Dialyse aktuell 2011; 15(2): 117-118
DOI: 10.1055/s-0031-1275217
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17. Essener Peritonealdialyse-Gespräch – Das Peritoneum im Blickpunkt

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14 March 2011 (online)

 
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Das Peritoneum als "Hauptakteur" der Bauchfelldialyse stand im Fokus des 17. Essener Peritonealdialyse-Gesprächs, das im November letzten Jahres unter der Leitung von Prof. Andreas Kribben, Direktor der Klinik für Nephrologie des Universitätsklinikums Essen, PD Heike Bruck und Fachpflegekraft Ina Wiegard-Szramek, Universitätsklinikum Essen, stattfand. Im ersten Veranstaltungsteil wurde das Bauchfell umfassend aus pathologischer, radiologischer und nephrologischer Sicht beleuchtet. Der zweite Veranstaltungsteil widmete sich dann dem Management der PD-assoziierten (PD: Peritonealdialyse) Peritonitis sowie den Themenbereichen intraperitoneale Druckmessung, assistierte PD und Peritonealdialyse bei Diabetes mellitus.

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Das Peritoneum aus der Sicht der Pathologie

Bei Peritonealdialysepatienten können im Laufe der Zeit Veränderungen der peri-tonealen Morphologie und Funktion auftreten, wie Prof. Kerstin Amann, Erlangen, ausführte. Das Bauchfell besteht aus verschiedenen Schichten, erkennbar werden PD-assoziierte Veränderungen am Mesothel, der äußeren Zellschicht und "Barriere" der Serosa. In elektronenmikroskopischer Vergrößerung werden die zahlreichen Mikrovilli der polygonalen Zellen des Mesothels sichtbar. Mitunter zeigen sich Veränderungen in der Formation der Mikrovilli, auch können Degenerationen an den mesothelialen Zellen auftreten, die sich u. a. auch sarkomatoid verändern, also bösartig werden können.

Ein bei Peritonealdialysepatienten häufig auftretendes Phänomen ist die Vermehrung des submesothelialen Gewebes. Dieses ist mit 2 Erkrankungen assoziiert, die allerdings mit sehr unterschiedlichen Prognosen einhergehen: die "einfache" peritoneale Fibrose/Sklerose (PF oder PS) mit Störung der Ultrafiltrationsfunktion und die enkapsulierende peritoneale Sklerose (EPS). Die Inzidenz der EPS ist zwar mit 2,5 % relativ niedrig, doch die Erkrankung ist lebensbedrohlich. Derzeit stehen keine einfachen diagnostischen Marker zur Differenzierung der PF und EPS zur Verfügung. Außerdem ist die Pathogenese der EPS nicht eindeutig geklärt und man konnte keine histologischen Prognoseparameter der EPS identifizieren.

Um diese offenen Fragen zu klären, initiierte man das Deutsche Peritonealbiopsieregister. Die zentrale webbasierte Datenbank soll zukünftig jeden Patienten erfassen, der einen PD-Katheter implantiert oder explantiert bekommt, oder sich einem abdominalchirurgischen Eingriff unterziehen muss. Auch Patienten mit EPS, die peritonektomiert werden, sollen in das Register aufgenommen werden. Die Entnahme, Weiterbearbeitung und Befundung von Peritonealbiopsien erfolgt standardisiert. Durch das Register erhofft man sich valide klinische und wissenschaftliche Erkenntnisse - allem voran die Identifizierung von prädiktiven Markern, die eine frühzeitige Differenzierung zwischen PF und EPS erlauben.

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Das Peritoneum aus der Sicht der Radiologie

Zwar ist die Differenzierung zwischen PF und EPS auch radiologisch nicht möglich, aber generell können PD-assoziierte Veränderungen und Komplikationen mit verschiedenen Methoden der radiologischen Bildgebung dargestellt und diagnostiziert werden, wie PD Hilmar Kühl, Radiologe am Universitätsklinikum Essen, erläuterte. Oft kommt die konventionelle Röntgendiagnostik zum Einsatz, mittels derer zum Beispiel die Katheterposition oder auch Verkalkungen im Peritoneum gut erkennbar sind. Einschränkend ist jedoch die Tatsache, dass diese Untersuchungsform mit einer Strahlenbelastung einhergeht und die Darstellung für feindiagnostische Zwecke nicht ausreicht. Die Schichtaufnahmen der Computertomografie (CT) und CT-Peritoneografie bringen auch eine relevante Strahlenbelastung mit sich und werden mit potenziell nephrotoxischem Kontrastmittel durchgeführt, sind aber aussagekräftiger.

Die CT-Peritoneografie hat sich als Methode der Wahl bei PD-Komplikationen etabliert, da Verteilungsräume, Leckagen, Hernien oder eine inkomplette Verteilung durch peritonitische Adhäsionen gut beurteilt werden können. Für die CT-Peritoneografie wird jodhaltiges Kontrastmittel zusammen mit der Dialyseflüssigkeit in die Bauchhöhle instilliert und nach einer 30-minütigen Mobilisation zur besseren Verteilung wird dann das CT durchgeführt. Vorteile gegenüber dem herkömmlichen CT sind eine klarere Demarkierung von intra- und extraperitonealem Raum sowie die Abbildung des Verteilungsverhaltens.

