Einleitung
Das Lungenkarzinom ist einer der häufigsten soliden Tumoren in den westlichen Industrieländern
[1 ]. In Deutschland und Österreich ist es bei Männern nach dem Prostatakarzinom die
zweithäufigste maligne Erkrankung, bei Frauen nach Mammakarzinom und kolorektalem
Karzinom die dritthäufigste. Seit über 20 Jahren ist die Inzidenz bei Männern rückläufig,
während sie bei Frauen kontinuierlich ansteigt [1 ].
Etwa 75 bis 85 % der Lungenkarzinome zählen zu den nichtkleinzelligen Karzinomen (NSCLC),
der verbleibende Rest zu den kleinzelligen Karzinomen (SCLC) [2 ], deren Therapie und Prognose sich grundlegend von erstgenannten unterscheidet.
Etwa 70 % der Patienten mit Lungenkarzinom haben zum Zeitpunkt der Diagnosestellung
ein fortgeschrittenes oder metastasiertes Stadium (Stadium IIIb oder IV), sodass der
palliativen und symptomorientierten Therapie bei dieser Erkrankung ein besonderer
Stellenwert zukommt.
Die Prognose der Patienten mit Lungenkarzinomen, unabhängig vom Stadium der Erkrankung
bei Diagnosestellung und Therapie, ist noch immer schlecht: Die Gesamt-5-Jahres-Überlebensrate
liegt bei 15 – 18 %. Im frühesten Stadium der Erkrankung (Stadium I, Tumorgröße unter
3 cm) und operativer Therapie mit R0-Resektion liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei
85 % [11 ], bereits im Stadium IIa liegt diese nur noch bei 55 %.
In den letzten zehn Jahren wurden einige Studien publiziert, nach deren Ergebnissen
sich die mittlere Überlebenszeit der Patienten im Stadium IV verlängert hat (von median
7,9 Monaten auf 11,3 Monate [3 ]
[4 ]). Diese Beobachtung ist neben den verbesserten supportiven Maßnahmen auch auf die
Einführung neuer Substanzen in die Therapie zurückzuführen. So konnte 2008 gezeigt
werden, dass durch die Gabe von Pemetrexed zusammen mit Cisplatin in der Erstlinientherapie
ein deutlicher Überlebensvorteil für die Patienten mit NSCLC vom Typ Adenokarzinom
entsteht [5 ].
Ende 2005 wurde mit Erlotinib (Tarceva® ) in Deutschland der erste EGFR-Tyrosinkinasehemmer (TKI) für die Therapie des fortgeschrittenen
Lungenkarzinoms zugelassen [6 ]. Ab der Zweitlinientherapie stellte Erlotinib eine Alternative zur Chemotherapie
dar, insbesondere bei Patienten in reduziertem Zustand und mit eingeschränkter Knochenmarkreserve.
Es konnte nicht nur eine Verlängerung der medianen Überlebenszeit von 4,7 auf 6,7
Monate [6 ], sondern auch eine Verbesserung der tumorbedingten Symptome (Husten, Dyspnoe, Schmerzen)
und der Lebensqualität gezeigt werden [7 ]. Am meisten profitierten die weiblichen Patienten mit Adenokarzinom, Nichtraucher
und Patienten asiatischen Ursprungs. Eine Prognoserelevanz des EGF-Rezeptorstatus
konnte von Shepherd et al. zum damaligen Zeitpunkt (noch) nicht gezeigt werden [6 ].
Seit Juli 2009 ist auch Gefitinib (Iressa® ) für nichtkleinzellige Lungenkarzinome ab der ersten Therapielinie zugelassen, sofern
der Tumor eine aktivierende Mutation des EGF-Rezeptors aufweist [8 ]
[9 ]
[10 ]. Bei dieser Patienten-Subgruppe konnte ein signifikant verlängertes progressionsfreies
Überleben im Vergleich zu den mit einer Standard-Chemotherapie behandelten Patienten
gezeigt werden (9,5 bzw. 10,4 Monate versus 6,3 bzw. 5,5 Monate) [9 ]
[10 ]. Die Ergebnisse der mit asiatischen Patienten durchgeführten Studie, die zur Zulassung
von Gefitinib führte, lassen sich auf Patienten anderer Ethnien übertragen, sofern
eine aktivierende EGFR-Mutation nachgewiesen wurde. Auch hier waren eine gute Verträglichkeit
der Therapie und die wenig beeinträchtigte Lebensqualität hervorzuheben.
