1899 gründeten der Maurer Carl Miele und der Handelsreisende Reinhard Zinkann in einer
ehemaligen Korn- und Sägemühle im ostwestfälischen Herzebrock die Zentrifugen-Fabrik
Miele & Cie. Mit 11 Mitarbeitern, 4 Drehbänken und einer Bohrmaschine bauten sie zunächst
Milchzentrifugen. Im Jahre 1900 kamen Buttermaschinen hinzu, auf deren technischen
Grundlage dann die erste Waschmaschine entwickelt wurde. Bis heute stehen die Familien
Miele und Zinkann an der Unternehmensspitze und haben in den letzten 111 Jahren, getreu
dem Gründerväter-Motto "immer besser", das Familienunternehmen zu einem der führenden
Hersteller von Haushaltsgeräten gemacht. Aber Miele baut nicht nur Waschmaschinen
und Staubsauger für den Hausgebrauch. 1965 beginnt Miele mit dem Bau von gewerblichen
Wäschereimaschinen und Melkanlagen; seit den 60er Jahren auch Geräte für den medizinischen
Bereich. Aus den Anfängen der Laborspüler ist inzwischen die Geschäftssparte "Miele-Professional"
geworden, die sich im Medizinbereich schrittweise vom Geräte-Lieferanten zum Systemanbieter
entwickelt.
Dr. Markus Miele
Wir sprachen mit Dr. Markus Miele, Urenkel des Firmengründers und derzeit mit Dr.
Reinhard Zinkann geschäftsführender Gesellschafter, über Mieles Ambitionen im "Professional"
Bereich.
? Herr Dr. Miele, der Name Miele steht seit fast 112 Jahren für Haushaltsgeräte. Ihr
Urgroßvater hat mit Reinhard Zinkann zusammen erst Milchzentrifugen und Hand-Buttermaschinen,
dann Haushaltshelfer wie die erste Waschmaschine oder den Staubsauger gebaut. Wie
kommt ein Haushaltsgerätehersteller dazu, Reinigungs- und Desinfektionsgeräte für
Krankenhäuser oder Arztpraxen zu entwickeln?
Dr. Markus Miele: In unserem Unternehmen hat es solche Entwicklungen schon früh gegeben. Das erste
Produkt, das wir heute zum Bereich Professional zählen, haben wir bereits in den 20er
Jahren des letzten Jahrhunderts produziert: Eine Trommelwaschmaschine, die beispielsweise
auch in Krankenhäusern oder auf Gutshöfen eingesetzt wurde.
Die Idee, eine Waschmaschine für Großbetriebe zu bauen, hatte mein Urgroßvater, da
er auf einem Bauernhof aufgewachsen war und wusste, dass dort viel Wäsche anfiel.
So kam man bei Miele schon relativ früh auf die Idee, für Großwäschereien voluminösere
Geräte zu bauen.
? Wann hat Miele angefangen, Geräte für den medizinischen Bereich zu entwickeln?
Miele: Die Kernzelle für unsere Instrumentenspüler war der vollautomatische Geschirrspüler
für den Haushalt, den wir 1960 auf den Markt gebracht haben. Jedoch lief die Entwicklung
nicht unbedingt parallel. Im Labor gibt es unterschiedlichste Verunreinigungen, die
nicht zu vergleichen sind mit denen im Haushalt. Deshalb haben wir auf der Basis eines
Haushaltgeschirrspülers einen Laborspüler für die speziellen Anforderungen entwickelt.
Laborspüler müssen mit anderen hartnäckigen Verschmutzungen oder intensiven Farbstoffen
fertig werden. Zudem stand im Labor neben der großen Arbeitserleichterung besonders
auch der Arbeitsschutz im Vordergrund. Im Vergleich zur manuellen Reinigung wurde
sehr schnell deutlich, dass das Ergebnis gleichbleibend und damit wiederholbar war,
ein wichtiger Aspekt beispielsweise für Krankenhäuser.
Die Entwicklung von Reinigungs- und Desinfektionsgeräten für den Medizinbereich kam
als Folgeschritt erst später hinzu. Diesen Bereich haben wir dann in den 1970er und
1980er Jahren kontinuierlich vergrößert und uns weiter spezialisiert. Wichtige Schritte
in der Entwicklung setzten wir mit dem Thermodesinfektor und der Möglichkeit zur Aufbereitung
von Instrumenten für die minimalinvasive Chirurgie ab den 1990er Jahren.
