Zeitschrift für Phytotherapie 2011; 32(3): 134
DOI: 10.1055/s-0031-1271336
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Wirken Bittergurke-Kapseln gegen zu hohe Zuckerwerte?

ExpertenratBrigitte SchmidtUlrich RotheJohannes SchwarzenbeckWolf Wilczek
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Juli 2011 (online)

Bereits im Jahr 2003 hat diese Zeitschrift über die blutzuckersenkenden Eigenschaften der Bittermelone (Momordica charantia, Farn. Cucurbitaceae) berichtet (8), 2004 auch die Österreichische Apothekerzeitung und die Pharmazeutische Zeitung (5, 6). Synonymbezeichnungen sind Bittergurke oder Balsambirne. Es handelt sich um eine einjährige Kletterpflanze, die ursprünglich in Indien und China beheimatet war. Zu den pharmakologisch aktiven Inhaltsstoffen zählen Charantin, dem ein hypoglykämischer Effekt zugeschrieben wird, p-Insulin (verwandt, aber nicht kreuzreaktiv mit bovinem Insulin), die antiviralen Proteine MAP 30 (Momordica anti-protein) und RIPs (Ribosome inactivating proteins) und Momorcharin (Ribosomen-inaktivierende und immunmodulatorische Glykoproteine) (5).

In der großen deutschen Spezialitätentaxe finden sich 38 Bittermelone-Produkte unterschiedlicher Hersteller (1). Die den Blutzucker beeinflussenden Eigenschaften waren in den ersten größeren randomisierten klinischen Studien eher marginal (2), als Begleittherapie im Einzelfall merklich (8). Bei früheren Untersuchungen handelt es sich durchweg um kleine Fallserien, die für eine Bewertung der Sicherheit und Verträglichkeit nicht oder nur eingeschränkt geeignet sind (5, 8). Zwar gibt es noch eine neuere pakistanische Veröffentlichung, deren Autoren sogar eine bessere Blutzuckerkontrolle mit Bittermelonensaft (55 ml/Tag) als mit Rosiglitazon (4 mg/Tag) postulieren (3). Die Studie weist viele formale und inhaltliche Mängel auf (7).

Abb. 1: Bittergurke bei Diabetes: noch zu wenig belastbare Daten.

Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2010 identifizierte lediglich 3 klinische Studien von geringer Datenqualität, die keine signifikanten Unterschiede zwischen der Bittermelone und Placebo oder Glibenclamid hinsichtlich einer Senkung des Blutzuckerspiegels zeigten. Die Dauer der Behandlung reichte von 4 Wochen bis zu 3 Monaten. Insgesamt wurden 350 Patienten mit Typ-2-Diabetes untersucht. Die Nebenwirkungen waren moderat und schlössen Diarrhö und abdominelle Schmerzen ein. Die Autoren des Reviews kommen zu dem Schluss, dass es eine unzureichende Evidenz für den Einsatz der Bittermelone bei Typ-2-Diabetes gibt. Weitere Studien sind als Grundlage für eine Standardisierung und der Qualitätskontrolle der Präparate erforderlich. Auch für eine Verwendung als Nahrungsergänzung sind weitere Beobachtungsstudien zur Bewertung des Effektes erforderlich, bevor eine Empfehlung für die Verwendung ausgesprochen werden kann (4).

Literatur

  • 1 ABDATA Pharma-Daten-Service via Pharma-zie.com (10.8.2009)
  • 2 Dans AM. Villarruz MV. Jimeno CA. et al. The effect of Momordica charantia capsule preparation on glycemic control in type 2 diabetes mellitus needs further studies.  J Clin Epidemiol. 2007;  60 554-559
  • 3 Inayat-ur-Rahman. Malik SA. Bashir M. et al. Serum sialic acid changes in non-insulin-dependant diabetes mellitus (NIDDM) patients following bitter melon (Momordica charantia) and rosiglitazone (Avandia) treatment.  Phytomedicine. 2009;  16 401-405
  • 4 Ooi CP. Yassin Z. Hamid TA. Momordica charantia for type 2 diabetes mellitus. Cochrane Database Syst Rev 2010; CD007845
  • 5 Prinz S. Kopp B. Die hypoglykämische Wirkung der Bittermelone bei Typ Il-Diabetes.  Österr Apotheker Ztg. 2004;  58 111-113
  • 6 Ruwisch L. Bittermelone kann den Blutzucker senken. Pharmazeutische Zeitung Nr. 50/2004
  • 7 Schulz V. Bittermelone bei Typ-2-Diabetes.  Z Phytother. 2009;  30 179-180
  • 8 Zänker KS. Gottschalk G. Hans S. Sicher-heits- und Wirksamkeitsstudie mit einem Extrakt aus Momordica charantia bei Patienten mit Typ-2-Diabetes.  Z Phytother. 2003;  24 163-169

Brigitte Schmidt
Ulrich Rothe
Johannes Schwarzenbeck
Dr. Wolf Wilczek

Apotheke des Universitätsklinikums Regensburg

Franz-Josef-Strauß-Allee 11

93053 Regensburg