Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2011; 18(2): 61
DOI: 10.1055/s-0031-1277612
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Höhenkrankheit am Kilimandscharo – Wer erreicht den Gipfel und wer wird dabei krank?

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Publikationsdatum:
21. April 2011 (online)

 
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Foto: Dr. Jörg Schneider

Davies AJ, Kalson NS, Stokes S et al. Determinants of summiting success and acute mountain sickness on Mt Kilimanjaro (5895 m).
Wilderness Environ Med 2009; 20; 311-7

Thema: Die Besteigung des Kilimandscharo in Tansania ist der Traum vieler Bergsteiger. Der mit 5895 m höchste Berg Afrikas ist einer der beliebtesten der sehr hohen Berge. 30 000 Menschen versuchen jedes Jahr, den Gipfel zu erreichen. Er ist der höchste freistehende Berg der Erde und erhebt sich aus einer Hochebene. Im Gegensatz zu vielen Bergen der südamerikanischen Anden und des Himalaja ist er sehr leicht erreichbar. Auch erfordert der Aufstieg keinerlei Erfahrung im Felsklettern oder im Umgang mit Eisausrüstung wie Eispickel oder Steigeisen. Es genügen gute Wanderschuhe und ausreichend warme Kleidung. Akute Höhenkrankheit tritt bei Bergsteigern am Kilimandscharo häufig auf. Nur 66 % der Aspiranten erreichen auf der leichtesten Route - der Marangu- oder auch Coca-Cola-Route - den Gipfel.

Projekt: Innerhalb eines 16tägigen Zeitraums wurden insgesamt 312 Bergsteiger am Kilimandscharo auf der Marangu-Route untersucht und befragt. Jeden Abend wurden Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung gemessen und registriert sowie der "Lake-Louise-Score" für akute Höhenkrankheit ermittelt. Diese Werte wurden an 3 beziehungsweise 4 Tagen erhoben. Außerdem wurde jeder Bergsteiger zur erreichten Höhe, Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahme befragt. 181 vollständige Datensätze wurden analysiert und in verschiedene Gruppen unterteilt:

  • Ziel: in 4 Tagen zum Gipfel

  • Ziel: in 5 Tagen zum Gipfel inklusive 1 Ruhetag zur Akklimisation

sowie

  • Einnahme von Acetazolamid zur Prophylaxe der akuten Höhenkrankheit

  • keine Einnahme von Acetazolamid

Ergebnis: Bergsteiger ohne prophylaktische Einnahme von Acetazolamid hatten mit oder ohne Ruhetag gleich hohe Gipfelchancen. Jedoch litten sie weniger häufig an der akuten Höhenkrankheit - Lake-Louise-Score ≤ 4 -, wenn sie einen zusätzlichen Ruhetag einlegten und den Gipfel in 5 statt 4 Tagen anstrebten.

Die größten Erfolgsaussichten hatten die Bergsteiger, die sich 5 Tage Zeit nahmen und zusätzlich Acetazolamid einnahmen. Der Wirkstoff erhöhte die Gipfelchancen nicht, wenn Teilnehmer nur 4 Tage einplanten.

Fazit: Je länger die Akklimatisationszeiten sind, desto höher sind die Chancen den Gipfel zu erreichen und dabei auch gesund zu bleiben. Empfehlenswert sind am Kilimandscharo die längeren Aufstiegsrouten, eventuell in Kombination mit Touren auf andere Berge in der Nähe, Mt. Meru 4566 m oder Mt. Kenya 5199 m, um sich der Höhe anzupassen. Acetazolamid kann die Gipfelchancen erhöhen, wenn auch zusätzliche Akklimatisationstage eingeplant werden.

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Foto: Dr. Jörg Schneider

Kommentar

Um sich an große Höhen zu gewöhnen gilt weiterhin, nicht zu schnell zu hoch zu steigen. Die Studie zeigt, dass zusätzliche Tage sinnvoll und empfehlenswert sind. Akute Höhenkrankheit tritt unter Bergsteigern am Kilimandscharo häufig auf. Wurden keine Maßnahmen getroffen, beträgt die Inzidenz auf der Marangu-Route 77 %. Die Studie zeigt außerdem, dass die Erfolgsaussichten dieser Bergsteiger, den Gipfel zu erreichen, mit 61 % niedrig sind. Acetazolamid kann helfen, wenn die Regeln für eine sinnvolle Akklimatisation beachtet werden. Auch Touren auf benachbarte Berge sind eine gute Vorbereitung und erhöhen die Gipfelchancen erheblich.

Ist die Einnahme von Acetazolamid zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit Doping? Ich meine, dass Bergsteigen am Kilimandscharo kein Wettkampfsport ist. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er die sportliche Leistung des Gipfelerfolgs am Kilimandscharo mit oder ohne Acetazolamid vollbringen will.

Dr. Jörg Schneider, München

 
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