Die Wirkungsweise der TKI beruht auf einer reversiblen Hemmung von Anteilen des epidermal
growth factor receptors (EGFR- Rezeptor), einem Glykoprotein, das in 80 % der nichtkleinzelligen
Lungenkarzinome exprimiert wird. Die Aktivierung des Rezeptors führt in den Tumorzellen
zur Förderung von Wachstum, Angiogenese und Metastasierung.
Seit 2004 ist bekannt, dass bestimmte Mutationen des EGF-Rezeptors zu einer stark
erhöhten Sensitivität und damit besseren Ansprechen gegenüber TKIʼs führt. So zeigte
sich, dass eine Deletion im Exon 19 (45 – 50 % der nachgewiesenen Mutationen), Exon
21 (35 – 40 %), Exon 18 (3 %) und Exon 20 (3 %) mit einer guten Ansprechrate vergesellschaftet
ist, wobei die Patienten mit einer Mutation im Exon 19 noch einmal eine bessere Prognose
zu haben scheinen als Patienten mit anderen Mutationen.
Die hauptsächlichen Nebenwirkungen der TKIʼs sind Hauteffloreszenzen im Sinne einer
Rötung (Rash) der Haut, in schwereren Fällen sind Pusteln und eitrige Superinfektionen
zu beobachten. Diese Veränderungen zeigen sich am stärksten im Gesicht, am Rücken
und im Dekolleté, eine starke Austrocknung der Haut betrifft das gesamte Integument.
Bei längerer Anwendungsdauer kann es zu Nagelwallentzündungen (Paronychien) kommen.
Hautnebenwirkungen treten insgesamt bei etwa 75 % der Patienten unter Erlotinib auf,
wobei nur 5,4 % dieser Patienten dritt- oder viertgradige Hautveränderungen haben
[23 ].
Diarrhoen treten als Nebenwirkung von Erlotinib deutlich seltener auf, schwere Diarrhoen
(CTC Grad 3) werden in den Studien in einer Häufigkeit von 1,6 bis 6 % angegeben.
Anders als bei anderen tumorspezifischen Therapien ist die Dosis der TKIʼs bisher
unabhängig von Größe und Gewicht gewählt worden. Für Erlotinib liegt die Initialdosis
bei 150 mg täglich, für Gefitinib bei 250 mg täglich. Eine Dosisreduktion aufgrund
von Nebenwirkungen ist für Gefitinib nicht vorgesehen, für Erlotinib können die Dosisstufen
100 und 50 mg eingesetzt werden.
Neben dem Mutationsstatus des EGF-Rezeptors, dem die größte prognostische Bedeutung
zukommt, wurde versucht, noch andere prognostische Faktoren zu definieren. Bisher
ist bekannt, dass die Histologie (Adenokarzinom), weibliches Geschlecht, Nichtraucherstatus
und asiatische Herkunft prognostisch günstige Faktoren darstellen. Da auch Patienten
mit sog. genetischem Wildtyp oder Patienten mit Plattenepithelkarzinomen unter den
Langzeitüberlebenden unter Erlotinib sind, wurde versucht, noch andere Faktoren herauszufiltern.
Die Intensität der Hautveränderungen unter Erlotinib wurden als früher Wirksamkeitsparameter
[6 ], aber auch als positiv prognostischer Faktor für das Gesamtüberleben gewertet [2 ]. Hierbei ist die Beurteilung des Ausprägungsgrades jedoch stark untersucherabhängig.
