Gesundheitswesen 2012; 74(6): 358-370
DOI: 10.1055/s-0031-1280756
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ergebnisqualität in der Kinder-Jugend-Rehabilitation: Resultate eines Projekts zur Entwicklung eines Qualitätssicherungsverfahrens

Outcome Quality in Rehabilitation of Children and Adolescents: Results of Project Aiming at the Development of a Quality Assurance ProgrammeE. Farin1 , M. Gustke1 , T. Widera2 , S. Matthies3
  • 1Universitätsklinikum Freiburg i.Br., Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin
  • 2Deutsche Rentenversicherung Bund
  • 3Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek)
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Publication Date:
14 July 2011 (online)

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Zusammenfassung

Ziele: Berichtet wird von den Ergebnissen eines Projekts, welches von der Deutschen Rentenversicherung und den gesetzlichen Krankenkassen gemeinsam initiiert und in den Jahren 2009–2010 mit dem Ziel durchgeführt wurde, Instrumente und Verfahren zur Messung der Ergebnisqualität (einschließlich Patientenzufriedenheit) in Einrichtungen der stationären medizinischen Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln bzw. zusammenzustellen und anschließend zu erproben.

Methodik: Nach einer 6-monatigen Konzeptionsphase, in der das Instrumentarium mithilfe von Nutzwertanalysen, Experten-Konsensusverfahren, Befragungen von Einrichtungen sowie qualitativen (kognitiven Interviews) und quantitativen (psychometrischen Prüfungen) Vorstudien entwickelt wurde, fand in 23 Einrichtungen der Kinder-Jugend-Rehabilitation eine Datenerhebung statt, in der die Verfahren erstmalig eingesetzt wurden. Das Projekt wurde auf folgende 4 Hauptdiagnosen in der Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation beschränkt: Adipositas, Asthma bronchiale, Neurodermitis sowie ADHS unter Einschluss verwandter Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen mit Beginn in Kindheit und Jugend. Ab einem Alter von 12 Jahren wurden die Kinder bzw. Jugendlichen selbst befragt, stellvertretend für jüngere Kinder wurden die Eltern befragt. Es wurde entschieden, 7 Konstrukte zu erfassen, die als Indikatoren der Ergebnisqualität bzw. der Patientenzufriedenheit angesehen werden können: Generische und erkrankungsspezifische Lebensqualität, wahrgenommene Veränderung gesundheitlicher Beschwerden durch die Rehabilitation, Körperfunktionsparameter (z. B. Blutdruck), krankheitsbezogenes Selbstmanagement, Zufriedenheit der Kinder/Jugendlichen mit der Rehabilitation und Elternzufriedenheit.

Ergebnisse: Bezüglich der Lebensqualität und der indikationsspezifischen Körperfunktionsparameter Blutdruckwerte, Ergebnisse im Münchner Fitnesstest und spirometrische Lungenfunktionsmessungen wurden geringe bis mittelhohe Reha-Effekte erzielt. Was die indikationsspezifischen Körperfunktionsparameter Body Mass Index (BMI) und SCORAD-Hautscore (Scoring Atopic Dermatitis) sowie das krankheitsbezogene Selbstmanagement anbetrifft, konnten starke Effekte nachgewiesen werden. Man kann die Ergebnisse dahingehend zusammenfassen, dass die Rehabilitation in den Lebensqualitätsbereichen, in denen deutliche Beeinträchtigungen bestehen, in der Regel auch erkennbare Effekte erreicht wurden. Sowohl bei der Eltern- als auch bei der Rehabilitandenbefragung zeigte sich ein hohes Niveau der Zufriedenheit. Die Eltern der Rehabilitanden unter 12 Jahren bewerteten die Einrichtungen je nach Indikation im Mittel mit 1,6 bis 1,8; Rehabilitanden ab einem Alter von 12 Jahren benoteten die Einrichtungen im Mittel mit 2,0 (auf einer Skala von 1=sehr gut bis 5=sehr schlecht). Die Unterschiede zwischen den Einrichtungen fielen nach einer Risikoadjustierung gering aus, insbesondere bei der Ergebnisqualität.

Schlussfolgerungen: Die Stärken des entwickelten Verfahrens zur Messung der Ergebnisqualität bestehen darin, dass eine wissenschaftlich anspruchsvolle Qualitätsmessung realisiert wird (z. B. Kombination von indirekter und direkter Veränderungsmessung, mehrere methodische Zugänge der Ergebnismessung, breites Spektrum an analysierten Endpunkten, homogene Vergleichsgruppen, elaboriertes Risikoadjustierungsverfahren). Limitationen bestehen insbesondere bezüglich des recht hohen Aufwands und der nicht sehr hohen Teststärke für den Einrichtungsvergleich. Die Rehabilitationsträger beraten auf der Grundlage der Projektergebnisse die Routineumsetzung der vorgeschlagenen Qualitätssicherungsverfahren in die Kinder-Jugend-Rehabilitation sowie über konkrete Schritte zur Implementierung in den Versorgungsalltag.

Abstract

Objectives: This study reports on the results of a project that was initiated by the German pension fund and the statutory health insurers and conducted in 2009 to 2010 with the goal of developing, arranging and testing instruments for quality assurance for the outcome (including patient satisfaction) in inpatient medical rehabilitation centres for children and adolescents.

