mechanisch als auch thermisch belastet: mit 100 000 Kauzyklen und 2500 Thermozyklen bei 5 ° und 55 °C. Im Gegensatz zu den konventionellen GIZ fanden wir bei ChemFil Rock keine Frakturen. Diese In-Vitro-Daten unserer Kau-simulationsstudie entsprechen in etwa einer Tragedauer von 2 Jahren, wobei eine klinische Studie durch nichts zu ersetzen ist.

    ? Was können Sie anhand der Datenlage bei ChemFil Rock Ihren Kollegen empfehlen?

    Frankenberger: Wir dürfen uns nicht nur auf In-vitro-Daten stützen, sondern müssen noch auf aussagekräftige klinische Daten warten, welche eine Tauglichkeit für dauerhaft verlässliche Seitenzahnrestaurationen belegen können. Deshalb empfehle ich derzeit, das neue Material für semipermanente Füllungen zu verwenden – mit Potenzial für mehr, wenn sich dies klinisch bestätigt. Positiv zu erwähnen ist noch, dass es bisher keine Unverträglichkeiten gegenüber diesem Material gegeben hat.

    ? Welches vorläufige Fazit ziehen Sie zu ChemFil Rock?

    Frankenberger: Es ist eine sehr schöne Neuentwicklung auf dem eigentlich alten Markt der Glasionomer-Zemente. Die bisherigen guten Erfahrungen mit ChemFil Rock machen neugierig auf mehr.


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