Die Bedeutung des Ernährungsstatus für die Prognose der Patienten unter Erlotinib
wurde bisher noch nicht untersucht. Dass Mangelernährung bei Karzinompatienten zum
Zeitpunkt des Therapiebeginns eine schlechte Prognose und schlechtere Lebensqualität
zur Folge hat, ist gut bekannt [25 ]. Der Einfluss starker Übergewichtigkeit auf die Prognose und das Therapieansprechen
bei Karzinompatienten wurde jedoch noch nie untersucht. Auch Daten zum Zusammenhang
von Body-Mass-Index und Wirksamkeit von Tyrosinkinasehemmern unter identischer Dosierung
oder zur Nebenwirkungsrate fehlen bisher.
Dass Nichtraucher mit fortgeschrittenen Lungenkarzinomen eine bessere Prognose und
besseres Therapieansprechen (unabhängig vom Therapieregime) haben als Ex-Raucher oder
Raucher ist aus großen Untersuchungen bekannt [26 ]. Auch für Erlotinib wurde bereits frühzeitig bekannt, dass Nie-Raucher ein besseres
Therapieansprechen zeigen als Raucher [26 ]. Dennoch konnte gezeigt werden, dass auch männliche Raucher mit Plattenepithelkarzinomen
von Erlotinib profitieren können [27 ]. In jüngster Zeit konnte gezeigt werden, dass Raucher und Nichtraucher eine unterschiedliche
Pharmakokinetik für Erlotinib aufweisen: Sowohl die maximale Plasmakonzentration als
auch die Konzentration nach 24 Stunden waren bei Rauchern niedriger als bei Nichtrauchern
[28 ].
Während bisherige Chemotherapiedosierungen in Abhängigkeit von der Körperoberfläche
gewählt werden, ist die Initialdosierung von Tyrosinkinasehemmern unabhängig von Größe
und Körpergewicht. Eine Dosisreduktion ist nur bei relevanten Nebenwirkungen vorgesehen.
Insgesamt fehlen weiterhin Faktoren von prädiktiver und prognostischer Relevanz für
die Therapie mit Erlotinib.
In der vorliegenden retrospektiven Analyse von 275 Patienten (233 longitudinal auswertbar),
die in der Zweit- und Drittlinie mit Erlotinib behandelt wurden, wurde versucht, die
bekannten prognostischen Faktoren weiter zu spezifizieren sowie weitere prognostische
Faktoren von hoher klinischer Relevanz herauszuarbeiten.
Neben der Differenzierung des Ausprägungsgrades der Hautnebenwirkungen (Rash Grad
1 – 4), dem Raucherstatus, Geschlecht und Histologie wurde erstmals der Einfluss von
Körpergewicht und Größe und der hieraus ermittelte Body-Mass-Index (BMI) auf das Ansprechen
und die Nebenwirkungsrate von Erlotinib untersucht. Daten zum Bezug zwischen Geschlecht,
Rash und BMI fehlen bisher gänzlich.
Methoden
Von Oktober 2005 bis Februar 2011 wurden in der Evangelischen Lungenklinik in Berlin-Buch
275 Patienten mit Erlotinib behandelt, von denen 233 Patienten (155 Männer und 78
Frauen) longitudinal auswertbar waren. Es handelte sich um 141 Patienten mit Adenokarzinomen
(60,5 %) und 92 Patienten mit Plattenepithelkarzinomen (39,5 %).
175 (75 %) dieser Patienten waren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung älter als 60
Jahre.
Die Erlotinib-Dosis lag initial bei allen Patienten bei 150 mg täglich.
Die Patienten wurden in 4-wöchentlichen Abständen in der onkologischen Fachambulanz
der Evangelischen Lungenklinik untersucht. Neben der Anamnese, der körperlichen Untersuchung
mit Erhebung der Hautnebenwirkungen wurden jeweils Blutbild- und Leberwertkontrollen
durchgeführt. Nach 8 Wochen wurde eine Einschätzung des Therapieansprechens mittels
konventioneller Röntgen-Übersicht und ggfs. Computertomografie des Thorax durchgeführt.
