Praxis der reisemedizinischen Beratung
Praxis der reisemedizinischen Beratung
Vorstandsmitglied Rosemarie Mazzola moderierte in gewohnt routinierter Weise den traditionell
ersten Programmpunkt "Knifflige reisemedizinische Beratungsfälle". Sie startete mit
eigenen Fällen: Eine Schülerin mit erheblichen Vorerkrankungen und in immunsuppressiver
Behandlung wollte nach Burkina Faso reisen und sich entsprechend impfen lassen. Ein
weiterer Fall führte vor Augen, dass Hepatitis E nicht nur in Asien, sondern auch
durch den Genuss von Wildschwein im Kaiserstuhl erworben werden kann.
Jürgen Mutschler aus Calw im Schwarzwald berichtete über eine ungewöhnliche Reaktion
nach Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und FSME sowie das methodische Problem,
Impfreaktionen medizinisch und psychologisch zu beurteilen.
Christine Wehrhahn von der Almeda Assistance in München berichtete über die Repatriierung
einer jungen bosnischen Studentin aus Nigeria nach einem Busunfall mit schwersten
Gesichtsverletzungen und Armamputation. Der Fall zeigte sehr drastisch und nachhaltig,
wie notwendig eine seriöse, suffiziente Auslandskrankenversicherung ist.
Stefan Eßer von International SOS Central Europe informierte anhand von Beispielen
und Bildern aus Guinea über mögliche Probleme für Unternehmen in Ländern ohne brauchbare
medizinische Infrastruktur. Sind Firmen in Afrika aktiv, sollte die medizinische Betreuung
der Geschäftsreisenden sorgfältig geplant werden.
Das Thema "Tod im Ausland" erläuterte anschaulich Michael Keunecke, Bestatter und
Thanatopraktiker aus Wesel. Er erklärte, wie ein Sterbefall im europäischen oder außereuropäischen
Ausland betreut werden kann. Dabei stellte er auch die humanitäre Hilfsorganisation
"Death Care Embalmingteam Germany" vor, die Rücktransporte von Toten international
organisiert. Interessant waren auch die modernen Methoden der Thanatopraxis zur ästhetischen
Rekonstruktion von Leichen, die er mit vielen Bildern vorstellte.
Podiumsdiskussion
Bereits im Vorfeld gab es kontroverse Diskussionen zum Thema "Ärztlich begleitete
Reisen". Entsprechend angeregt verlief die Podiumsdiskussion. Dort sollten offene
Fragen zu Haftung, Dokumentation und Logistik von Medikamenten diskutiert werden.
Ulrich Klinsing moderierte das Podium mit Reisemediziner Willy Herget und Heike Trümpener
von Tour Vital und Dieter Werner von Mediplus Reisen. Offen blieben dabei vor allem
Fragen nach Qualifikationsstandards und medizinischer Assistance bei schweren Erkrankungen
oder Unfällen während der Reise. Die Reiseveranstalter verweisen hier auf die Auslandskrankenversicherung
der Reisenden und sehen sich nicht in der Verantwortung.
Ein Stadtrundgang durch das neue und durch das barocke Fulda mit Michaelskirche und
Dom rundeten den Tag mit einem herrlichen Spätsommerabend ab, bevor er bei südamerikanischen
Fleischspießen und gutem Rotwein noch sehr lange ausklang.
Besondere Themen der Reisemedizin
Besondere Themen der Reisemedizin
Dennoch wurde am Samstagmorgen pünktlich wieder begonnen. Den Anfangsvortrag hielt
Stefan Leutzbach aus Bad Säckingen, der mit viel Engagement und sehr anschaulich "Entwicklungsstand
und Perspektiven für Bilddiagnostik in Entwicklungsländern" präsentierte. Sein Resumée,
was Radiologie in Entwicklungsländern leisten kann, fiel eher pessimistisch aus. Die
neue Hilfsorganisation "Radiologists without Borders" soll mittelfristig Abhilfe schaffen
und bild-gebende Diagnostik in Entwicklungsländern verbessern.
