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DOI: 10.1055/s-0030-1270270
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Weiterbildung – Ein Gütesiegel für Chefs, die sich kümmern
Publication History
Publication Date:
15 December 2010 (online)
Bitte eine strukturierte Weiterbildung, konkret und vor Ort, statt einer, bei der man sich alles selber zusammensuchen muss – das war einmal mehr Forderung des Jungen Forums auf dem diesjährigen DKOU. Helfen soll ein neues Gütesiegel.
Es war Dr. Mario Perl vorbehalten, die News des Nachmittags zu präsentieren. "Curriculum des Facharztes O & U – Vorschlag Junges Forum" war der auf den ersten Blick unprätentiöse Titel seines Vortrags am Donnerstag auf dem Kongress. Doch es gab keine Vorlage für ein neues Curriculum. Vielmehr einen anderen Vorschlag mit gewisser Sprengkraft. Man brauche doch ein Feedback für den Arzt in Weiterbildung und für den Weiterbildungsbefugten, streute Perl, derzeit tätig am Universitätsklinikum Ulm, zunächst ganz harmlos in die Runde. "Wir müssen wissen, wer da gut ist und wer die Rote Karte verdient." Und dann handfester: Vorstellbar, so Perl, sei das Ganze als ein Online-Ranking der Weiterbildungsbefugten. Optimalerweise als ein Gütesiegel.
Wie bitte? Wird jetzt das Junge Forum solch ein Gütesiegel entwickeln? kam die zunächst zögerliche Frage aus dem recht ordentlich besetzen Auditorium im Rondell des Saals 6 im Berliner ICC. Das sei zwar ein enormer Kraftakt, erklärte Kai Dragowsky, einer der Sprecher des Jungen Forums. "Aber Ziel sei in der Tat, jetzt mit dem Gütesiegel zu beginnen."
Erst mal die vorhandenen Strukturen verbessern, anstatt aufwendig an den Verordnungen und Vorschriften schrauben, scheint derzeit das Motto des Jungen Forums. Es ist quasi die Nachwuchsorganisation für Orthopäden und Unfallchirurgen (http://www.jf-dgou.de). Das gilt gerade beim Dauerbrenner Weiterbildung.
"Wir wollen endlich konkret Struktur und Transparenz in der Sache sehen", formulierte es Dr. Matthias Münzberg vom Universitätsklinikum Freiburg. Auch alle Umfragen zeigten es: Die Assistenten wollten in der Mindestzeit, nach 6 Jahren fertig sein, sie wollten Facharztverträge, und last but not least: "Die Work-Life-Balance muss stimmen."
Theoretisch wollen das so ähnlich bekanntlich auch die Weiterbildungsordnungen. Die Weiterbildung soll "in strukturierter Form" erfolgen. Doch Papier ist geduldig. Just die Struktur wird nach Umfragen 41 % der Assistenten und mehr verwehrt (siehe dazu auch ZFOU 4/09) 685 Eingriffe, 350 Operationen und 485 weitere Tätigkeiten, laut WBO Baden Württemberg listete Mario Perl auf. "So, und jetzt organisieren Sie sich mal Ihre Weiterbildung. Viel Spaß dabei!"
Die Weiterbildungsordnungen schreiben längst vor, dass jeder, der weiterbildet, ein Curriculum präsentiert, meinte auch Prof. Günter Lob vom Klinikum München-Großhadern. "Das ist eine extrem deutsche Situation: Wir schaffen Dinge und nutzen diese nicht."
"Die Work-Life-Balance muss stimmen"
M. Münzberg
Schon im Mai 2010 hatte das Junge Forum auf einer Klausurtagung in Heidelberg den Schwerpunkt an Reformideen skizziert.
Vorbilder sieht man etwa im Ausland: "In Großbritannien gibt es ein tolles System der Weiterbildung", berichtet Dr. Daniela Depeweg, 2. Sprecherin des Forums. "Dort wird sie in den Kliniken von oben organisiert, ist klar festgelegt, in welchem Jahr man welche Art von Chirurgie betreibt, welche fachlichen Schwerpunkte wie in welchem Jahr erlernt werden." Und so etwas müsse auch in Deutschland endlich der Regefall werden.
Kann nun ein Gütesiegel helfen? Wer es nun wirklich entwickelt und vergibt, blieb auch in Berlin noch unbestimmt. Ein externes Monitoring sei nötig, aber es sei die Frage, wer das mache", meinte Perl. "Das ist eigentlich Aufgabe für die DGOU", betont Depeweg. Das Junge Forum habe in Vielem leider gar nicht die Kapazitäten, um Projekte umzusetzen. Die meisten der Mitglieder absolvieren eben hauptamtlich ihre Weiterbildungszeit.
Stiller geworden ist es derweil um die Kritik an zu langen, überbordenden Leistungskatatalogen für die Weiterbildung – noch auf dem DKOU 2009 eines der meistdiskutierten Themen zum Kontext (siehe dazu ZFOU 6/09). "Man wolle nicht vorrangig bei den Leistungskatalogen streichen", betont heute Daniela Depeweg.
Zu tun hat der neue Pragmatismus auch mit dem "Desaster von Dresden" (DGUGeneralsekretär Prof. Hartmut Siebert). Denn lange zuvor ausgetüftelte Anträge der Chirurgen zu Änderungen an der Musterweiterbildungsordnung wurden vom 113. Deutschen Ärztetag bekanntlich schlicht an die Bundesärztekammer zur erneuten Überarbeitung überwiesen.