Die Kernspintomografie/MRT (Magnetresonanztomografie) bietet zwar noch weitere Vorteile wie einen überlegenen Weichteilkontrast, keine Strahlung und die Möglichkeit, im Vergleich zur Peritoneografie auf jodhaltige Kontrastmittel zu verzichten. Sie ist aber für den Routineeinsatz wegen der hohen Kosten nicht zu rechtfertigen. Bei der Verwendung gadoliniumhaltiger MRT-Kontrastmittel bei Dialysepatienten besteht darüber hinaus das Problem der nephrogenen Systemfibrose (NSF). Dies ist eine schwere, zum Tode führende Erkrankung, die - wenn auch nur in seltenen Fällen - auftreten kann. Eine MRT mit Kontrastmitteln sollte man daher nur bei dringender Indikation (z. B. bei Tumorverdacht) bei Dialysepatienten durchführen.

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Das Peritoneum aus der Sicht der Nephrologie

Die Herausforderung für den Nephrologen ist es, die einzelnen Informationen, gewonnen aus Anamnese, Klinik, Laborparametern, Bildgebung und Biopsie, zu interpretieren und aus der Gesamtheit der Befunde die richtige Diagnose und Therapieentscheidung zu treffen, wie Bruck ausführte. Bei der PD ist diese Kompetenz des Nephrologen besonders gefragt: Innerhalb der ersten 5 Jahre gehen dem Verfahren bis zu 50 % der Patienten aus methodenassoziierten Gründen verloren.

Häufige Ursachen für einen Wechsel zur Hämodialyse (HD) sind rezidivierende Peritonitiden oder der allmähliche Verlust der Ultraflitrations- und/oder Dialysekapazität der Peritonealmembran. Letzteres kann durch eine abnehmende Funktion der Aquaporine, durch eine Vergrößerung der Gefäßoberfläche (Neoangiogenese) sowie oft auch durch die bereits angesprochenen morphologischen Veränderungen des Peritoneums hervorgerufen werden. Die Dicke der submesothelialen Kompaktzone nimmt mit den Jahren an der PD zu, was zur Beeinträchtigung und schließlich zum Versagen der Ultrafiltration (UF) führen kann. Eine wichtige Aufgabe des Nephrologen ist daher die regelmäßige Überwachung der peritonealen Funktion ("peritoneal equilibration test" (PET), Aquaporintest, Erfassung der Kreatinin- und Harnstoff-Wochen-Clearance, Erfassung der täglichen UF), um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Weitere aufschlussreiche Kriterien der EPS-Diagnose liefern vor allem die Anamnese - das EPS-Risiko steigt mit Dauer der PD und Anzahl der Peritonitiden - und natürlich die Klinik, da bei EPS-Patienten häufig gastrointestinale Beschwerden und Inflammationssymptome auftreten. Bildgebung, Biopsie und Biomarker im Dialysat können die Diagnostik ergänzen.

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Die intraperitoneale Druckmessung - ein zu selten genutztes "Tool"

Die osmotische Filtration, die bei der PD als Therapieprinzip zugrunde liegt - im Vergleich zur hydrostatischen Filtration bei der HD -, addiert sich aus dem freien Wassertransport über die Aquaporine und dem Transport kleiner Moleküle. Doch der osmotischen Filtration wirkt der Prozess der Reabsorption entgegen und mindert die Ultrafiltration. Ein Teil der Reabsorption ist lymphatisch bedingt, der größere Teil entsteht durch subperitoneale Flüssigkeitsverluste. Die subperitoneale Reabsorption ist wiederum abhängig vom hydrostatischen Druck, der durch die intraperitoneale Druckmessung (IPP) erfasst werden kann.

PD Rainer Büscher, Klinik für Kinderheilkunde am Universitätsklinikum Essen, führte aus, wann die IPP bei PD-Patienten indiziert ist: zur Optimierung der Dialyseeffizienz bei PD-Beginn, zur Anpassung des Füllvolumens im Verlauf sowie beim Auftreten von Organomegalien. Der richtige Druck ist entscheidend für die UF, denn bei niedrigem IPP nehmen Einlaufmenge und Dialyseeffizienz ab, bei zu hohem Druck wiederum kommt es zu abdominellen Beschwerden, Reflux, Dyspnoe, sowie zu Lecks und vermehrter lymphatischer Rückresorption. Die IPP ist in der pädiatrischen Nephrologie bereits ein weit etabliertes Verfahren, kommt bei Erwachsenen aber noch zu selten zum Einsatz. Dabei könnte sie gerade bei Patienten mit hohem Reabsorptionsgrad zur Optimierung des PD-Verfahrens beitragen.