Die Erhebung der Intensität der Hautnebenwirkungen wurde jeweils nach 4 Wochen Einnahme
und dann weiter in 4-wöchentlichem Abstand durchgeführt und dokumentiert. Die Einteilung
der Intensität wurde immer von demselben Untersucher vorgenommen.
Die Einteilung erfolgte nach der CTCAE (Common Toxicity Criteria for Adverse Events
Version 3.0)-Klassifikation in Grad 1 bis 4:
Grad 1: Makulöse oder papulöse Eruption oder Erythem ohne Begleitsymptome
Grad 2: Makulöse oder papulöse Eruption oder Erythem mit Juckreiz oder anderen Begleitsymptomen,
lokalisierte Desquamation auf < 50 % der Körperoberfläche
Grad 3: Schwere generalisierte Erythrodermie oder makulöse, papulöse oder vesikuläre
Eruption; Desquamation auf > 50 % der Körperoberfläche, einhergehend mit Schmerzen,
Ulzeration oder Desquamation
Grad 4: Generalisierte exfoliative, ulzerative oder bullöse Dermatitis.
Für die Therapie des Rash wurde ab Grad 1 steroidhaltige Salbe (Dermatop-Salbe® ) für die betroffenen Partien verordnet. Bei bakterieller Superinfektion wurde Minocyclin
2 × 50 mg/die verordnet. Als Basis der Hautpflege wurden stark fetthaltige Cremes
empfohlen (Excipial Fettcreme® , Linola Fettsalbe® ).
Bei Rash ab Grad 2 wurde Erlotinib für 14 Tage pausiert. Nach Abklingen der Hautveränderungen
wurde die Therapie mit der nächstniedrigen Dosis (100 bzw. 50 mg Erlotinib) fortgeführt.
Für die überwiegende Anzahl der Patienten wurde die Therapie mit Erlotinib als Zweit-
oder Drittlinientherapie nach vorheriger platinbasierter Chemotherapie und Taxanen
eingesetzt. Von den 141 Patienten mit Adenokarzinomen erhielten 38 Patienten (26,9 %)
Erlotinib als Zweitlinientherapie, 72 Patienten (51 %) als Drittlinientherapie und
5 Patienten (3,5 %) als Viertlinientherapie.
Bei den Patienten mit Plattenepithelkarzinomen wurden 26 Patienten (28,3 %) in der
Zweitlinie mit Erlotinib behandelt, 52 Patienten (56,5 %) in der Drittlinie und 2
Patienten (2,2 %) in der Viertlinie.
132 Patienten (66 %) waren aktive Raucher oder Ex-Raucher, 68 Patienten (34 %) Nichtraucher,
von 33 Patienten konnten keine Daten bezüglich des Raucherstatus erhoben werden.
Ergebnisse
Das Ergebnis bezüglich des Gesamtüberlebens ab dem Zeitpunkt der Erlotinib-Einnahme
ist mit den Daten aus der Literatur vergleichbar ([Abb. 1 ]). Die Patienten mit Adenokarzinomen haben ein besseres Overall Survival (OS, median
6,48 Monate) als Patienten mit Plattenepithelkarzinomen (median 6 Monate). In unserem
Kollektiv wurde die Indikation für den Einsatz von Erlotinib noch nicht vom EGF-Rezeptor-Mutationsstatus
beeinflusst, da diese Methode erst später im Beobachtungszeitraum etabliert wurde.
So erklärt sich möglicherweise die geringe Differenz zwischen dem Überleben der verschiedenen
histologischen Typen, eine Selektion der Patienten mit Adenokarzinomen hatte vorher
nicht stattgefunden.
Abb. 1 Overall Survival nach Histologie. Es ergibt sich ein signifikanter Überlebensvorteil
für Patienten mit Adenokarzinomen. Adeno = Adenokarzinom, PeCa = Plattenepithelkarziom, n = Anzahl, verst. = verstorben.