? Die ersten gewerblichen Maschinen waren Weiterentwicklungen von Haushaltsgeräten.
Im vergangenen Jahr hat der Professional-Umsatz überproportional zugelegt - Tendenz
steigend. Schafft man das so nebenbei, mit Nebenprodukten aus dem Kerngeschäft?
Miele: Wir haben heute deutlich größere und auf den Bereich Professional fokussierte Entwicklungsabteilungen.
Vor 2 Jahren haben wir in Bielefeld ein neues Kompetenzzentrum gebaut, um uns damit
stärker auf den Medizin- und Dentalbereich zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang
wurden alle Entwickler und Produktionsmitarbeiter, die sich in Bielefeld mit der Medizintechnik
beschäftigen, in einem Segment konzentriert.
? Das Reinigen und Desinfizieren ist in den letzten 50 Jahren, also seit der Entwicklung
des ersten Laborspülers durch höhere Anforderungen, kompliziertere Instrumente und
nicht zuletzt gesetzliche Auflagen nicht einfacher geworden. Reicht da - etwas vereinfacht
gesagt - noch heißes Wasser und Seife?
Miele: Nein, das hat sich deutlich geändert. Heute geht es um die Mechanik und Chemie und
um immer komplexere Instrumente. Wir arbeiten intensiv an speziellen Lösungen, diese
aufbereiten zu können. Das heißt, wir müssen neue Programme und Gerätelösungen bieten.
Hierzu brauchen wir den ständigen Kontakt mit entsprechenden Instituten. Aber es geht
auch um ganz andere Anforderungen wie den Wasser- und Energieverbrauch zu reduzieren,
Zeitersparnis durch verkürzte Chargenzeiten, d. h. Durchlaufzeiten zu erzielen, um
dem Operateur das Instrumentarium wieder schnell zur Verfügung stellen zu können.
Weitere Themen sind die Aufbereitung von orthopädischen Instrumenten oder Instrumenten
für die minimalinvasive Chirurgie.
? Was ist an der Aufbereitung orthopädischer Instrumente so problematisch?
Miele: Orthopädische Instrumente und vor allem Motorensysteme haben einen hohen Aluminiumanteil.
Wenn man sie mit einem alkalischen Reinigungsmittel reinigt, könnten sie beschädigt
werden. Wir mussten also nach einem Verfahren für Medizinprodukte aus Aluminium suchen,
das diese Instrumente schonend aber trotzdem gut reinigt. Hierfür haben wir das Spezialprogramm
Orthovario entwickelt, das durch den Einsatz von speziellen Prozesschemikalien besonders
schonend bei sehr guten Reinigungsergebnissen arbeitet.
Aber nicht nur für die alkalisch-empfindlichen Medizinprodukte mussten Lösungen gefunden
werden, sondern auch für die nach RKI-Richtlinien kritischen bzw. reinigungskritischen
Instrumente. So haben wir vor einigen Jahren das Programm Oxivario entwickelt, das
die Prionenanzahl deutlich reduziert. Das schafft man mit der Zugabe von Wasserstoffperoxid
während der alkalischen Reinigung - also Mechanik plus Chemie. Mit Oxivario haben
wir für einige Krankenhäuser, die entsprechend kontaminiertes Spülgut haben, ein Problem
lösen können.
? Sie haben angekündigt, dass sich Miele im Medizin- und Dentalbereich schrittweise
vom Geräte-Lieferanten zum Systemanbieter entwickeln will. Was wird aus den "klassischen",
also kleinen Reinigungs- und Desinfektionsautomaten? Wird deren Weiterentwicklung
dann hintenangestellt?
Miele: Nein sicherlich nicht! Im Dental-Bereich sind wir seit vielen Jahren mit unseren
Thermo-Desinfektoren vertreten. Reinigung und Desinfektion ist aber nur ein Teil des
Prozesses. Danach müssen die Instrumente noch sterilisiert werden. Wir haben uns deshalb
entschlossen, hier weitere Kompetenz im Bereich der Sterilisation aufzubauen und sind
mit einem Dentalsterilisator auf den Markt gekommen. Auch aus dem Krankenhausbereich
kommt zunehmend die Anforderung, den gesamten Prozess der Instrumentenaufbereitung
abzudecken.
