Dialyse aktuell 2011; 15(1): 46-48
DOI: 10.1055/s-0031-1275205
Forum der Industrie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Rückblick – 5. Stuttgarter Nephrologisches Seminar

Further Information

Publication History

Publication Date:
08 March 2011 (online)

 
Table of Contents

Bereits zum fünften Mal fand das Stuttgarter Nephrologische Seminar unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Mark Dominik Alscher, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart, Prof. Christoph Olbricht, Klinikum Stuttgart, und Dr. Georg Hasche, Nephrologisches Zentrum Wolframstraße, Stuttgart, statt. Das Nephrologische Seminar, das traditionsgemäß der Förderung der Heimdialyseverfahren verschrieben ist und mit Unterstützung der Firma Fresenius Medical Care GmbH durchgeführt wurde, war beispielgebend für eine gelungene, gleichermaßen qualitätsvolle wie thematisch breitgefächerte Fortbildungsveranstaltung.

Das Kernelement bildeten die praxisnahen Workshops zur Peritoneal- und (Heim-)Hämodialyse, die durch Plenumsvorträge zu den Themenkomplexen "Nierentransplantation" und "Aktuelles aus der Nephrologie" abgerundet wurden. Mehr als 130 Nephrologen und Fachpflegekräfte folgten der Einladung am 16. Oktober ins Maritim Hotel Stuttgart.

#

Themenkomplex I: Nierentransplantation

Mit dem kritischen Untertitel "Nierentransplantation zwischen Hoffnung und Konflikt" unterschrieb Dr. Renate Bolley, Stuttgart, ihren Vortrag zur Frage "Wer sollte und wer sollte nicht transplantiert werden?". Grundsätzlich sollte die Transplantation für alle CKD-Patienten (CKD: "chronic kidney disease") die Nierenersatztherapie der ersten Wahl sein, da sie mit der geringsten Morbidität und Mortalität assoziiert ist und die Dialyse als kardiovaskulärer Risikofaktor entfällt. Doch auch abgesehen vom Organmangel gibt es eine Reihe medizinischer Kontraindikationen (z. B. metastasierende Tumorleiden, virale oder bakterielle Infekte, schwere Herz-/Gefäßkrankheiten). Doch diese seien keineswegs immer "absolut": So galt Diabetes mellitus jahrzehntelang als Kontraindikation, heute wüsste man aber, dass gerade Diabetiker von der Transplantation profitieren. Letztendlich steht also der Arzt vor der schwierigen Aufgabe, Risiko und Nutzen individuell abzuschätzen und - im Idealfall gemeinsam mit dem Patienten - die Entscheidung pro oder kontra Transplantation zu fällen.

Die optimale Form der Nierentransplantation stellt die (präemptive) Lebendspende dar, wie Dr. Jochen Wollmeyer, Stuttgart, ausführte. Ihr Anteil beträgt in Deutschland nur circa 20 %. Ängste potenzieller Nierenspender bezüglich einer Verschlechterung ihrer eigenen Gesundheit, insbesondere Nierengesundheit, haben sich als nicht begründet erwiesen [1], so liegt die Inzidenz einer terminalen Niereninsuffizienz bei Nierenspendern signifikant niedriger als in der Allgemeinbevölkerung. Auch die Ergebnisse der blutgruppeninkompatiblen Lebendspende (AB0i), die seit einigen Jahren in Deutschland auch durchgeführt wird, seien zufriedenstellend: Die AB0i weist ein gleiches Transplantat- und Patientenüberleben, keine häufigeren Rejektionen oder Infektionen auf; lediglich das Auftreten von Lymphozelen sei häufiger [2].

