Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2011; 46(5): 318-322
DOI: 10.1055/s-0031-1277973
Fachwissen
Anästhesiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gerinnungsoptimierung mit ROTEM® – Contra

Hemostasis management based on ROTEM: contraBeate Kehrel
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Publikationsdatum:
10. Mai 2011 (online)

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Zusammenfassung

Die Thrombelastometrie/grafie wird heute in vielen OPs als Globaltest der Gerinnung eingesetzt und therapeutische Maßnahmen werden aus den Ergebnissen der Tests abgeleitet. Im Rahmen der Pro- und Contra-Beiträge der Zeitschrift beleuchtet dieser Artikel kritisch, warum eine patientennahe Gerinnungsoptimierung, welche allein auf Untersuchungen mit dem ROTEM basiert, zurzeit nicht empfohlen werden kann. Die Autorin sieht dagegen einen hohen Stellenwert der Thrombelastometrie als wertvolle Ergänzungsmethode für die Diagnostik von perioperativen Gerinnungsstörungen direkt durch einen Hämostaseologen oder in enger Kooperation mit einem erfahrenen Hämostaseologen.

Abstract

Diagnostic point of care testing based on thrombelastometry with the aim to fully understand the overall changes in global haemostasis during the perioperative phase is today performed in several operating theatres. Therapeutic measures are based on these laboratory results. Within the scope of a pro and contra outline of the journal this paper comment, why point of care diagnostic solely based on laboratory testing using the ROTEM is not recommendable. On the other hand the author values the thrombelastometry as a supplementary supportive method used directly by haemostasis specialists or in a tight cooperation with such skilled specialists.

Kernaussagen

  • Grundsätzlich ist die Thrombelastometrie mittels ROTEM für die richtige Fragestellung und den in Anwendung und Interpretation geschulten Fachmann eine Bereicherung der Diagnostik. Aber:

    • Patientennahe Diagnostik mit ROTEM im OP führt nicht zu Kostensenkung, sondern treibt die Kosten weiter an.

    • Das ROTEM ist zur prä- und intraoperativen Abschätzung einer zukünftigen Blutungsneigung oder Thrombosegefährdung nicht geeignet.

    • ROTEM ist als allein stehender Globaltest nicht in der Lage, alle Ursachen für Blutungsneigungen aufzuzeichnen; wesentliche Ursachen werden übersehen.

    • ROTEM spiegelt die Veränderungen der Hämostase im Patienten nicht 1:1wider.

    • Nur in seltenen Fällen sind Anwender und Auswerter der ROTEM-Analytik geschulte Hämostaseologen. Daher ist unbedingt eine Zusammenarbeit zwischen dem Personal im OP und den Hämostaseologen notwendig. Nicht Konkurrenz, sondern vertrauensvolle Kooperation ist hier das Motto.

    • Es fehlen prospektive, kontrollierte und möglichst multizentrische Studien, die belegen, dass eine ROTEM-basierte Therapie von Gerinnungsstörungen dem Patienten hinsichtlich harter Parameter wirklich nutzt und nicht schadet.

    • Erst nach solchen Untersuchungen kann eine Kosten-Nutzen-Analyse erfolgen.

    • Daher sollte eine ROTEM-basierte Diagnostik zur Optimierung der therapeutischen Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt ausschließlich in prospektiven, kontrollierten Studien erfolgen, welche die Auswirkungen der ROTEM-geleiteten Therapie während und insbesondere auch nach der OP über einen längeren Zeitraum erfassen.

    • Generell sollten Laborwerte eine Therapieentscheidung immer nur unterstützen, aber nie allein als Rechtfertigung für eine Therapie dienen. Anamnese, Komorbiditäten, erwarteter Verlauf, Situation, körperliche Untersuchung, die Fragen, ob überhaupt eine verstärkte Blutung zu beobachten ist und ob der Befund plausibel ist, sollten stets berücksichtigt werden.

Weiteres Material zum Artikel

Literaturverzeichnis

Prof. Dr. Beate Kehrel

eMail: kehrel@uni-muenster.de