Wir beherrschen den Teilprozess Reinigung/Desinfektion seit langer Zeit gut. Im Bereich
Sterilisation werden wir unsere Kompetenz weiter ausbauen. Auch hier erweitern wir
unser Produktprogramm um Großsterilisatoren ab Mitte 2011.
? Für den von Miele auf der MEDICA 2010 vorgestellten neuen Großsterilisator "Generation
PS 5000" muss ein Krankenhaus hoch investieren. Ab wann lohnt sich der Kauf eines
solchen Großsterilisators für eine Klinik?
Miele: Eine pauschale Aussage hierzu gibt es nicht, da dies sehr stark von der Spezialisierung
des Krankenhauses oder Dienstleisters abhängt und immer eine individuelle Entscheidung
ist: Welche Bestecke? Wie viele OPs? Wie viele Sterilguteinheiten fallen täglich an?
Wie groß ist das Krankenhaus? Das muss analysiert werden.
? Was bietet ein solcher Großsterilisator für sein Geld?
Miele: Aus dem Krankenhausbereich kommt zunehmend die Anforderung, den gesamten Prozess
der Instrumentenaufbereitung abzudecken. Wir bieten mit dieser Reihe eine Komplettlösung,
die alle Aufbereitungsstufen abdeckt. Auch Containerwaschanlagen können zu diesem
System gehören. Selbstverständlich bieten wir für alle Gerätetypen den entsprechenden
Service an.
? Die Wirtschaftlichkeit sei beeindruckend, schwärmt Miele. Was ist daran so wirtschaftlich?
Miele: Bei kurzen Durchlaufzeiten ist das Instrumentarium wieder sofort verfügbar. Außerdem
muss das Krankenhaus wesentlich weniger oft neue Instrumente anschaffen, da diese
im Reinigungsprozess schonend behandelt worden sind und damit eine längere Lebensdauer
haben. Somit kann der Kapitaleinsatz deutlich reduziert werden. Aber auch die laufenden
Betriebskosten wie Energie- und Wasserverbrauch konnten wir senken, ohne dass die
Reinigungsergebnisse davon negativ beeinflusst werden.
? Anlagen und Instrumente bilden zusammen genommen eine sehr komplexe Einheit. Erfordert
dieses spezielle Kenntnisse bei der Bedienung?
Miele: Es ist wichtig, dass das Personal vor Ort weiß, welches Programm wann gewählt und
eingestellt werden muss. Dazu gehören Kenntnisse über die Instrumente, aber auch über
das Einsortieren in die Körbe. Spezialinstrumente müssen so einsortiert werden, dass
sie auch gereinigt werden können, sonst kann auch der beste Reinigungs- und Desinfektionsautomat
nichts machen. Als Hersteller übernimmt Miele natürlich auch die Einweisung des Krankenhauspersonals
vor Ort. Wir bieten zudem Wiederholungsschulungen an und bei neuem Personal weisen
wir wieder ein. Nur dann kann man ein gutes Ergebnis sicherstellen.
? Der Discounter Lidl wirbt damit, dass er so ziemlich alles sei, außer teuer. Von
Miele könnte man umgekehrt sagen, Miele sei so ziemlich alles, aber nicht billig.
Würden Sie dem widersprechen?
Miele: Unser Anspruch ist ein anderer, als billig zu sein. Wir wollen qualitativ hochwertige
und langlebige Geräte liefern. Aber das Gerät ist nur ein Baustein im System. Gerade
im Krankenhausbereich ist es extrem wichtig, dass im Fehlerfall ein schneller Service
gewährleistet ist, damit die Anlage wieder verfügbar ist.
? Miele ist ein Familienunternehmen und gehört seit 1899 den Familien Miele und Zinkann.
Bis heute wird Miele von beiden Familien geführt. Warum ist der Name Zinkann nie Teil
des Firmennamens gewesen?
Miele: Mein Urgroßvater kam vom Bauernhof, hatte später einen kleinen Laden für Baustoffe.
Reinhard Zinkann war Reisender für Baustoffe. So haben sie sich kennengelernt und
die Entscheidung getroffen, eine gemeinsame Firma zu gründen. Mein Urgroßvater hatte
schon 2 Jahre vorher zusammen mit einem anderen Kompagnon eine Firma, in der die Zusammenarbeit
aber letztlich nicht funktioniert hat. Bei einer Neugründung wurde der Markenname
Miele gewählt und daran hat sich nichts geändert.
!Herr Dr. Miele, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Anne Marie Feldkamp, Bochum