Aufseiten des Empfängers ist allerdings die Immunisierung ein zunehmendes Problem aufgrund der steigenden Zahl von Zweit- und Drittnierentransplantationen. Die hochimmunisierten Patienten erhalten oft erst nach sehr langer Wartezeit ein geeignetes Organ und haben ein erhöhtes Abstoßungsrisiko. Das Vorhandensein von donorspezifischen HLA-Antikörpern (HLA: "human leukocyte antigen") ist mit einer hyperakuten Rejektion assoziiert, weswegen oft eine Desensibilisierungstherapie notwendig ist. Zur Risikostratifizierung der Patienten wird der Luminex-SA-Test durchgeführt, da die Luminex-DSA gut mit der Abstoßung korreliert [3]. Zwei Verfahren werden dann kombiniert eingesetzt, wie Prof. Georg Böhmig, Wien (Österreich), ausführte: Die Antikörperdepletion (Plasmapherese, Immunadsorption) und die Immunmodulation (IVIG: intravenöses Immunoglobulin, CD-29-Antikörper, ATG: Anti-Thymozyten-Globulin, ggf. auch Bortezomib). Bei Patienten auf der Warteliste ist das Zeitfenster zwischen Organangebot und Transplantation so kurz, dass bereits präemptiv mit der Desensibilisierung begonnen werden sollte.

#

Themenkomplex II: Aktuelles aus der Nephrologie

Die Zahl nephrologischer Erkrankungen, bei denen man Rituximab einsetzt, wächst - allerdings erfüllt das Präparat nicht immer die hohen Erwartungen, wie Prof. Ralf Kettritz, Berlin, ausführte. Als potenzielle Indikationen für den Einsatz von Rituximab sind vor allem autoantikörpervermittelte Glomerulonephritiden (SLE: Systemischer Lupus erythematodes, mGN: membranöse Glomerulonephritis, "anti-neutrophil cytoplasmic antibodies" (ANCA)-assoziierte Vaskulitis) und weitere glomeruläre Erkrankungen (FSGS: fokal segmentale Glomerulosklerose, Hepatits-C-Virus-assoziierte GN, fibrilläre GN, Immunglobulin-M-Nephropathie) zu nennen. Eine neue Studie [4] zur Rituximabtherapie bei SLE stuft die Rolle von Rituximab als "On-top"-Therapie jedoch eher als gering ein. Erste größere randomisierte, kontrollierte Studien [5], [6] relativieren auch die Erwartungen bei Patienten mit ANCA-assoziierter Kleingefäßvaskulitis mit Nierenbeteiligung. Insbesondere bei ANCA-positiver Kleingefäßvaskulitis mit hoher kumulativer Cyclophosphamiddosis oder bei Rezidiven kann, so Kettritz, Rituximab eine sinnvolle Alternative sein.

Prof. Helmut Geiger, Frankfurt, stellte eine weitere neue Substanz in der nephrologischen Therapie vor: Er sprach über den Einsatz von Vaptanen bei Hyponatriämie. Die Hyponatriämie ist die häufigste Elektrolytstörung, die sich oft in zerebralen Symptomen äußert. Die Ursache ist häufig das Syndrom der inadäquaten antidiuretisches-Hormon-Sekretion (SIADH). Die bisherigen Therapien (Restriktion der Trinkmenge, hyperosmolare Natriumchloridinfusionen, Diuretika) sind wenig verlässlich bzw. mit Complianceproblemen behaftet. Wie die SALT[1]-Studie [7] zeigte, sind Vaptane (selektive V2-Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten) eine gute Therapieoption. Geiger äußerte sich zuversichtlich, dass die neue Substanzklasse auch das Interesse an der Hyponatriämie als klinisch wichtige Elektrolytstörung erhöhen wird.

