Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2011; 18(04): 198-199
DOI: 10.1055/s-0031-1285959
DFR-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erfahrungsbericht – Reisemedizinische Exkursion nach Ecuador

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Publication Date:
15 August 2011 (online)

 
 

Hausärztliche Tätigkeit und Reisemedizin – eigentlich eine glückliche Symbiose. Nach mehreren Jahren hausärztlicher Tätigkeit mit immer häufiger werdenden reisemedizinischen Beratungen und Impfgesprächen war mein Interesse für die Reisemedizin endgültig geweckt und die Notwendigkeit einer zusätzlichen Qualifikation erkannt. Nach diversen Fortbildungen und Erlangen des Fachzertifikats der DFR habe ich 2008 erstmalig an einer Studienreise der DFR nach Indien teilgenommen. Der Benefit dieser Reise für mich persönlich und für die Qualität der Beratungsarbeit in der Praxis war außerordentlich und ich wurde zum Wiederholungstäter: Ecuador.

Am Morgen des 11.06.2011

starteten die Teilnehmer/innen von unterschiedlichen Orten Deutschlands nach Madrid, dort trafen die 15-köpfige Gruppe und der Exkursionsleiter Ulrich Klinsing erstmals zusammen. Der Flug nach Quito (Flugzeit 11 Std.) erfolgte gemeinsam. Nach der Ankunft in Quito (–7 Std.) wurden wir von unserem lokalen Reiseführer, Buchautor und Fotograf Alois Speck empfangen. Alois begleitete uns sehr kompetent den Großteil der Reise. Im Swisshotel erfolgte abends die erste "Kennenlernrunde". Eine bunte Mischung von Allgemeinmedizinern, Internisten, Arbeitsmedizinern, Kinderärzten und Tropenmedizinern im Alter von Anfang 30 bis Ende 60 aus ganz Deutschland hatte sich zu dieser Fortbildungsreise zusammengefunden. Verbindendes Element war das Interesse an der Reisemedizin.


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12.06.2011

Da Quito auf 2800 m liegt, machten einige der Teilnehmer in der Nacht erste Bekanntschaft mit Höhenproblemen wie Kopfschmerz und Atemnot. Vormittags dann sonntägliche Besichtigungstour zu Fuß durch die sehenswerte Altstadt und später der Besuch eines skurrilen Museums direkt auf dem Äquator. Dieser Tag half bei der Höhenakklimatisation.

Begleitet wurden wir von einer Praktikantin von "weltwärts" (einem Programm des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für ehrenamtliche Tätigkeit in Entwicklungsländern), die uns einen äußerst interessanten Einblick in ihre aus reisemedizinischer Sicht teilweise kritisch zu bewertenden Erlebnisse in Ecuador bot. Abends erfolgte die erste theoretische Fortbildung. Die medizinische Aufarbeitung der Tagesereignisse und die Diskussion aller möglichen mit der Exkursion zusammenhängenden reisemedizinischen Themen sollten uns bis zum Ende unserer Reise täglich mit erbarmungsloser Konsequenz begleiten.

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Abb. 1 Einführungswanderung zur Akklimatisation in 4000 m. (Alle Bilder: Thilo Wirth)

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13.06.2011

Nach der Führung durch die Praxis des ecuadorianischen Arztes Dr. Wilson Pancho begleitet uns dieser beim Besuch eines staatlichen (Eugenio Espejo) und eines privaten Krankenhauses (Metropolitano) in Quito. Die medizinische Leistungsfähigkeit, welche uns dort demonstriert wurde, war auch im staatlichen Krankenhaus erstaunlich hoch, wobei für die Behandlung von Touristen doch nur das Metropolitano zu empfehlen ist.


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14.06.2011

Am Vormittag Besuch einer Augenklinik in Yaruqui, wo wir im Beisein von Dr. Martin Ruppenthal, Leiter der Christoffel-Blindenmission (CBM) für Lateinamerika, in das mit deutscher Unterstützung aufgebaute Projekt eingeführt wurden. Ab hier wurde die Reiseleitung für die 2 Bergtage vom schweiz-ecuadorianischen Bergführer Charly Egglof übernommen. Mit dem Bus ging es dann weiter in den Nationalpark Cotopaxi mit Abendwanderung und Übernachtung in der Hosteria Tambopaxi, die auf circa 3800 m liegt. Hier zeigte sich, dass einige Teilnehmer bezüglich der Höhe doch schon an ihre Grenzen stießen und dementsprechend nicht alle eine gute Nacht im ansonsten komfortablen Massenlager verbrachten.


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15.06.2011

Der Großteil der Gruppe fuhr mit Charly auf den Parkplatz am Cotopaxi (4500 m). Von hier schaffte es eine kleine Gruppe bei extrem schlechten Wetterverhältnissen bis zum Gletscher auf knapp über 5000 m. Am späten Nachmittag fährt die erschöpfte Gruppe nach Papallacta, das bekannt für seine Thermalbäder ist. Dort konnten sich alle am späten Abend in -einer sehenswerten Anlage mit Thermalbad vor jedem Holzbungalow angenehm entspannen. Für alle Teilnehmer ein Tag der Grenzerfahrung.


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16.06.2011

Nach frühem Aufstehen (normalerweise 6 Uhr), und kurzem Thermalbad vor dem Frühstück Überlandfahrt von Papallacta nach Tena. In der Nähe von Tena wurden wir kurz vor Sonnenuntergang auf dem Rio Arajuno mit Langbooten zur Liana Lodge gefahren.

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Abb. 2 Gegrillte Meerschweinchen.
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Abb. 3 Klinik für Infektiologie im tropischen Guayaquil.
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Abb. 4 Wanderung zur Heilpflanzensuche im Regenwald.

