Z Geburtshilfe Neonatol 2011; 215(06): 223-229
DOI: 10.1055/s-0031-1287860
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die zivilrechtliche Haftung des Geburtshelfers

The Civil Liability of Obstetricians
R. Uphoff
1   Kanzlei für Geburtsschadensrecht und Arzthaftung, Bonn
,
J. Hindemith
1   Kanzlei für Geburtsschadensrecht und Arzthaftung, Bonn
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Publication History

eingereicht 06 June 2011

angenommen nach Überarbeitung12 August 2011

Publication Date:
24 January 2012 (online)

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Zusammenfassung

Die Zahl der geburtsassoziierten mütterlichen und kindlichen Todesfälle hat heute in Deutschland einen historischen Tiefststand erreicht. Dennoch hat die Zahl der aus Geburtskomplikationen herrührenden Schadensersatzklagen kontinuierlich zugenommen. Es werden Gründe analysiert, die dieses auf den ersten Blick paradoxe Phänomen erklären können. Der derzeitige Stand der Rechtsprechung zum Geburtsschadenrecht wird in den Grundzügen dargestellt. Es wird das rechtliche Instrumentarium vorgestellt, dessen sich die Gerichte bei der Entscheidung über Geburtsschadenfälle bedienen. Das Zusammenspiel der Haftungsgründe wird anhand 5 häufiger vorkommender kritischer geburtshilflicher Situationen (intrauterine Asphyxie, vorzeitiger Blasensprung, Frühgeburtsgefahr, intrauterine Wachstumsreduktion, Geburt eines deprimierten Kindes) aufgezeigt. Aus der Analyse gerichtlicher Entscheidungen zu den Haftungsfragen, die aus einem objektiven Fehlschlag des geburtshilflichen Managements in kritischen Situationen resultieren, lassen sich 4 generell geltende Erfahrungsregeln ableiten, deren Beachtung die Zahl von Patientenklagen deutlich senken könnte. Die Funktion der zivilrechtlichen Rechtsprechung als einer notwendigen Kontrollinstanz wird positiv gewürdigt.

Abstract

The number of maternal and child deaths associated with delivery in Germany has reached a historically low level. Even so, the number of claims for damages arising from birth complications is continuously increasing. The reasons for this apparent paradox are analysed in the present contribution. Basic principles of the present situation concerning legal precedents with regard to birth damages are illustrated. The legal instrumentarium which the courts use to reach their decisions is presented. The interactions of the reasons for liability are demonstrated for the five most frequently occurring critical obstetric situations (intrauterine asphyxia, premature amniorrhexis, danger of premature birth, intrauterine growth retardation, birth of a depressed child).From an analysis of court decisions on liability questions that result from an objective failure of obstetric management in critical situations, four general empirical rules can be derived and observation of these rules could markedly reduce the number of patient claims. The function of civil court rulings as a necessary control instance is positively accepted.