Da staunten die Münsteraner Ärzte nicht schlecht: Der Patient zeigte ihnen schwer
zuzuordnende Flecken auf der Haut, die sich merkwürdig taub anfühlten. Was hatte der
bloß? Als die Infektionsexperten der Uniklinik den Fall aufklärten, war die Sensation
perfekt: Der Patient litt an Lepra! Offensichtlich hatte er sich bei einem Lateinamerika-Aufenthalt
angesteckt. Für eine deutsche Klinik ist ein solcher Patient fast so spektakulär wie
die Landung eines Aliens. Weltweit gesehen ist die Situation etwas anders: Pro Jahr
erkranken immer noch eine Viertelmillion Menschen an Lepra. Dieses Beispiel zeigt:
Unsere hiesige medizinische Versorgung mag noch so umfassend sein – sie deckt nur
einen Ausschnitt von dem ab, was das Gros der Menschen weltweit bedroht. Allein schon
die 17 von der WHO aufgelisteten „neglected diseases” wie Lepra, Schlafkrankheit und
Trachom quälen weltweit eine Milliarde Menschen. Noch viel mehr sind von den Leiden
betroffen, die durch Hygienedefizite, Kriege, Überbevölkerung und Hunger ausgelöst
werden. Eine Wissenschaft, die diese Probleme aus der „Vogelperspektive” betrachtet
und Konzepte entwickelt, mit denen die Gesundheit der Menschheit insgesamt verbessert
werden kann, ist das Fach „Public Health”. Die AG Public Health der bvmd bietet Projekte
an, bei denen Studenten ihren Blick auf die globale Dimension von Gesundheit weiten
können. Egal, ob Sie Menschen in Burkina Faso über Malaria aufklären oder eine „Community-Health-Analyse”
in Kenia durchführen: Hier lernen Sie Aspekte der Medizin kennen, die in Deutschland
oft vergessen werden. Mehr über dieses Angebot erfahren Sie im Artikel „Global denken,
lokal helfen” auf.
Natürlich gibt es auch hierzulande Missstände, die von der Öffentlichkeit gerne ausgeblendet
werden. Ein Problem rückt derzeit angesichts der Flüchtlingsströme aus Nordafrika
wieder in den Vordergrund: die Gesundheit „illegal” bei uns lebender Flüchtlinge.
Diese Menschen sind medizinisch extrem schlecht versorgt. Auch in diesem Bereich können
sich Medizinstudenten sehr sinnvoll engagieren – z. B. in einer der vielen „Medinetz”-Gruppen.
Mehr dazu lesen Sie im Artikel „Patienten dritter Klasse” auf. Eine weitere gesundheitsgefährdete
„Bevölkerungsgruppe”, die bisher nur sehr schlecht ärztlich betreut wird, sind fanatische
Computerspieler. Schätzungen gehen davon aus, dass 9% der Jugendlichen hierzulande
ein Verhältnis zu ihrem PC haben, das der Gier eines Alkoholikers nach der Schnapsflasche
ähnelt. Im Artikel „Im Sog der Scheinwelt” erfahren Sie alles über die Krankheit Computerspielabhängigkeit
(CSA), die so jung ist, dass sie noch nicht einmal im Diagnoseverschlüsselungssystem
ICD-10 auftaucht.
Läuft Ihr PC gerade? Mein Tipp: Schalten Sie ihn aus. Vergessen Sie alles andere,
lehnen Sie sich zurück – und lesen Sie diese Via medici. Herzlichst, Ihr
Dr. med. Dieter Schmid, Redaktionsleitung