#

Themenkomplex III: Dialyse

Zoom Image

Bild: Fresenius Medical Care GmbH

Der Workshop zur Peritonealdialyse befasst sich mit der Frage, wie das Verfahren weiter optimiert werden könne. Ein wichtiger Punkt ist dabei das Volumenmanagement, wie Prof. Wim van Biesen, Gent (Belgien), erklärte. Zur quantitativen Erfassung der Überwässerung von Dialysepatienten ist eine Bioimpedanzanalyse hilfreich. Bei der Verwendung des BCM ("Body Composition Monitor", Fresenius Medical Care), einem modernen Multifrequenzgerät, können die quantitative Überwässerung, die Anteile des extrazellulären sowie intrazellulären Wassers und das Gesamtkörperwasser (Harnstoffverteilungsvolumen) einfach, schnell und präzise erfasst werden. Häufig werden in der Praxis für die Beurteilung des Volumenstatus beim Patienten nur die Urinausscheidung und das Ultrafiltrationsvolumen beurteilt. Der wichtigste Parameter, um eine Überwässerung anzuzeigen, ist aber die Flüssigkeitszufuhr. Wie van Biesen betonte, muss man dabei auch den Salzkonsum berücksichtigen, denn viele überwässerte Patienten haben kein "echtes" Ultrafiltrations-, sondern ein Complianceproblem hinsichtlich der Flüssigkeits- und Salzrestriktion.

Prof. Dominik Alscher, Stuttgart, führte in seinem Vortrag zum Problem des Salzhaushaltes von PD-Patienten (PD: Peritonealdialyse) aus, dass eine erhöhte Natriumzufuhr in fast allen Studien mit einer höheren Mortalität verbunden ist. So führe eine Natriumchloridrestriktion nicht nur zur Blutdrucksenkung - der Zusammenhang "Salzzufuhr-Blutdruck-Niere" ist hinlänglich bekannt -, sondern auch zur Abnahme der kardiovaskulären Mortalität. Die WHO empfiehlt daher der Allgemeinbevölkerung einen Salzkonsum von nur 2 g/d. Die KDOQI-Leitlinie (KDOQI: "Kidney Disease Outcomes Quality Initiative") schließt sich dieser Empfehlung weitestgehend an: Sie empfiehlt CKD-Patienten eine Salzzufuhr von 2,4 g/d, HD-Patienten (HD: Hämodialyse) von 2 g/d und PD-Patienten einen noch darunter liegenden Salzkonsum. Alscher führte aus, dass mit modernen PD-Lösungen, sogenannten Niedrignatriumlösungen, mehr Natrium (und Wasser) in Zukunft entfernt werden könnte als mit herkömmlichen Lösungen (120 mmol/l) [8].

Eine andere Möglichkeit, um die Dialyseeffektivität zu steigern - und damit auch den Flüssigkeits-, Salz- und Mineralhaushalt zu verbessern -, stellte Prof. Michel Fischbach, Straßbourg (Frankreich), vor. Die adaptierte APD (apparative Peritonaldialyse), eine Glukose-, Volumen- und zeitgesteuerte angepasste Cyclertherapie, die bereits seit Jahren mit sehr guten Ergebnissen in der pädiatrischen Nephrologie angewendet wird, erzielt auch bei Erwachsenen entsprechende positive Ergebnisse. Dies zeigt auch eine noch unpublizierte Studie des Referenten. Die wohlüberlegte Kombination von Zyklen mit kleinen Füllvolumina sowie kurzer Verweildauer und anschließenden Zyklen mit größeren Volumina sowie längeren Verweildauern kann die Effizienz der APD steigern, insbesondere hinsichtlich der Ultrafiltration, der Natriumelimination, der Blutdruckkontrolle sowie der Elimination von Urämietoxinen und Phosphat.

Die Optimierung des Flüssigkeitshaushaltes ist gerade für Patienten mit kardiorenalem Syndrom von Bedeutung. Grundsätzlich ist die PD als kontinuierliches, gefäßschonendes Verfahren besonders für herzinsuffiziente Patienten geeignet, wie Dr. Martin Kimmel, Stuttgart, erläuterte. Mit der PD kann sowohl die Zeit bis zur Herztransplantation oder zum Klappenersatz überbrückt werden, sie eignet sich aber auch als längerfristiges Verfahren in der Palliativsituation: Sie führt zu einer Beschwerdelinderung und geht somit mit einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen - meist älteren - Patienten einher.