Method: After a 6-month concept phase in which instruments were developed using value benefit analyses, expert consensus procedures, surveys of centres, and qualitative (cognitive interviews) and quantitative (psychometric tests) pre-studies, data were collected in 23 child and adolescent rehabilitation centres using the instruments that had been developed. The project was limited to the following 4 main diagnoses: obesity, bronchial asthma, atopic eczema, and hyperkinetic disorders as well as related disorders (ICD: F90-F94). Children and adolescents over the age of 12 years were interviewed themselves, for younger children, the parents were interviewed. It was decided to include 7 constructs that can be considered as indicators of the quality of the outcome or of patient satisfaction: generic and disease-specific quality of life, perceived change in health, body function parameters (e. g., blood pressure), disease-related self-management, satisfaction of the children/adolescents with rehabilitation, and parent satisfaction.

Results: With respect to quality of life, blood pressure, Munich fitness test and lung function parameters, low to medium effects were achieved; with respect to body mass index, SCORAD score and disease-related self-management, the effects were strong. The results can be summarised to the effect that rehabilitation generally achieves noticeable effects in the areas where the impairment is pronounced. In both the parent and the rehabilitation patient survey, there was a high level of satisfaction. The parents of rehab patients under the age of 12 years gave the centres an average assessment of 1.6 to 1.8; rehab patients over the age of 12 years gave the centres an average grade of 2.0 (1=very good to 5=very bad). The differences among the centres were very low after risk adjustment, especially for outcome quality.

Conclusions: The strengths of the instruments that were developed are that a scientifically demanding quality measurement was conducted (e. g., combination of indirect and direct measurement of change, several methodological approaches to measuring results, wide range of endpoints analysed, homogeneous comparison groups, elaborate risk adjustment process). There are limitations, especially with respect to the rather great effort needed and not particularly high power for the comparison of centres. The German pension fund and the statutory health insurers are now discussing on the basis of the results of the project the routine implementation of quality assurance in children/adolescent rehabilitation and concrete steps that can be taken to implement it in routine health care.

Literatur

Anhang

Die Items der neu entwickelten Instrumente

Wahrgenommene Veränderung (Selbstbeurteilung am Beispiel Adipositas)

Items:

  • Mein Leben trotz der Erkrankung so leben, wie ich es möchte

  • Mich körperlich wohl fühlen

  • Unangenehme Gefühle, die mit der Erkrankung zusammen hängen

  • Kontakt zu meinen Freunden und zu anderen Kindern und Jugendlichen

  • Ärger und Sorgen wegen meiner Medikamente

  • Häufigkeit von Beschwerden wegen meines Übergewichts

  • Stärke von Beschwerden wegen meines Übergewichts

  • Durch die Reha hat sich meine Gesundheit insgesamt verbessert/verschlechtert

Antwortmöglichkeiten: hat sich deutlich verbessert, hat sich etwas verbessert, da gab es keine Veränderung, hat sich etwas verschlechtert, hat sich deutlich verschlechtert

Rehabilitandenzufriedenheit

Items:

  • Wie hat dir dein Zimmer gefallen?

  • Wie fandest du die Spiel- und Freizeitmöglichkeiten im Haus (Spiele, Räume, …)?

  • Wie fandest du die Spiel- und Freizeitmöglichkeiten draußen?

  • Wie hat dir das Essen geschmeckt?

  • Wie fandest du die Betreuerinnen und Betreuer?

  • Wie fandest du die medizinische Betreuung durch die Ärzte?

  • Wie waren die Behandlungen und Therapien insgesamt?

  • Wie fandest du die Schule während der Reha?

  • Bewertung Schulungen

  • Bewertung Sport- und Bewegungstherapie

Antwortmöglichkeiten: sehr gut, gut, ging so, schlecht, sehr schlecht (zusätzlich mit Smileys visualisiert)

Elternzufriedenheit

Items:

  • Mein Kind hat sich in der Rehaklinik wohl gefühlt.

  • Die Unterbringung in der Rehaklinik hat meinem Kind gefallen.

  • Ich war mit der medizinischen Betreuung meines Kindes zufrieden.

  • Mein Kind fühlte sich bei dem Betreuer bzw. der Betreuerin der Gruppe wohl.

  • Mein Kind hat sich in der Kinder-Gruppe wohl gefühlt.

  • Mein Kind hat während des Aufenthalts Freunde gefunden.

  • Ich habe von der Klinik alle wichtigen Informationen zur Vorbereitung auf den Rehaaufenthalt erhalten.

  • Bei Rückfragen an die Klinik vor, während oder nach der Reha wurde mir freundlich Auskunft gegeben.

  • Für die Zeit nach der Reha erhielt ich Empfehlungen zur Nachsorge.

Antwortmöglichkeiten: trifft überhaupt nicht zu, trifft eher nicht zu, trifft teil zu teils nicht, trifft eher zu, trifft voll und ganz zu

Korrespondenzadresse

PD Dr. E. Farin

Universitätsklinikum Freiburg

Abteilung Qualitätsmanagement

und Sozialmedizin

Engelbergerstraße 21

79106 Freiburg

Email: erik.farin@uniklinik-freiburg.de