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17.06.2011

Eindrückliche Wanderung mit 2 Kichwa-Indianern als Führer durch den Regenwald, inklusive "Ameisenverkostung". An diesem Tag haben wir Vieles über die ökologischen Zusammenhänge und die Heilmittel des Regenwaldes kennen gelernt. Anschließend Besuch der Wildtierauffangstation AmaZOOnico, ein Arbeitsplatz auch für europäische Volontäre. Abends interessante Begegnung mit einem Schamanen in der Lodge und lange Diskussion über diese Behandlungsweise.


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18.06.2011

Fahrt ins Andenhochland. In Shell Besuch einer Urwaldklinik (Voz Andes), in der auch europäische Touristen und die Volontäre des AmaZOOnico behandelt werden. Anschließend Besuch einer Flugrettungsbasis der Mission Aviation Fellowship (MAF). Hier gab uns Captain Chad Irwin bereitwillig Auskunft über die verschiedenen Rettungsflugzeuge. Spätnachmittags Ankunft in Banos. Die ist für viele Extremsportler das Mekka in Lateinamerika. Vor Bezug des Hotels mühevoller aber lohnender Abstieg am Wasserfall, anschließend abenteuerliche Seilbahnfahrt im Hängekorb (wieder ein neues Verkehrsmittel).


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19.06.2011

Besuch eines Öko-Tourismus-Projekts in den Anden in der Nähe von Ambato auf 4500 m, das von den Dorfbewohnern gemeinschaftlich durchgeführt und unter anderem von der GIZ betreut wird. Außerordentlich herzliche Aufnahme durch die Dorfbewohner mit Verköstigung, Hygienebedenken wurden zurückgestellt… Wir waren die erste Reisegruppe, der das Tourismusprojekt vorgestellt wurde. Bei der Weiterfahrt begleitete uns ungewöhnlicher Schneefall auf dem Weg nach Riobamba.


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20.06.2011

Am Morgen Besuch des Hospital Andino, ein von einem deutschen Arzt mitbegründetem Modellprojekt, in dem Schulmedizin, Homöopathie und Andenmedizin in einer Klinik angeboten wird. Anschließend jäher Klimawechsel auf der Fahrt ins tropische Guayaquil. Dort Besuch der Klinik für Infektiologie. Sehr lehrreiche Visite mit dem Chefarzt der Klinik (früherer Gesundheitsminister Ecuadors), der uns viele tropische und infektiologische Krankheitsbilder am Patienten näher brachte. Der Kollege war sehr interessiert an der präventiven Seite unserer reisemedizinischen Tätigkeit.


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21. bis 24.06.2011

Flug von Guayaquil nach Baltra auf den Galapagos-Inseln. Dort wurden wir von unserer deutschstämmigen Naturführerin Angelicá Jahnel empfangen und zu unserem Schiff M/Y Tip Top IV gebracht. Neben der Darwinstation und einer Tauchbasis (kein Tauchtauglichkeitszeugnis, lediglich eine Selbstauskunft erforderlich!) wurden wir in Puerto Ayora in den Betrieb einer Dekompressionskammer anhand verschiedener Navy-Tabellen eingeführt.

Unter Angelicás kompetenter Führung erhielten wir vielfältige Einblicke in die geologischen Besonderheiten der Inseln und deren Tierwelt. Beim Schnorcheln mit Schildkröten, Rochen und Seelöwen hatten einige von uns erstmalig Kontakt zur Unterwasserwelt. Auf den Inselwanderungen lernten wir die Schwierigkeiten eines unwegsamen Geländes und einer sengenden Sonne am Äquator hautnah kennen.

Dann auf den Rückflügen ausgiebige Möglichkeit zur Selbsterfahrung: Flugverspätung, eingeschränkte Versorgung durch die Fluggesellschaft, Flugumleitungen, hektisches Umsteigen unter Zeitdruck und verschwundenes Gepäck. Letztendlich glücklich Ankunft am Heimatflughafen. Und 3 Tage später war das Reisgepäck dann auch zu Hause.


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Resümee

Meine Erwartungen wurden auch bei dieser physisch anstrengenden Reise vollends erfüllt. Mit ausschließlich kompetenten Führern habe ich für mich viel Neues entdeckt. Wir haben außerordentlich vielschichtige Einblicke in das Gesundheitssystem in Ecuador bekommen. Viele unserer Erfahrungen sind auch über das Zielland Ecuador hinaus für unsere reisenden Patienten informativ und hilfreich. Sie tragen zu einer Verbesserung der Beratung bei. Für den reisemedizinischen Arbeitsalltag und die Qualität der Beratung ist der intensive Austausch innerhalb der Gruppe von großem Nutzen. Die noch reisemedizinisch jungen Kollegen haben von dem Know-how der Erfahrenen profitiert. Im Umkehrschluss war das kritische Hinterfragen des bisher Angewandten sicherlich lehrreich. Die täglichen Fortbildungen durch Ulli Klinsing waren wie immer sehr fundiert, einige Themen wurden auch von kompetenten Gruppenmitgliedern vorgestellt. Abschließend kann ich jeder/m reisemedizinisch interessierten Kollegin/Kollegen die Teilnahme an einer, besser noch an beiden, Studienexkursionen nur empfehlen.

Dr. Wolfgang Rütschlin, Rheinfelden


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Abb. 1 Einführungswanderung zur Akklimatisation in 4000 m. (Alle Bilder: Thilo Wirth)
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Abb. 2 Gegrillte Meerschweinchen.
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Abb. 3 Klinik für Infektiologie im tropischen Guayaquil.
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Abb. 4 Wanderung zur Heilpflanzensuche im Regenwald.