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DOI: 10.1055/s-0031-1271916
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Soziale Marktwirtschaft im Arzneimittelmarkt
Die GKV hat ein Einnahmen-, aber kein AusgabenproblemPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
24. Januar 2011 (online)
- "Wie viel Gesundheit wollen wir uns in der Zukunft leisten?"
- Gesundheitsökonomische Überlegungen kommen zu kurz
- Definition eines Zieldreiecks und der Zielabweichungen
- Kosten-Nutzen-Bewertung als Grundlage für Preisverhandlungen
Alle reden von der Kostenexpansion im Gesundheitswesen, doch tatsächlich gibt es gar keine Kostenexpansion. Der Gesundheitsökonom Prof. Michael Schlander, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Innovation & Evaluation im Gesundheitswesen, Wiesbaden, sagt: nicht die Ausgabenentwicklung ist das Problem, sondern die nur gering steigenden Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen aufgrund ihrer Bindung an die Entwicklung der beitragspflichtigen Löhne.
Eine Kostenexpansion im Gesundheitswesen gibt es laut Prof. Michael Schlander, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Innovation & Evaluation im Gesundheitswesen, Wiesbaden, tatsächlich gar nicht. Vielmehr weist der Gesundheitsökonom darauf hin, dass der Anteil aller Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland seit mindestens 2 Jahrzehnten konstant bleibt, ausgenommen der Anstieg im Zusammenhang mit der deutschen Einheit. Nicht die Ausgabenentwicklung ist das Problem, sagt er, sondern die nur gering steigenden Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen aufgrund ihrer Bindung an die Entwicklung der beitragspflichtigen Löhne.
Dadurch entsteht eine Finanzierungslücke in der GKV, die durch stets wiederkehrende Beitragssatzsteigerungen ausgeglichen werden muss. Das bedeutet: Die GKV hat ein Einnahmen-, aber kein Ausgabenproblem.
"Wie viel Gesundheit wollen wir uns in der Zukunft leisten?"
Der schnell voranschreitende medizinische Fortschritt, aber auch die demografische Entwicklung sowie eine steigende Zahl chronisch Kranker führen zwangsläufig zu steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen. So lange das Wirtschaftswachstum auch in der Zukunft moderate durchschnittliche Wachstumsraten zwischen 1 und 2 % aufweist, kann sich die Gesellschaft diese steigenden Gesundheitsausgaben laut Schlander durchaus leisten. Die Frage lautet also nicht: "Können wir uns Gesundheit noch leisten?", sondern "Wie viel Gesundheit wollen wir uns in der Zukunft leisten?"


Bild: Fotolia, Fotograf/Grafiker: Birgit Reitz-Hofmann
Gesundheitsökonomische Überlegungen kommen zu kurz
Zu Schlanders Leidwesen kommen gesundheitsökonomische Überlegungen in den aktuellen Gesetzesvorhaben und Steuerungsmodellen von Politik und Selbstverwaltung leider zu kurz. Zur Überraschung vieler Beobachter stehen gerade im Arzneimittelsektor einmal mehr die Bemühungen um Kostendämpfung im Vordergrund der Reformen. Eine systematische Abwägung von Nutzen und Kosten ist kaum erkennbar.
Definition eines Zieldreiecks und der Zielabweichungen
Dr. Andeas Jäcker, Governmental Affairs Manager der Celgene GmbH, München, fordert, statt reiner Kostensenkungspolitik sollte ein Zieldreieck mit den Zielen "Erhöhung der Effizienz", "Berücksichtigung der Präferenzen der Patienten" sowie "Sicherung des Standorts Deutschland" die Arzneimittelpolitik leiten. Darauf aufbauend kann dann ein Soll-Ist-Vergleich zeigen, ob Zielabweichungen bestehen oder nicht. Noch aber ist die Wahrnehmung der Probleme im Arzneimittelmarkt in der Öffentlichkeit meist sehr einseitig. Die problematischen Zielabweichungen liegen laut Jäcker weniger in galoppierenden Kosten als in der Unterversorgung der Patienten.
Kosten-Nutzen-Bewertung als Grundlage für Preisverhandlungen
Er plädiert für soziale Marktwirtschaft auch im Arzneimittelmarkt: Die ökonomische und therapeutische Verantwortung sollte weitestgehend getrennt werden. Kosten-Nutzen-Bewertungen sollten durch eine staatliche Behörde analog zur Zulassung durchgeführt werden. Der Markteintritt darf jedoch im Interesse der Patienten nicht hinausgezögert werden. Das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Bewertung sollte die Grundlage für dezentrale Preisverhandlungen mit Kassen oder Kassenverbünden sein.
Klaus Schmidt, Planegg
Quelle: Presse-Round-Table "Arzneimittel in der Sozialen Marktwirtschaft", am 30. November 2010 in München. Veranstalter: Celgene GmbH, München.


Bild: Fotolia, Fotograf/Grafiker: Birgit Reitz-Hofmann