Rund ein Viertel aller Diabetespatienten entwickelt eine schmerzhafte DPNP. Die vorrangige
Ursache für die Neuropathie ist eine Hyperglykämie aufgrund der unzureichenden Einstellung
der Glukosespiegel. Eine DPNP ist keineswegs nur als Spätkomplikation des Diabetes
mellitus aufzufassen, sondern kann sich bereits im Stadium einer gestörten Glukosetoleranz
manifestieren, so Prof. Dr. Jochen Seufert, Freiburg. Das klinische Erscheinungsbild
der DPNP weist sowohl negative Symptome auf, wie sensorische Defizite, als auch positive
Symptome, insbesondere Spontanschmerzen, Parästhesien, Dysästhesien und evozierte
Schmerzen. Die häufigste Manifestationsform ist die distal-symmetrische Polyneuropathie.
Der niedergelassene Arzt kann eine DPNP mithilfe einfacher Testverfahren diagnostizieren.
Nach den Empfehlungen der Praxisleitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG)
sollten Diabetiker einmal im Jahr einem entsprechenden Screening unterzogen werden
[1]. Dabei werden mittels einfacher Testverfahren Schmerz-, Berührungs-, Druck-, Temperatur-
und Vibrationsempfindung sowie die Muskeleigenreflexe untersucht. Liegt bereits eine
manifeste Neuropathie vor, so sollten diese Tests zur Verlaufskontrolle in 6-monatigen
Abständen durchgeführt werden.
Ein einfaches, validiertes Screening-Werkzeug zur Detektion neuropathischer Schmerzen
sei der Schmerzfragebogen PainDetect®, sagte Seufert. Der Fragebogen erleichtert es
dem behandelnden Arzt, eine neuropathische Komponente zu erkennen und eine adäquate
Behandlung einzuleiten. Häufig unterschätzt werden die Prävalenz und die Auswirkungen
der psychischen Komorbiditäten der DPNP, hob Seufert hervor. Depressionen, Angsterkrankungen
und schmerzbedingte Schlafstörungen seien besonders häufig mit einer schmerzhaften
DPNP assoziiert und könnten die Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigen.
Pregabalin: schnelle und anhaltende Wirkung
Der erste Schritt im Management der schmerzhaften DPNP ist eine Optimierung der Blutzuckerwerte.
Alleine reicht diese Maßnahme jedoch nicht aus. Einen hohen Stellenwert in der multimodalen
Therapie der DPNP und der damit assoziierten psychiatrischen Komorbiditäten habe Pregabalin
(Lyrica®), so Seufert. Die Substanz bindet an die α2-δ-Untereinheit des spannungsabhängigen
Kalziumkanals und hemmt die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter wie Glutamat,
Substanz P und Noradrenalin. Dieser Wirkmechanismus sei die Basis für die analgetische,
anxiolytische und antikonvulsive Wirkung, erläuterte Seufert. Sowohl die Linderung
der neuropathischen Schmerzen als auch die Verbesserung der schmerzbedingten Schlafstörungen
treten schon innerhalb der ersten Woche nach Behandlungsbeginn auf (Abb. [1]) [2], [3].
Abb. 1 Verbesserung der Schmerzen und Schlafstörungen bei DPNP (nach [2]
).
Weitere klinisch relevante Vorteile von Pregabalin seien die gute Verträglichkeit
und das günstige pharmakokinetische Profil. Der Wirkstoff bindet nicht an Proteine,
wird nahezu vollständig unverändert renal eliminiert und hat nur ein geringes Potenzial
für Arzneimittelinteraktionen [4]. Die Therapie sollte mit einer Tagesdosis von 150 mg begonnen werden. Abhängig vom
individuellen Ansprechen kann die Dosis schon nach 3−7 Tagen auf 300 mg/d und bei
Bedarf nach weiteren 7 Tagen auf die Höchstdosis von 600 mg/d erhöht werden [4].
Schmerztherapie bei DPNP noch nicht optimal geregelt
Prof. Dr. Dan Ziegler, Düsseldorf, wies darauf hin, dass für die spezifische Therapie
der Schmerzen im Rahmen einer DPNP nicht jedes Schmerzmittel verwendet werden könne
– auch wenn die diversen Leitlinien hier keine konsistenten Empfehlungen abgeben.
Um Licht in diesen "Leitliniendschungel" zu bringen, wäre eine Synchronisierung der
verschiedenen Leitlinienaktivitäten erforderlich. Ansonsten wäre die Umsetzung in
die Praxis schwierig. Eine solche Homogenisierung könnte die Situation der betroffenen
Patienten nachhaltig verbessern, betonte der Experte. Die neue, noch als Konsultationsfassung
vorliegende Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) "Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter"
[5] versucht, sich bei ihren Therapieempfehlungen einerseits an der derzeitig verfügbaren
wissenschaftlichen Evidenz zu orientieren und stellt andererseits vor allem aber einen
Konsensus verschiedener Fachgesellschaften auf breitem Level dar.
Abdol A. Ameri, Weidenstetten
Quelle: Satellitensymposium "Der Patient mit Diabetes: von A wie Auge bis Z wie Zehe"
im Rahmen der 46. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) am 1. Juni
2011 in Leipzig. Der Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch Pfizer.
Der Autor ist freier Journalist.