Dialyse aktuell 2011; 15(07): 372
DOI: 10.1055/s-0031-1287708
Magazin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommunikationsserie Teil 4 – Werkzeuge zur Konfliktbearbeitung

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Korrespondenz

Michael Baur
Coaching-Training-Beratung
Wacholderweg 4
89180 Berghülen

Publication History

Publication Date:
06 September 2011 (online)

 
 

Wir haben in den ersten 3 Folgen dieser kleinen Reihe schon einige Erkenntnisse festgehalten, die uns zu einer entspannteren und konstruktiveren Kommunikation verhelfen können. Zuletzt haben wir erkannt, dass die Formulierung der eigenen Gefühle hilfreich für die Verständigung – insbesondere im Konfliktfall – sein kann.

Gefühle und Bedürfnisse

Warum spielen Gefühle und ihre Beschreibung eine so große Rolle in der Kommunikation? Warum haben sie bei der Konfliktprävention und -bearbeitung ein so großes Gewicht? "Die Gefühle sind die Kinder der Bedürfnisse" sagt der berühmte Psychologe Marshall B. Rosenberg und umschreibt damit einen der wichtigsten Zusammenhänge in der Kommunikationspsychologie. Erfüllte Bedürfnisse erzeugen positive, unerfüllte Bedürfnisse negative Gefühle. Und diese Gefühle beeinflussen unsere Kommunikation. Also ist es nur logisch, dass wir sie durchforsten und formulieren sollten, wenn wir uns unwohl oder unsicher fühlen. Äußerungen einer Person zu ihren Gefühlen bezeichnet man als "Ich-Botschaften". Sie lassen sich leicht erlernen, denn sie umfassen 3 klar definierte Schritte:

  • Ich sage, was ich wahrnehme (ohne es zu bewerten!).

  • Ich sage, wie ich mich dabei fühle.

  • Ich sage, was das für mich bedeutet.


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Mit "Ich-Botschaften" eigene Gefühle offenbaren

Ein Beispiel:

Herr S. ist genervt, weil Frau M. die Bürotür oft zuknallt. Er spricht sie an:

  • alltägliche Version: "Frau M., knallen Sie doch die Tür nicht immer so zu, das nervt!"

  • Ich-Botschaft: "Frau M., wenn die Tür knallt, erschrecke ich mich jedes Mal und kann mich danach gar nicht richtig konzentrieren."

Was meinen Sie, bei welcher Variante die Wahrscheinlichkeit für eine aggressive Auseinandersetzung geringer ist?

Ich-Botschaften haben 3 Vorteile: Durch die Selbstoffenbarung erzeugen sie in der Regel positive Reaktionen. Sie unterbrechen den Teufelskreis des "Sich-einander-die-Dinge-Vorwerfens", da sie an das soziale Gefühl des Empfängers appellieren. Und sie erlauben es dem Sender, kritische Äußerungen in einer wertschätzenden Weise zu formulieren.

Die Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Ich-Botschaften ist das Bewusstmachen und Formulieren der eigenen Gefühle. Schon die dafür notwendige Selbstreflexion hemmt unkontrollierte Aggressionen. Aber Vorsicht: Ein "Ich finde, dass …" am Satzanfang macht noch keine Ich-Botschaft! "Ich finde, Sie sollten die Tür nicht immer so knallen" enthält kein eigenes Gefühl. Deshalb wäre diese Formulierung untauglich für eine konfliktarme Lösung der Situation.


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Aktives Zuhören hilft bei Konflikten

Ein weiteres wichtiges Werkzeug zur besseren Verständigung ist das "Aktive Zuhören" (AZ). Wie die Ich-Botschaft wurde das AZ von dem amerikanischen Psychologen Thomas Gordon beschrieben. Dabei formuliert der Angesprochene die Gefühle des anderen, so wie er sie wahrnimmt. Er formuliert also stellvertretend dessen Ich-Botschaft. Ein Beispiel:

Walter: "Mensch Klaus, wo hast Du den schon wieder die Handschuhe hingeräumt?" Klaus könnte nun antworten: "Schau halt genau hin, dann findest Du sie schon. Ich hab’ sie jedenfalls nicht gefressen." Eine längere Auseinandersetzung mit entsprechenden Folgen könnte sich entwickeln.

Im Sinne des AZ könnte Klaus’ Antwort lauten: "Du bist gerade ganz schön sauer, weil Du glaubst, ich hätte die Handschuhe verschlampt." Im Gegensatz zur ersten Variante findet hier kein "Gegenangriff" statt, sondern Klaus regt Walter dazu an, seine Gefühle (und Bedürfnisse) zu formulieren, sodass die Diskussion konstruktiv weitergeführt werden kann.

Ein weiteres Beispiel:

Birgit zu Anna: "Was? Das soll ich alles bis heute Abend schaffen?" Statt mit einem "Stell Dich nicht so an" oder Ähnlichem zu reagieren, könnte Anna antworten: "Ich habe den Eindruck, du fühlst dich gerade überfordert." Das gibt Birgit die Chance, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu erforschen und zu sagen, was sie jetzt braucht.

Das AZ gibt beiden Gesprächspartnern die Möglichkeit, ihre Gefühle zu formulieren und dadurch ihre Bedürfnisse (z. B. nach Hilfe, Trost, Unterstützung etc.) deutlich zu machen. So können sie in einer konstruktiven Atmosphäre klären, was sie aus der Situation machen wollen.

Auch in Diskussionen sollte man das AZ nutzen. Hier genügt es, zuerst die Äußerung des Vorredners zu wiederholen und erst dann die eigenen Argumente vorzubringen. So vermeidet man lautstarkes Durcheinanderreden und erzeugt ein Gesprächsklima, das von gegenseitiger Wertschätzung getragen ist. Besonders in Polit-Talkshows im Fernsehen wäre AZ oft sehr hilfreich. Achten Sie mal darauf.

Noch etwas Wichtiges: AZ heißt in erster Linie "zuhören"! Denn ohne gutes Zuhören gelingt es kaum, die Gefühle und Bedürfnisse des anderen zu erkennen. Also: Erstmal Ohren auf und Mund zu, dann aktiv werden.

Gelegentlich höre ich von Seminarteilnehmern: "Das klingt aber komisch, wenn ich immer so rede. Da halten mich die anderen ja für verrückt." Ich verstehe diesen Einwand. Es ist (vor allem für einen selbst) erst einmal gewöhnungsbedürftig, Sätze wie "Ich fühle mich jetzt gerade …" oder Ähnliches zu sagen. Meine Erfahrung ist, dass sich bei einer regelmäßigen Anwendung alle Beteiligten schnell daran gewöhnen. Und der Nutzen dieser Art von Kommunikation ist so stark, dass es bald weh tut, wenn es einmal anders läuft. Außerdem muss man ja nicht "immer" Ich-Botschaften senden oder AZ praktizieren. Man sollte nur wissen, wie es geht, wenn man es braucht.


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Michael Baur
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