Ebenfalls mit den Literaturdaten in Übereinstimmung zu bringen sind die Ergebnisse
zum Gesamtüberleben nach Beginn der Erlotinib-Einnahme und dem Raucherstatus der Patienten
([Abb. 2 ]). Das längste mediane OS mit 8,3 Monaten haben Patienten, die nie geraucht haben.
In unserem Patientengut weisen die ehemaligen Raucher das schlechteste mediane Überleben
auf (4,5 Monate), während die aktiven Raucher ein geringfügig besseres medianes Überleben
(6,4 Monate) zeigen. Bei fehlender Differenzierung bezüglich der Länge der „Ex-Raucher-Phase“
sind jedoch beide letztgenannten Gruppen in unserer Analyse eher als Einheit zu betrachten.
Abb. 2 Overall Survival nach Raucherstatus. Lebenslange Nichtraucher haben einen Überlebensvorteil
gegenüber Rauchern und Ex-Rauchern unter Erlotinib. NR = Nie-Raucher, Ex-R. = Ex-Raucher,
R = Raucher, n = Anzahl, Verst. = verstorben.
Von den 233 ausgewerteten Patienten hat kein Patient einen Rash Grad 4 entwickelt
([Abb. 3 ]). Diskrepant zu den Angaben aus der Literatur weisen in unserem Kollektiv die Patienten
mit mittelgradig ausgeprägtem Rash (Grad 1 und 1 – 2) das beste OS auf (median 9 Monate).
Sowohl die Patienten ohne Rash (Grad 0 und 0 – 1) als auch diejenigen mit starkem
Rash (Grad 2, 2 – 3 und 3) weisen ein schlechteres Gesamtüberleben auf (Grad 0 und
0 – 1 median 4,8 Monate, Grad 2, 2 – 3 und 3 median 7,9 Monate).
Abb. 3 Overall Survival nach Erlotinib-Therapie, nach Rash. Patienten mit mittelgradigem
Rash haben die beste Prognose. n = Anzahl, verst. = verstorben.
Reduziert man die Patienten auf die Gruppe, die Erlotinib als Drittlinientherapie
erhielt ( [Abb. 4 ]), ist diese Tendenz noch klarer zu erkennen ([Abb. 4 ]): Die Patienten mit mittelgradigem Rash (Grad 1 und 1 – 2) zeigen das beste Gesamtüberleben
(median 9,7 Monate), während Patienten ohne Rash und mit stark ausgeprägtem Rash ein
schlechteres Gesamtüberleben zeigten (Grad 0 und 0 – 1: 4,6 Monate, Grad 2, 2 – 3
und 3: 7,9 Monate).
Abb. 4 Overall Survival ab Erlotinib-Therapie, nach Rash, nur Drittlinientherapie. Auch
bei Reduktion auf die Patienten, die Erlotinib in der dritten Therapielinie erhielten,
haben Patienten mit mittelgradigem Rash die beste Prognose. n = Anzahl, verst. = verstorben.
Der Raucherstatus beeinflusst offenbar die Wahrscheinlichkeit der Rash-Entwicklung
([Tab. 1 ]). Nur 6,7 % der Raucher entwickeln unter Erlotinib einen Rash Grad 2, 2 – 3 oder
3, während bei den Nichtrauchern 23,5 % einen Rash Grad 2, 2 – 3 oder 3 entwickeln.
Diese Beobachtung könnte die These stützen, dass Tyrosinkinasehemmer bei Rauchern
schneller verstoffwechselt werden [28 ]
[29 ].
Tab. 1
Korrelation zwischen Raucherstatus und Rash (n = 200).
