Die Wiege von Orthopädie und Unfallchirurgie steht in der Chirurgie. Beide Sprösslinge
der Muttergesellschaft haben in diesem Jahr runde Jubiläen zu feiern: die Orthopädie
blickt auf 110 Jahre eigenständiger Entwicklung, die Unfallchirurgie auf 60 Jahre
seit ihrer Neugründung im Jahre 1950 zurück.
Vor 110 Jahren hatten „zwei Gruppen von Orthopäden, die physikalisch Arbeitenden und
die von der Chirurgie Hergekommenen, den Drang empfunden, in einer besonderen orthopädischen
Gesellschaft vereint zu sein, um die Fragen des Fachs wissenschaftlich vertiefen zu
können“ (G. Hohmann). Ein wesentlicher Grund für den Zusammenschluss der Orthopädie
in einer eigenen Gesellschaft ergab sich aus der Tatsache, dass die Orthopädie auf
den damaligen Chirurgenkongressen nur wenig berücksichtigt wurde. Albert Lorenz beschreibt,
wie sein Vater Adolf Lorenz 1897 seine bahnbrechenden Untersuchungen zur unblutigen
Behandlung der Hüftgelenkluxation vor der Deutschen Chirurgischen Gesellschaft in
Berlin vorgetragen hatte und dort der Lächerlichkeit preisgegeben wurde: „Ungewollt
wurde damit die Abspaltung der orthopädischen Chirurgie von der Mutterwissenschaft
gefördert; der Kongress wurde die Geburtsstunde der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische
Chirurgie.“
Obwohl von Anfang an sowohl konservativ tätige als auch chirurgisch ausgerichtete
Orthopäden vertreten waren, nannte sich die Gesellschaft Deutsche Gesellschaft für
Orthopädische Chirurgie. Sie hatte sich ja aus den Kreisen des chirurgischen Mutterfachs
herausgelöst. Der Bezug zur Chirurgie durch die Namensgebung der Gesellschaft war
daher nahe liegend [1 ].
Wenig anders ging es denjenigen, die unter dem Eindruck des 1. Weltkriegs mit der
Behandlung von Kriegsverletzungen, aber durch die Industrialisierung im zunehmenden
Umfang auch mit maschinenbedingten „Friedensverletzungen“ und ‐schädigungen zu tun
hatten. Sie gründeten 1922 die primär interdisziplinär angelegte Deutsche Gesellschaft
für Unfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin, in der außer Chirurgen
auch Orthopäden, Radiologen, Versicherungsmediziner und vor allem die unter Bismarck
entstandenen Berufsgenossenschaften vertreten waren [2 ].
Beide Gesellschaften haben sich in unterschiedlicher Weise entwickelt, ohne sich dabei
jedoch jemals ganz aus den Augen zu verlieren. Ihre Lebenswege unterschieden sich
vor allem dadurch, dass die in der Deutschen Gesellschaft für Unfallheilkunde vertretenen
„Unfallchirurgen“ die Abnabelung von der Muttergesellschaft nicht vollzogen haben.
Dabei waren schon damals die Aufgaben und Ziele der „Orthopäden und Unfallheilkundler“
in weiten Bereichen überlappend. Bereits vor der Gründung der Gesellschaften wurde
1892 die Zeitschrift für Orthopädische Chirurgie einschließlich der Heilgymnastik und Massage etabliert und 2 Jahre später, 1894, die Monatsschrift für Unfallheilkunde mit besonderer Berücksichtigung der Mechano-Therapie . Da es ja noch keine eigenständigen Gesellschaften gab, waren Autoren und Herausgeber
vielfach in beiden Zeitschriften zu finden, wie dies auch für die Mitgliedschaft in
beiden Gesellschaften galt.
Gründer der Zeitschrift für Orthopädische Chirurgie war Albert Hoffa, der Vertreter der konservativen und operativen Orthopädie als Mitherausgeber
gewonnen hatte. Von Anfang an war also die Orthopädie nicht nur eine chirurgische,
sondern auch eine konservativ tätige Disziplin. Mit der Bezeichnung „orthopädische
Chirurgie“ hoben sich die orthopädisch tätigen Ärzte von den Laienorthopäden des 19.