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Management der peritonealdialyseassoziierten Peritonitis

16 % aller Todesfälle bei PD-Patienten werden durch eine Peritonitis verursacht, doch nur bei 4 % aller Patienten verläuft eine Peritonitis tödlich. Die Bauchfellentzündung ist also ein für die Praxis wichtiges Problem - die Inzidenzrate ist jedoch bei einer Peritonitis pro 60 Behandlungsmonate pro Patient sehr niedrig. Wichtig ist daher die Prävention, wie Ina Wiegard-Szramek, Universitätsklinikum Essen, betonte. Neben der prophylaktischen Antibiotikagabe bei Katheterimplantation zählt dazu die sorgfältige Exitpflege, die bereits im perioperativen Stadium beginnen muss. Wichtig ist auch die Mitarbeit des Patienten, weshalb spezielle Schulungsprogramme notwendig sind. Der Patient muss den Auslauf beurteilen können und bei Problemen rechtzeitig vorstellig werden.

Die Diagnose der Peritonitis erfolgt dann gemäß der neuen Richtlinien der ISPD ("International Society for Peritoneal Dialysis") aus dem Jahr 2010 durch Bestimmung der Leukozytenzahl im Dialysat. Ein trübes Diaylsat mit mehr als 100 Leukozyten/µl, davon mehr als 50 % neutrophile Granulozyten, diagnostiziert die Peritonitis zuverlässiger als die Leukozytenerhöhung allein. Hat der Patient hohes Fieber und zeigt Anzeichen einer Sepsis, wird zusätzlich zu den obligatorischen Dialysatkulturen und Standardblutuntersuchungen auch eine Blutkultur angelegt.

Wie Iva Poludniak, Nephrologisches Zentrum Velbert, erläuterte, sollte beim Vorliegen einer Peritonitis sofort mit einer antibiotischen Therapie begonnen werden, bei Bedarf auch mit einer begleitenden Schmerztherapie. Kommt es innerhalb von 24-96 Stunden nicht zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik und Reduktion der Leukozytenzahl im Dialysat, muss eine weiterführende Diagnostik und Re-Evaluation der Befunde erfolgen. Als ultima ratio ist die Laparotomie und Katheterexplantation zu erwägen.

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Assistierte PD durch den Pflegedienst

Sehr alte oder auch multimorbide Patienten können die Peritonealdialyse häufig nicht mehr selbst durchführen, auch schaffen sie es nicht - zum Beispiel aufgrund nachlassender Sehleistung -, Anzeichen einer Peritonitis oder andere PD-assoziierte Komplikationen rechtzeitig zu erkennen. Doch die Zentrumsdialyse ist für diese Patienten oft keine Alternative - insbesondere, wenn sie bettlägerig und nicht mehr transportfähig sind. Eine gute Option stellt dann die assistierte PD durch einen Pflegedienst dar, wie Frank Erbschloe von "Das Pflegeteam", Wuppertal, erläuterte. Geschulte Pflegekräfte führen die Peritonealdialyse durch und stehen in engem Kontakt mit dem betreuenden nephrologischen Zentrum. Selbst die Kostenerstattung ist in der Regel kein Hindernis, muss allerdings im Vorfeld mit der Krankenkasse geklärt werden.

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PD bei Diabetes mellitus? Yes, we can!

Die PD galt jahrelang wegen der glukosehaltigen PD-Lösungen als kontraindiziert bei Diabetikern. Mittlerweile hat in dieser Frage aber ein Paradigmenwechsel stattgefunden, wie Dr. Bertil Oser, Bernkastel-Kues, erklärte. Die neue Praxisleitlinie der Deutschen Diabetesgesellschaft [1] empfiehlt nun sogar die PD als "First-line"-Verfahren bei diabetischen Patienten.

Bei der PD verhindert die gleichmäßige und langsame UF hypotensive Episoden und die Nierenrestfunktion bleibt länger erhalten. Die PD ist zudem für die von kardiovaskulären Begleitproblemen häufig betroffenen Diabetiker besonders günstig, weil die kardial belastende AV-Fistel (AV: arteriovenös) bei diesem Verfahren obsolet ist. Mittlerweile sind auch glukosefreie PD-Lösungen auf dem Markt. Zudem kann man bei glukosehaltigen Lösungen möglichen Hyperglykämien durch die Anpassung der Insulinzufuhr vorbeugen. Das Insulin sollte in jedem Fall nicht in den Bauch oder die Arme, sondern auf die Körperseite gespritzt werden, um den PD-Katheter zu schonen sowie auch die Arme, falls zukünftig die Anlage eines Shunts notwendig wird.

Oser führte aus, dass er den Patienten aber nicht nur Insulinalgorithmen an die Hand gibt, sondern auch Bewegungsalgorithmen. Die sollen die Patienten zu mehr körperlicher Aktivität motivieren, denn die senkt den Blutzuckerspiegel effektiv und könnte die Glukosemehrbelastung durch die PD ausgleichen.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Beitragsinhalte stammen vom "17. Essener Peritonealdialyse-Gespräch", Universitätsklinikum Essen, unterstützt von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der PR-Agentur albersconcept, Weimar.

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