Rash
Raucherstatus
Gesamt
Ex
NR
Raucher
0 /0 – 1
Anzahl
25
37
43
105
%
43,9 %
54,4 %
57,3 %
52,5 %
1 /1 – 2
Anzahl
14
15
27
56
%
24,6 %
22,1 %
36,0 %
28,0 %
2 /2 – 3 /3
Anzahl
18
16
5
39
%
31,6 %
23,5 %
6,7 %
19,5 %
Gesamt
Anzahl
57
68
75
200
%
100,0 %
100,0 %
100,0 %
100,0 %
n = Anzahl
Die Korrelation des Body-Mass-Index (BMI) mit dem Overall Survival aller Patienten
ergibt, dass ein mittlerer bis etwas erhöhter BMI (25 – 30) mit dem besten Gesamtüberleben
einhergeht (median 7,4 Monate) ([Abb. 5 ]). Wie zu erwarten, weisen die Patienten mit sehr niedrigem BMI (< 18,5) das niedrigste
Gesamtüberleben auf (median 4,9 Monate). Allerdings haben die Patienten mit sehr hohem
BMI (> 30) ein ähnlich schlechtes Gesamtüberleben, was möglicherweise mit der in dieser
Gruppe erhöhten Komorbidität (metabolisches Syndrom und die Folgeerkrankungen) zu
erklären ist.
Abb. 5 Overall Survival nach Body Mass Index. Patienten mit sehr niedrigem, aber auch mit
sehr hohem BMI haben unter Erlotinib die schlechteste Prognose. n = Anzahl, verst. = verstorben.
Eine Korrelation zwischen niedrigem BMI und starker Ausprägung des Rash unter Erlotinibtherapie
konnte nicht hergestellt werden ([Tab. 2 ]): Nur 14,2 % der Patienten mit einem BMI <18,5 entwickelten einen Rash Grad 2, 2 – 3
oder 3, während 19,2 % der Patienten mit einem BMI > 30 einen höhergradigen Rash (Grad
2, 2 – 3 oder 3) entwickelten. Die Empfehlung einer primären Dosisreduktion bei untergewichtigen
Patienten lässt sich aus diesen Daten nicht ableiten.
Tab. 2
Korrelation zwischen BMI und Rash.
BMI-Klassen
Rash
0 /0 – 1
1 /1 – 2
2 /2 – 3 /3
Total
< 18,5
13
5
3
21
18,5 – < 25
70
33
17
120
25 – < 30
28
18
19
65
> 30
14
7
5
26
Total
125
63
44
232
Insgesamt haben männliche Patienten deutlich häufiger schwerwiegende Hautreaktionen
unter Erlotinib entwickelt als weibliche (24,5 % der männlichen Patienten versus 7,8 %
der weiblichen Patienten) ( [Tab. 3 ] und [Tab. 4 ]). Bei den Frauen betrug der Anteil an sehr milden Hautreaktionen (Grad 0 und 0 – 1)
65,9 %, bei den Männern betrug er 48,3 %.
Tab. 3
Korrelation zwischen BMI und Rash bei Männern.
BMI
Rash
Gesamt
0 /0 – 1
1 /1 – 2
2 /2 – 3 /3
< 18,5
Anzahl
6
2
2
10
%
60,00 %
20,00 %
20,00 %
100,00 %
18,5 – < 22
Anzahl
19
6
5
30
%
63,33 %
20,00 %
16,67 %
100,00 %
22 – < 25
Anzahl
23
16
10
49
%
46,94 %
32,65 %
20,41 %
100,00 %
25 – < 30
Anzahl
18
13
16
47
%
38,30 %
27,66 %
34,04 %
100,00 %
> 30
Anzahl
9
5
5
19
%
47,37 %
26,32 %
26,32 %
100,00 %
Gesamt
Anzahl
75
42
38
155
%
48,39 %
27,10 %
24,52 %
100,00 %
BMI = Body Mass Index
Tab. 4
Korrelation zwischen BMI und Rash bei Frauen.
BMI
Rash
Gesamt
0 / 0 – 1
1 / 1 – 2
2 /2 – 3 /3
< 18,5
Anzahl
7
3
1
11
%
63,64 %
27,27 %
9,09 %
100,00 %
18,5 – < 22
Anzahl
15
3
0
18
%
83,33 %
16,67 %
0,00 %
100,00 %
22 – < 25
Anzahl
13
8
2
23
%
56,52 %
34,78 %
8,70 %
100,00 %
25 – < 30
Anzahl
10
5
3
18
%
55,56 %
27,78 %
16,67 %
100,00 %
> 30
Anzahl
5
2
0
7
%
71,43 %
28,57 %
0,00 %
100,00 %
Gesamt
Anzahl
50
21
6
77
%
64,94 %
27,27 %
7,79 %
100,00 %
BMI = Body Mass Index
Bei der Korrelation von BMI und Rash ergab sich kein wesentlicher Unterschied zwischen
Männern und Frauen.