Jahrhunderts ab. Gleichzeitig meldeten sie mit dem Untertitel „einschließlich der
Heilgymnastik und Massage“ ihren Anspruch auf die weit verbreitete und von der Öffentlichkeit
hoch geschätzte Physiotherapie an [3 ].
Seitdem haben namhafte Personen der Zeitschrift ihr Gesicht gegeben. Nach Hoffa haben
Wollenberg, Biesalski, Max Lange und Cotta als Schriftleiter der Zeitschrift zu großem
Ansehen verholfen. 1996 hat Cotta die Zeitschrift an ein erweitertes Herausgeberteam
übergeben, dessen Schriftleitung Niethard übernahm.
Insbesondere die letzten 20 Jahre haben zu grundlegenden Veränderungen des Gesundheitssystems
und der Versorgungsstrukturen geführt, die von Orthopädie und Unfallchirurgie rasch
und konsequent aufgegriffen wurden [4 ], [5 ]. Wieder einmal waren die Zeitschriften schneller als die Fachgesellschaften: 2007
haben sich die Zeitschrift für Orthopädie und die 1971 gegründete Aktuelle Traumatologie zur Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie zusammengeschlossen. Als Herausgeberteam der neuen Zeitschrift betonten Niethard
und Weise in ihrem Editorial, dass die großen Gründer der Zeitschriften – Hoffa, Wollenberg,
Biesalski und Max Lange für die Zeitschrift für Orthopädie sowie Cotta, Frowein und Weller für die Aktuelle Traumatologie – ebenso wie Autoren und Leser aus dem neuen Fach diesen Meilenstein als „Schlussstein“
einer tragenden Gebäudestruktur empfunden hätten bzw. verstehen werden [6 ].
Folgerichtig kam es 1 Jahr später, am 5. Juli 2008, zur Gründung der Deutschen Gesellschaft
für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), deren wissenschaftliches Publikationsorgan
die Z Orthop Unfall geworden ist [7 ], [8 ]. „Wie in der alltäglichen Patientenversorgung und der Weiterbildung gibt es auch
in der wissenschaftlichen Literatur seit langem überlappende Interessen und Forschungsrichtungen.
Was liegt näher, als diese Synergien zu nutzen und die Einheit des wissenschaftlichen
Denkansatzes zu betonen. Einheit macht stark: beim Austausch von Wissen, bei der Erarbeitung
gemeinsamer Projekte, bei der Entwicklung von Forschungsnetzen und damit auch bei
gemeinsamen Forschungsanträgen, bei der öffentlichen Wahrnehmung des neuen Faches,
bei der Präsenz der neuen Zeitschrift und letztlich beim Impaktfaktor“ [6 ].
Die beiden Herausgeber geben nun den Staffelstab weiter an ihre Nachfolger U. Stöckle,
Tübingen, und D. C. Wirtz, Bonn. Gemeinsam mit F. U. Niethard und K. Weise beendet
auch S. Weller seine langjährige und sehr engagierte Mitwirkung als Herausgeber. Seit
Gründung der Aktuellen Traumatologie 1971 war er bis 1998 deren Herausgeber und hat anschließend über viele Jahre sehr
erfolgreich die Rubrik der „Operativen Techniken“ betreut – erst in der Aktuellen Traumatologie , dann ab 2007 in der fusionierten Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie .
Die Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie wird bei der Darstellung des Faches in der Wissenschaft, aber auch in der Öffentlichkeit
eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Immerhin ist die DGOU inzwischen mit derzeit
über 8200 Mitgliedern die größte Säule im Gebiet Chirurgie: die Größe und Vielfalt
des Faches mit allen seinen Sub- und Superspezialisierungen und die dazugehörige Grundlagenforschung
[9 ] zu berücksichtigen und abzubilden, wird weiterhin im Vordergrund stehen; neue Medien
in das Konzept einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu integrieren, ist die Herausforderung
der Zukunft [10 ].
Wir wünschen unseren Nachfolgern viel Glück und Erfolg, ebenso der Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie nach dem Motto
„Einheit in Vielfalt“.
F. U. Niethard, Aachen
K. Weise, Tübingen