Gute Möglichkeiten der Versorgung älterer Patienten mit der Peritonealdialyse bietet die assistierte PD durch einen Pflegedienst oder zum Beispiel familiäre Assistenz, über die Christa Tast, Stuttgart, sprach. Über Erfahrungen, auch über Möglichkeiten zur Überwindung bürokratischer Hürden bei der Abrechnung mit den Kostenträgern, berichtete der Inhaber eines ambulanten Pflegedienstes, Bernd Sannert, Lahr.

Der ältere, multimorbide Patient stand auch im Mittelpunkt des Workshops zur Hämodialyse. Dr. Thorsten Sonnentag, Stuttgart, sprach über das häufige Problem der Malnutrition bei dieser Patientengruppe. Die gute Ernährung ist essenziell und kann nicht durch eine parenterale Ernährung während der Dialyse (3-mal/Woche) ersetzt werden. Ein weiteres Problem bildet der Gefäßzugang bei älteren Menschen, die oft nur mit einem Katheter versorgt werden. Fachpfleger Wolf-Dieter Ivenz, Stuttgart, führte aus, dass man mit einem optimalen Handling der Dialysekatheter ("Don't-touch"-Technik, Verlängerungsstück) sehr geringe Infektraten erreicht.

Zur Versorgung dementer Dialysepatienten, ebenfalls ein in der Praxis häufig anzutreffendes Problem, sprach die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. Andrea Eva Stauder, Stuttgart. Sie zeigte Möglichkeiten auf, die Dialysezeit für Demenzkranke kurzweiliger zu gestalten. Des Weiteren beleuchtete Dr. Christoph Machleidt, Stuttgart, die palliative Therapie bei älteren Patienten. Er diskutierte in diesem Zusammenhang vor allem den Einsatz von Analgetika. Eine wirklich papierlose Dialyse, und das geräteunabhängig, zeigte Dr. Axel Krieter, München. Abschließend diskutierte Dr. Thomas Schneider, Stuttgart, die Frage, ob die Heimhämodialyse für ältere Patienten Sinn macht. Er plädierte dafür, diese Patienten bereits in der Prä­dialyse wertneutral über die Möglichkeiten aufzuklären. Dann, so Schneider, würden sich mehr Patienten, auch ältere, für Heimdialyseverfahren entscheiden.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Beitragsinhalte stammen vom "5. Stuttgarter Nephrologischen Seminar", Stuttgart, organisiert von der Fresenius Medical GmbH, Bad Homburg.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der PR-Agentur albersconcept, Weimar.

#

Literatur

  • 1 Ibrahim H, et al. N Eng J Med. 2009;  360 459-469
  • 2 Wilpert J, et al. Nephrol Dial Transplant. 2010;  25 3778-3786
  • 3 Wahrmann M, et al. Transpl Int. 2009;  22 982-989
  • 4 Merrill J T, et al. Arthritis Rheum. 2010;  62 222-233
  • 5 Jones R B, et al. N Engl J Med. 2010;  363 211-220
  • 6 Stone J H, et al. N Engl J Med. 2010;  363 221-232
  • 7 Schrier R W, et al. N Engl J Med. 2006;  355 2099-2112
  • 8 Rippe B, Venturoli D. Perit Dial Int. 2008;  28 (Suppl. 3) S131-S136

1 Study of Ascending Levels of Tolvaptan in Hyponatremia

#

Literatur

  • 1 Ibrahim H, et al. N Eng J Med. 2009;  360 459-469
  • 2 Wilpert J, et al. Nephrol Dial Transplant. 2010;  25 3778-3786
  • 3 Wahrmann M, et al. Transpl Int. 2009;  22 982-989
  • 4 Merrill J T, et al. Arthritis Rheum. 2010;  62 222-233
  • 5 Jones R B, et al. N Engl J Med. 2010;  363 211-220
  • 6 Stone J H, et al. N Engl J Med. 2010;  363 221-232
  • 7 Schrier R W, et al. N Engl J Med. 2006;  355 2099-2112
  • 8 Rippe B, Venturoli D. Perit Dial Int. 2008;  28 (Suppl. 3) S131-S136

1 Study of Ascending Levels of Tolvaptan in Hyponatremia

 
Zoom Image

Bild: Fresenius Medical Care GmbH