Aktuelle Dermatologie 2012; 38(03): 85-87
DOI: 10.1055/s-0031-1291558
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ektopeptidasen – Von der Forschung in die Klinik[*]

Ectopeptidases – from Research to Clinical Application

Authors

  • A. Thielitz

    1   Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
  • D. Reinhold

    2   Institut für Molekulare und Klinische Immunologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
  • M. Täger

    3   IMTM GmbH, Department Immunopharm, Magdeburg
  • U. Bank

    3   IMTM GmbH, Department Immunopharm, Magdeburg
  • S. Ansorge

    3   IMTM GmbH, Department Immunopharm, Magdeburg
  • H. Gollnick

    1   Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. Anja Thielitz
Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie
Otto-von-Guericke -Universität Magdeburg
Leipzigerstraße 44
39120 Magdeburg

Publication History

Publication Date:
09 January 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Kombinierte Aktivitätshemmung der Ektopeptidasen DP IV und APN führt zur Modulation zellulärer Funktionen von Immun- bzw. Hautzellen, die therapeutisch genutzt werden kann. Daraus wurde das Therapiekonzept der „Peptidase-targeted Immunoregulation“ (PETIR™) entwickelt und patentiert, das zur lokalen Behandlung der Psoriasis bereits geprüft wird; eine Phase-II-Studie bei Akne ist beantragt.


Abstract

Combined Inhibition of ectopeptidases DP IV and APN modulates functional activities in immune and skin cells, possibly representing a new target for therapy. On this basis the concept of “peptidase-targeted immunoregulation” (PETIR™) has been developed and patented, to be examined for local therapy in psoriasis; another phase II-study is presently considered for acne.


Einleitung

In der Regulation von Wachstums- und Differenzierungsprozessen verschiedener Organe spielen Ektopeptidasen ([Abb. 1]) eine entscheidende Rolle, so vor allem im Darm, den Lymphozyten und in den Hautzellen [1]. Die Ektopeptidasen Dipeptidylpeptidase IV (DP IV/CD26) und Aminopeptidase N (APN/CD13) zeigen eine vom Aktivierungszustand verschiedener Zelltypen abhängige Expression und sind in die Regulation der Proliferation und Zytokinproduktion aktivierter Immunzellen einbezogen ([Abb. 1]). Damit kommen sie als Zielstruktur für die therapeutische Modulation entzündlicher Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen infrage.

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Abb. 1 Schematische Struktur der DP IV und APN.

Ektopeptidasen: Zur Therapie von Hauterkrankungen

Die im Vortrag wiedergegebene zusammenfassende Übersicht vorangegangener Arbeiten spiegelt die Ergebnisse wider, die die Expression und Funktion dieser beiden Enzyme einschließlich ihrer in den letzten Jahren neu entdeckten Strukturhomologe auf Keratinozyten, Sebozyten und Fibroblasten der Haut betreffen. Eine Evaluation dieser Ektopeptidasen als mögliche therapeutische Targets zur Behandlung von häufigen und bisher oft nur unbefriedigend therapierbaren Hauterkrankungen wird diskutiert. Als typische dermatologische Krankheitsbilder, die mit einer veränderten Proliferation und Differenzierung sowie Aktivierung dieser Zellen einhergehen, standen hier im Wesentlichen die Akne [2], Keloide [3] sowie chronisch-entzündliche Dermatosen wie die Psoriasis [1] [4] im Fokus unserer Untersuchungen.

Die erhobenen Daten demonstrieren im Besonderen, dass die DP IV und APN sowie ihre strukturverwandten Enzyme differenziell auf o. g. Hautzellen exprimiert werden und dass Inhibitoren dieser Ektopeptidasen tiefgreifend in basale zelluläre Funktionen dieser Zellen wie Proliferation, Differenzierung und inflammatorische Prozesse eingreifen können. Die Hemmung der Aktivität dieser Aminopeptidasen repräsentiert somit ein neues, innovatives Therapieprinzip, welches offenbar partiell die Potenz hat, den pathologischen Zustand selektiver zu modulieren als unerwünscht den Normalzustand.

Bisher lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit sagen, welche der strukturverwandten anderen Enzyme der DP IV- und APN-Familie an der Modulation der zellulären Funktionen mitbeteiligt sind. Als alternative Targets sind hier insbesondere die intrazellulär gelegenen Enzyme Dipeptidylpeptidase-8 und -9 (DP8/9) sowie die zytosolische Alanyl-Aminopeptidase (cAAP) zu berücksichtigen. Nach bisherigen Ergebnissen kristallisiert sich die Erkenntnis heraus, dass die Hemmung zumindest der DP IV-Enzymaktivität kein entscheidender Faktor ist, wohl aber die Interaktion mit einer zweiten Bindungsstelle, der „central pore binding site“ [5], die für die zelluläre DP IV nachgewiesen werden konnte. Es deutet darüber hinaus vieles darauf hin, dass diese Fragen für jeden untersuchten Zelltyp unterschiedlich beantwortet werden müssen.

Die in dieser Arbeit erhobenen Daten zur Beeinflussung verschiedener dermatologischer Krankheitsbilder und der dafür relevanten Zelltypen in vitro und in vivo durch Ektopeptidaseinhibitoren werden im Folgenden tabellarisch zusammengefasst ([Tab. 1] und [Tab. 2]).

