Psychiatr Prax 2011; 38(2): 103
DOI: 10.1055/s-0031-1275226
Mitteilungen der BDK

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10 Thesen-Papier der BDK zum neuen Entgeltsystem in Psychiatrie und Psychotherapie

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Publikationsdatum:
10. März 2011 (online)

 
Inhaltsübersicht

Verantwortlich für diese Rubrik: Manfred Wolfersdorf, Bayreuth; Iris Hauth, Berlin

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Vorwort

Die Grundlagen für das neue Entgeltsystem in der Psychiatrie und Psychotherapie sind in §17d SGB V im Krankenhausfinanzierungsgesetz beschrieben. Es soll ein transparentes, leistungsorientiertes, pauschaliertes Entgeltsystem auf der Basis von Tagespauschalen entwickelt werden. Der Gesetzestext schließt neben den teilstationären und stationären Leistungen auch die Leistungen der Institutsambulanz ein, ebenso wie Prüfaufträge über andere Abrechnungseinheiten.

In §17 d KHG beauftragt der Gesetzgeber die Organe der Selbstverwaltung (GKV Spitzenverband Bund, PKV und DKG) und deren Institut zur Kalkulation von Krankenhausentgelten (InEK) das neue Entgeltsystem zu entwickeln.

Der Gesamtprozess wird vom BMG begleitet und überwacht, welches im Wege der Ersatzvornahme Entscheidungen beschließen könnte, falls sich die Selbstverwaltungspartner nicht einigen.

Der Gesetzgeber hat alle Beteiligten unter einen hohen Zeitdruck gesetzt, da schon für 2013 eine zunächst noch budgetneutrale Umsetzung des neuen Entgeltsystems vorgesehen ist. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als das – anders als bei dem DRG-Fallpauschalensystem in der Somatik, das auf das australische System zurückgreifen konnte – für die Psychiatrie weltweit keine Erfahrungen vorliegen.

Die Umsetzung der Inhalte des §17d erfolgte ohne eine vorherige breite Diskus.sion der eigentlichen Ziele des neuen Entgeltsystems und alternativer Wege zu diesem Ziel. Die Fachgesellschaften wurden aufgefordert, innerhalb weniger Wochen im Sommer 2009 Leistungsbeschreibungen nach dem Vorbild der OPS im somatischen Bereich zu erstellen. Divergierende Ansätze zwischen den Fachgesellschaften der Psychiatrie, Psychosomatik, der Bundespsychotherapeutenkammer und der gesetzlichen Krankenkassen führten zu einem aus psychiatrischer Sicht fachlich fraglichen Kompromiss des DIMDI, der im Herbst 2009 veröffentlicht und im Oktober 2010 einer geringfügigen Revision unterzogen wurde.

Die Kliniken und Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie sehen sich durch den geringen Vorlauf an Zeit und den ehrgeizigen Zeitplan einer immensen Herausforderung gegenüber, eine leistungsorientierte Dokumentation flächendeckend einzuführen. Der damit zurzeit zu betreibende Aufwand lässt die Sorge aufkommen, dass die Personalressourcen, die gerade in der Psychiatrie als wichtigstes therapeutisches Agens zur Behandlung von psychisch kranken Menschen gelten, weiter durch Bürokratie reduziert.

Große Sorge, dass die Dokumentation der Leistungen durch die OPS nur ein Minimum der Leistungen in den Kliniken für Psychiatrie abbildet, wird landesweit formuliert.

Ebenfalls dem engen Zeitfenster geschuldet, haben bereits 18 Krankenhäuser am Pretest für das neue Kalkulationshandbuch teilgenommen. Ab 1.1.2011 werden sich die ersten Krankenhäuser an dem Kalkulationsverfahren des InEK beteiligen.

Die zweite Stufe der Entwicklung des neuen Entgeltsystems, nämlich die Einbeziehung der Institutsambulanzen und die Durchführung der Prüfaufträge im Zusammenhang mit einer mittelfristigen Einführung von Vergütungsformen, die eine flexiblere Behandlung stationär, teilstationär, ambulant ermöglichen, sind bisher von den Selbstverwaltungsorganen noch gar nicht in Angriff genommen worden.

Auch Fragestellungen zu Steuerungswirkungen des neuen Entgeltsystems stehen dringender Prüfung an.

Die gegenwärtige Entwicklung unterscheidet sich fundamental von der Situa.tion, in der vor 20 Jahren das derzeitig geltende Entgeltsystem entwickelt wurde, welches das Ergebnis eines langen und ausführlichen Diskurses war, in dem die Fachleute mit ihrer Expertise intensiv eingebunden waren. Diesmal sind die Fachgesellschaften und Verbände in den Gesamtprozess bisher nur am Rande und in nicht systematischer Weise eingebunden. Dies hält die Bundesdirektorenkonferenz für falsch, da Funktionalität und Angemessenheit eines neuen Entgeltsystems entscheidend von den fachlichen Inhalten abhängen. Ein leistungsorientiertes Vergütungssystem kann nur sachgerecht funktionieren, wenn die besonderen Bedürfnisse der psychisch erkrankten Menschen und deren spezifische Behandlung ausreichend berücksichtigt werden. Wie bei der Entwicklung des Entgeltsystems vor 20 Jahren sollte auch jetzt eine Expertenkommission, berufen vom Bundesministerium für Gesundheit, die politischen Entscheidungsträger beraten.

Das 10-Thesen-Papier fasst die wesentlichen Punkte und Voraussetzungen für die Entwicklung eines neuen Entgeltsystems aus Sicht der Bundesdirektorenkonferenz zusammen und dient als Grundlage zur gemeinsamen Positionierung mit den anderen Fachgesellschaften und Verbänden.

Dr. I. Hauth
Vorsitzende der BDK

Prof. Dr. T. Pollmächer
Mitglied des Vorstandes der BDK
Vorsitzender der Kommission "Entgeltsystem"