Diskussion
Bezüglich der prognostischen Relevanz der Histologie der mit TKI behandelten Patienten
mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom stützen die vorliegenden Daten die aus der Literatur
bekannten Ergebnisse: Patienten mit Adenokarzinomen (unabhängig vom EGF-Rezeptor-Mutationsstatus)
haben unter Erlotinib eine bessere Prognose als Patienten mit Plattenepithelkarzinomen.
Die Daten aus der vorliegenden Analyse bezüglich des Rash unter TKI ergänzen die bisher
veröffentlichten Ergebnisse [24 ]
[30 ]. Eine Korrelation des Rash zu anderen prognoserelevanten Faktoren, insbesondere
beim Lungenkarzinom wie in der vorliegenden Studie, wurde bisher noch nie hergestellt.
Rash wird als prognoserelevanter Faktor der Behandlung mit einem TKI angesehen.
Bei Patienten mit Pankreaskarzinomen wird die starke Ausprägung der Hautreaktion als
klarer Indikator für gutes Ansprechen gewertet [32 ]. Bei fehlender Hautreaktion wird die Therapie oft abgebrochen.
Auch in der vorliegenden Studie haben die Patienten mit sehr wenig oder fehlender
Hautreaktion (Grad 0 und 0 – 1) das schlechteste mediane Überleben, was für einen
Zusammenhang der Wirkung auf die Tumorerkrankung mit der Hautreaktion spricht. Der
epidermale Wachstumsfaktor (EGF) spielt für die Physiologie von Haut, Schleimhäuten
und Haaren eine große Rolle, die genauen Mechanismen und die Ursache für die stark
unterschiedliche Ausprägung des Rash bei Patienten unter Erlotinib ist jedoch weiterhin
unklar.
In unserem Kollektiv haben die Patienten mit mittelgradigem Rash das beste Gesamtüberleben.
Entgegen den Literaturdaten zeigen die Patienten mit stark ausgeprägtem Rash in der
vorliegenden Arbeit ein schlechteres Überleben als diejenigen mit mittelgradig ausgeprägtem
Rash.
Ursächlich für diese erstmals gemachte Beobachtung könnte eine bei starker Hautreaktion
häufig notwendige Dosisreduktion oder Therapiepause sein. Hierdurch kommt es möglicherweise
zu einer verringerten Wirksamkeit des Medikaments und somit zu schlechteren Überlebenszeiten
der Patienten. In seltenen Fällen zwingt der intensive Rash auch zum Absetzen des
TKI nach kurzer Behandlungsdauer, so dass die Behandlungszeit für ein Therapieansprechen
nicht ausreicht.
Häufig ist ausgeprägter Rash auch mit starken Diarrhoen vergesellschaftet, was bei
vorbestehender Komorbidität auch zu Komplikationen und erhöhter Sterblichkeit führen
kann.
Die Ausprägung des Rash weist geschlechtsspezifische Unterschiede auf und ist mit
einer unterschiedlichen Prognose assoziiert. Die Annahme, dass ausgeprägter Rash (Grad
3) ein günstiges Prognosekriterium ist, gilt insbesondere für Männer nicht. Trotz
deutlich häufiger ausgeprägtem Rash haben sie eine schlechtere Prognose als Frauen
in der untersuchten Kohorte. Möglicherweise spielt die mangelnde Therapieadhärenz
der Patienten, auch aufgrund der oralen Präparation, eine zusätzliche Rolle.
Zu diskutieren wäre eine unterschiedliche Verstoffwechselung des Erlotinib über die
Leber mit resultierenden höheren Plasmaspiegeln bei Männern.