Tab. 1

Charakteristika von DP IV und APN, die für eine Ko-Funktionalität sprechen.

Merkmal

DP IV/CD26

APN/CD13

Expressionsmuster

aktivierte T- + B-Lymphozyten, aktivierte NK-Zellen, Keratinozyten, Fibroblasten, Sebozyten;
in vivo hoch in Niere, Leber und Darm

aktivierte T-Lymphozyten, Monozyten, Endothelzellen, Keratinozyten, Sebozyten, Fibroblasten;
in vivo hoch in Niere, Leber und Darm und Zellen der myeloischen Reihe

Subzelluläre Lokalisation

Typ-II-Transmembranprotein

Typ-II-Transmembranprotein

Substratspezifität

x-Pro-↓X-X-X-....

X-↓ X-↓ X-↓X-Pro....

Potenzielle Substrate

Peptidhormone, Neuropeptide, Chemokine, Zytokine

Peptidhormone, Neuropeptide, Chemokine, Zytokine

Zelluläre Effekte von Liganden/Inhibitoren

Hemmung der DNA-Synthese

Hemmung der DNA-Synthese

Hemmung der Produktion proinflammatorischer Enzyme

Hemmung der Produktion proinflammatorischer Enzyme

Induktion der TGF-β1-Produktion

Induktion der TGF-β1-Produktion

Wirkung möglicherweise über enzymabhängige und -unabhängige Mechanismen

Signaltransduktion

P38-MAP-Kinase p38, Ras MEK 1/2, Akt/mTOR, Scr Kinase p56 ICK

Wnt 5a, GSK-3β, MAP-Kinasen Erk1/Erk2, β-catenin

Tab. 2

Effekte der Inhibitoren der DP IV- und APN-Aktivität auf Hautzellen im Hinblick auf die Nutzung als therapeutisches Target [1] [2] [3] [4].

Proliferation

Zytokine

Andere Funktionen

Tiermodelle

Therapie-Relevanz für

SZ 95-Sebozyten

↓↓

IL-1RA↑ (Protein/mRNA)
IL-6, IL-8 ↓

Lipidproduktion, Differenzierung

Hamster
Flanken
Organgröße ↓

Akne

Keratinozyten
(HaCaT, primäre Keratinozyten)

↓↓

IL-1RA↑ (Protein/mRNA)
IL-6, IL-8 ↓

Toll-like-Rezeptor-2/4-Expression ↓

Mausschwanz: Differenzierung ↑

Akne, Psoriasis

P. acnes-stimulierte T-Zellen

↓↓↓

IL-2 ↓
TGF-β1

Akne

Fibroblasten (normale Haut- und Keloidfibroblasten)

TGF-β1 ↓↓

Kollagen- und Matrix-Produktion,
Matrix-Metalloproteasen-Expression,
MAP-Kinase signalling

Mausmodell der dermalen Hautfibrose: Dermisdicke ↓
α-smooth muscle actin Expression ↓

Fibrose, Keloide, Vernarbung


Ausblick

Insgesamt zeigt sich, dass die kombinierte Hemmung der DP IV- und APN-Enzymaktivitäten synergistische sowie komplementäre Effekte auf die therapeutische Modulation der zellulären Funktionen von Immun- bzw. Hautzellen bewirkt, was letzlich zur Entwicklung eines neuen, inzwischen patentierten Therapieprinzips namens „Peptidase-targeted Immunoregulation“ (PETIR™) führte ([Abb. 2]). Dieses zielt unter anderem auf die Wiederherstellung des immunologischen Gleichgewichtes durch parallele Hemmung der T-Zellaktivierung und Induktion immunosuppressiver Mechanismen ab, wie z. B. die Produktion von TGF-β1 und die Aktivierung regulatorischer T-Zellen. Diese Effekte konnten auch von anderen Arbeitsgruppen in verschiedenen T-Zell-basierten Tiermodellen, wie der Experimentellen Autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) sowie einem Xenotransplantationsmodell der Psoriasis, dem AGR-129 Modell, eindrucksvoll bestätigt werden.

Auf der Grundlage dieser präklinischen Arbeiten läuft derzeit, nach erfolgreichem Abschluss der Phase-I-Studie für die topische Applikation des ersten entwickelten dualen PETIR™-Inhibitors IP10.C8 im Jahre 2008, eine Phase-II-Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00824980) für die topische Psoriasistherapie; eine weitere Phase-II-Studie für die Indikation Akne ist beantragt.

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Abb. 2 Mögliche Angriffspunkte von PETIR™ in der Aknetherapie.


* Nach einem Vortrag gehalten in der wissenschaftlichen Sitzung anlässlich des 75. Geburtstags von Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. C. E. Orfanos, 11. Jahressymposion der Berliner Stiftung für Dermatologie am 2. 7. 2011 in Berlin.



Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. Anja Thielitz
Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie
Otto-von-Guericke -Universität Magdeburg
Leipzigerstraße 44
39120 Magdeburg


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Abb. 1 Schematische Struktur der DP IV und APN.
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Abb. 2 Mögliche Angriffspunkte von PETIR™ in der Aknetherapie.