Landeten in der Rundablage, wie Prof. Almut Tempka von der Charité in Berlin lakonisch referierte. Tempka (sie leitet den Ausschuss für Fort- und Weiterbildungsfragen der DGOU): "Wir müssen uns ab sofort überlegen, womit wir neu antreten wollen." Ein Weg dahin: Bei erneuten Anträgen auf einen Ärztetag zumindest Einigkeit in der eigenen Fachgesellschaft herstellen.
Es gelte, so Tempka, in den kommenden 2 Jahren sich auf allen Ebenen der DGOU erneut und besser zu überlegen, was im Leistungskatalog wichtig sei und wo in Wahrheit vielleicht "Eitelkeit" der Grund dafür war, dass dieser und jener Eingriff auch noch Vorschrift wurde. Tempka: "Muss jeder eine Wirbelsäule infiltrieren, muss jeder die Säuglingshüfte gemacht haben, das Polytrauma? Oder ist das eigentlich nur dafür da, damit die jeweilige orthopädisch-unfallchirurgische Disziplin ihren eigenen Standpunkt stärkt?"
Klar ist allerdings: Selbst wenn es in Jahren gelingen sollte, auf einem Deutschen Ärztetag doch noch Mehrheiten für Verbesserungen an der Muster-Weiterbildungsordnung zu erreichen, ist diese ein nicht bindender Rahmen. Umgesetzt und konkret festgezurrt wird er von den 16 Länderkammern in den jeweiligen Weiterbildungsordnungen. Und da wird ein gewisser Pluralismus, oder – je nach Sichtweise lästiger Unterschied je nach Bundesland – bleiben. Tempka: "In anderen Ländern machen die Fachgesellschaften die Weiterbildungsordnungen, wir haben ein Grundgesetz, nach dem eben die Länder für Bildung zuständig sind." Ergebnis: "Wir haben da viele Fürstentümer."
Auch Tempka befürwortete angesichts des Stillstands die Idee einer Evaluation der Weiterbilder, appellierte allerdings: "Lassen Sie uns das bitte selber entwickeln, ohne externe Prüfer – diese Beelzebuben bringen uns sonst ganz andere, faustsche, Probleme." Und richtete dann einen Appell, den der Bürger auch sonst alle 4 Jahre hört – diesmal allerdings an die im weißem Kittel gerichtet: "Gehen Sie bitte wählen!" Durchsetzen ließen sich Veränderungen an den Weiterbildungsordnungen nur durch demokratische Mehrheiten in den Landesärztekammern und dem Deutschen Ärztetag.
Der bundesdeutsche Föderalismus treibt noch weitere seltsame Blüten. Im Vorfeld des DKOU versuchte das Junge Forum überhaupt einmal die genaue Anzahl an Assistenten in Weiterbildung zusammenzutragen. "Eine wichtige Kennziffer, um auch beurteilen zu können, inwieweit wirklich bald Ärztemangel droht oder auch nicht", meint Daniela Depeweg. Solche Zahlen sind allerdings Fehlanzeige. Die Bundesärztekammer verwies auf Anfrage an alle 16 Länderkammern. Depeweg: "Wobei wir meinen, dass die BÄK solche Zahlen eigentlich haben sollte."
Adressen der Kontaktstellen, die auf Landesebene für die Weiterbildung zuständig sind, hatte die BÄK allerdings auch nicht. Das Forum suchte sie selbst zusammen und kontaktierte die Zuständigen auf Ebene der Ärztekammern.
Die Antwort von dort: Erneut ein Njet. Man habe diese Zahlen nicht. Depeweg leuchtet das ganz und gar nicht ein: "Allein schon wegen der Festlegung des nach Einkommen gestaffelten Mitgliedsbeitrags gibt jeder Arzt bei seinem Antrag auf Mitgliedschaft in der Kammer an, ob er nun Assistent, Oberarzt oder Chefarzt ist – solche Daten müssen bei den Kammern zu haben sein."
Wer nun wieder nach dieser Statistik fahndet? Das Junge Forum muss passen: Für ein Projekt, das diese Daten einsammelt, will es sich an den Vorstand der DGOU wenden. Nützlich wäre ein Verteiler der Assistenzärzte hierzulande noch aus anderem Grund. Eine jetzt startende neue Umfrage des Jungen Forums zur Situation der Weiterbildung kann nicht direkt an die Adressaten gehen, sondern muss erneut über die jeweiligen Chefs an die Assistenzärzte verteilt werden. Die Umfrage läuft seit November 2010. Das Forum bittet auf jeden Fall um rege Beteiligung.
BE


Der Gewinn liegt auf beiden Seiten: Mit dem geforderten Gütesiegel profitiert nicht nur der Chef, sondern auch die Weiterbildungsassistenten. Denn nur wer eine gut organisierte Weiterbildung bietet, soll die Auszeichnung erhalten (Quelle: Photodisc).


Der Gewinn liegt auf beiden Seiten: Mit dem geforderten Gütesiegel profitiert nicht nur der Chef, sondern auch die Weiterbildungsassistenten. Denn nur wer eine gut organisierte Weiterbildung bietet, soll die Auszeichnung erhalten (Quelle: Photodisc).