Die Ursache und die klinische Relevanz für den bei Männern häufig stärker ausgeprägten
Rash sollte in prospektiven Studien weiter untersucht werden.
Niedrigere Plasmaspiegel für Erlotinib können für aktive Raucher angenommen werden,
die in unserem Patientenkollektiv deutlich seltener einen Rash Grad 2, 2 – 3 oder
3 ausgebildet haben. In einem kleinen Kollektiv von 32 Patienten konnte dies von Hamilton
et al. bestätigt werden [28 ].
Bisher ist eine prospektive Studie mit Messung der Plasmaspiegel von Erlotinib aufgelegt
(Current S Studie der Fa. Roche), mit der Zielsetzung, einen Unterschied der Prognose
bei Rauchern und Nichtrauchern nachzuweisen und durch Dosisadaption auszugleichen.
Die Bedeutung des Ernährungsstatus für das Überleben von Patienten unter TKI wurde
bisher nicht untersucht. Pirlich et al. fanden in einer großen Multicenterstudie,
dass in deutschen Krankenhäusern bereits bei Aufnahme 27,4 % der Patienten mangelernährt
sind. Besonders gefährdet sind Patienten über 60 Jahre, Patienten mit Malignomen sowie
Patienten mit Mehrfacherkrankungen [31 ]. Nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Gesamtprognose der Patienten mit
Mangelernährung ist signifikant eingeschränkt, und zwar unabhängig von der Art und
Behandlung der malignen Erkrankung [25 ].
In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass der Ernährungsstatus für Patienten
mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom unter Therapie mit TKI eine wesentliche Rolle
spielt. Mangelernährte Patienten mit einem BMI < 18 weisen das schlechteste Gesamtüberleben
unter Erlotinib auf. Völlig neu ist jedoch die Erkenntnis, dass Patienten mit starkem
Übergewicht (BMI > 30) eine fast ebenso schlechte Prognose zeigen wie die unterernährten
Patienten. Hierzu existieren bisher keinerlei Daten in der Literatur. Möglicherweise
spielt die Komorbidität dieser Patientengruppe mit der resultierenden erhöhten Mortalität
eine Rolle. Eventuell ist auch die häufig umfangreiche Komedikation mit Beeinflussung
der Resorption des TKI von Bedeutung.
In der vorliegenden Arbeit konnte erstmals gezeigt werden, dass Patienten mit niedrigem
BMI nicht häufiger starken Rash entwickeln als normalgewichtige Patienten. Auch ein
hoher BMI > 30 führt nicht dazu, dass häufiger stärker ausgeprägte Hautreaktionen
auftreten. Diese beiden Patientengruppen weisen gleichzeitig das schlechteste Überleben
auf, ohne dass hier ein geschlechtsspezifischer Unterschied zu erkennen wäre. Diese
erstmals erstellte Korrelation zwischen den klinischen Faktoren Rash und BMI zeigt,
dass beide Faktoren von großer prognostischer Bedeutung sind. Eine Dosisreduktion
kann bei niedrigem BMI nicht primär empfohlen werden.
Zu diskutieren ist, ob die Begleitmedikation oder die chemotherapeutische Vortherapie
der Patienten für die Ausprägung des Rash eine Rolle spielt. Alle unsere Patienten
hatten eine platinhaltige Chemotherapie in der Erstlinienbehandlung, kombiniert entweder
mit Pemetrexed oder Vinorelbine.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die bisher nicht untersuchten klinischen Faktoren
Rash unter TKI und Ernährungsstatus eine große Rolle für die Prognose der Patienten
spielen. Dabei ist der häufig bei Männern intensive Rash mit einer ungünstigeren Prognose
verbunden, ein reduzierter und adipöser Ernährungsstatus für Männer und Frauen ebenfalls.
Prospektive Studien zum Verständnis des Rash und der geschlechtsspezifischen Prognoseunterschiede
sowie zum Einfluss des Ernährungsstatus sind notwendig.