Ein Thema aus dem Nachbargebiet Zahnheilkunde brachte uns Walter Mautsch aus Aachen
nahe, indem er über "Zahn-gesundheit für alle – Anspruch und Wirklichkeit auf internationaler
Ebene" referierte und sein eigenes zahnmedizinisches Hilfsprojekt in Peru vorstellte.
Der neue Impfstoff, eingeführt vor knapp 2 Jahren, hatte das Interesse am Thema "Epidemiologie
der Japanischen Enzephalitis in der Lokalbevölkerung und bei Reisenden" ansteigen
lassen. Matthias Niedrig vom Berliner Robert Koch-Institut zeigte die geografische
Verbreitung und die Risikoverteilung dieser Viruserkrankung und relativierte die Impf-indikation
gegenüber industriellen Marketingmaßnahmen.
Großes Interesse zeigten die Teilnehmer an der "Übersicht über die Assistancemedizin
und die Arbeit des Fachausschusses Assistancemedizin". Der Fachausschuss war vor 2
Jahren auf Anregung des Vorstands gegründet worden und hat seitdem bereits in vielen
Sitzungen begonnen, die Assistancemedizin als Teil der Reisemedizin darzustellen,
eine Definition zu erarbeiten und ein Curriculum für die Fortbildung aufzustellen.
Stefan Eßer von International SOS referierte dies und moderierte die folgenden Vorträge
dazu. Klaus Schäfer vom ADAC in München stellte in einem ausgesprochen kurzweiligen
Vortrag die Komplexität des Themas "Notwendige Infrastruktur zum Betreiben einer Assistancezentrale"
dar. Christine Wehrhahn von der Almeda zeigte, dass "Basisalgorithmen in der Assistancemedizin"
bereits im Fachausschuss in ersten Ansätzen entwickelt worden sind. Wolfram Tannhäuser
von MOS Medical informierte anhand seiner eigenen Erfahrungen zum Thema "Übersicht
über Assistancemedizin in Deutschland". Der Fachausschuss wird weiterhin regelmäßig
über seine Arbeit berichten.
Aktuelle reisemedizinische Themen
Aktuelle reisemedizinische Themen
"Reisethrombose, Epidemiologie und Prophylaxe" ist ein Dauerbrenner in der reisemedizinischen
Beratung vor Langstreckenflügen. Hierzu gibt es inzwischen Konsensusempfehlungen,
die Jürgen Ringwald aus Erlangen präsentierte: ASS wird kaum noch empfohlen. Unterschenkelkompressionsstrümpfe
sind zurzeit in den meisten Risikofällen das empfohlene Mittel der Wahl. Orale Antikoagulanzien,
die die niedermolekularen Heparine ablösen sollen, werden ausgesprochen teuer sein
und sind zunächst für andere Indikationen vorgesehen.
Die Missionsärztliche Klinik in Würzburg unterstützt beratend "Reisen mit HIV-Infektion".
Marco H. Schulze berichtete darüber sehr einfühlsam und zeigte auf, dass – spezielles
ärztliches Fachwissen vorausgesetzt – auch HIV-Infizierte reisen können und sollen.
"Nebenwirkungen von und Kontraindikationen für Impfungen" geben immer wieder Anlass
zu langen, ausgedehnten Diskussionen unter Reisemedizinern, Sigrid Ley-Köllstadt vom
Deutschen Grünen Kreuz aus Marburg war hier eine erfahrene, hochkompetente Ansprechpartnerin.
Den spannenden Abschluss bildete ein Übersichtsvortrag über das "Verhalten in erdbeben-
und tsunamigefährdeten Gebieten". Peter Bormann vom GeoForschungsZentrum Potsdam präsentierte
den auch nach eineinhalb Tagen Jahres-tagung immer noch aufmerksam zuhörenden Teilnehmern
dazu viele, ausgesprochen eindrucksvolle Bilder.
Der Dank aller Teilnehmer für eine gelungene Jahrestagung geht ganz besonders an Burkhard
Rieke für die Planung und Organisation des wissenschaftlichen Programms sowie an Ingrid
Bergmann und ihre Tochter Christina Kerscher für die wie immer perfekte Vorbereitung
der Jahrestagung und die liebevolle Betreuung in Fulda.
Stefan Eßer
Vorstand Deutsche Fachgesellschaft Reisemedizin