Dialyse aktuell 2010; 14(10): 594-595
DOI: 10.1055/s-0030-1270263
Forum der Industrie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

"PD first" – Neue Therapieempfehlungen stellen Bauchfelldialyse in den Fokus

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Publication Date:
15 December 2010 (online)

 
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Das "ERBP Advisory Board" (ERBP: "European Renal Best Practice"), der Expertenrat der Europäischen Nierengesellschaft, hat neue Empfehlungen zur Aufklärung und Behandlung von Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz veröffentlicht [1]. Als Ergänzung zu den gültigen Leitlinien konzentrieren sich die Empfehlungen zur Nierenersatztherapie auf 4 Gebiete:

  • Auswahl des passenden Dialysetyps

  • Entscheidung zwischen manueller Peritonealdialyse (CAPD) und maschinengestützter PD (APD)

  • Wechsel zwischen verschiedenen Nierenersatztherapien

  • assistierte PD

Die Autoren stellen zu Beginn der Empfehlungen klar, dass die HD (Hämodialyse) und PD medizinisch als gleichwertig einzustufen sind. In vielen Studien konnte aber gerade gezeigt werden, dass in den ersten Jahren der Therapie unter PD eine höhere Überlebensrate erreicht werden konnte als unter HD. Nach einigen Jahren glichen sich die Werte dann an. Auf Basis der wissenschaftlichen Daten ist daher grundsätzlich zu überlegen, den Therapiestart bei Neupatienten mit der PD zu planen. Aus diesem Grund empfiehlt das ERBP Advisory Board "PD first", das heißt eine initiale [2] Therapie mit der PD. Gleichzeitig sollte der primäre Faktor bei der Wahl der Therapieform immer die Präferenz des Patienten sein. Das setzt eine umfangreiche und unvoreingenommene Beratung voraus.

Laut Empfehlung sollten alle Dialysezentren nicht nur eine, sondern alle zur Verfügung stehenden Therapieformen anbieten - entweder alleine oder in Kooperation mit anderen Zentren. Dazu gehören:

  • CAPD

  • APD

  • HD (auch in Heimdialyse)

Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Patienten die Therapie auswählen können, die für sie am besten geeignet ist. Alle Patienten und ihre Angehörigen sollten in einem strukturierten Aufklärungsprogramm ausgewogene Informationen zu allen Therapieformen erhalten - das gilt auch für den ungeplanten Dialysestart. Es gibt erste Anzeichen, dass die Versorgung der Patienten beim Angebot von nur einer Therapieform qualitativ schlechter ist.

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Bild: Baxter

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Bild: Baxter

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PD bei älteren Patienten

Besonders ältere Patienten können von der PD profitieren. So fallen shuntbedingte Komplikationen, die bei dieser Patientengruppe besonders häufig auftreten [2], weg. Außerdem ist die PD durch ihren kontinuierlichen Charakter im Gegensatz zur HD schonender für das Herz-Kreislauf-System. Das ist besonders bei älteren Patienten von großem Vorteil, da hier häufig bereits eine Herzinsuffizienz vorliegt. Auch die Lebensqualität spielt bei älteren Patienten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mehrmals wöchentliche Fahrten zum HD-Dialysezentrum können einen negativen Effekt haben [3], [4]. Eine Heimtherapie geht jedoch häufig mit einer gesteigerten Lebensqualität einher.

Komorbiditäten müssen bei älteren Patienten immer mit in die Entscheidung über die passende Nierenersatztherapie einbezogen werden [5]. Ein zunehmender Verlust motorischer Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen des Sehens müssen dabei nicht sofort eine Entscheidung gegen die PD mit sich bringen. Hier ist immer auch die assistierte PD in Erwägung zu ziehen, bei der der Wechsel des Dialysats nicht durch den Patienten selbst, sondern durch eine enge Bezugsperson (Verwandte, Freunde) oder speziell geschultes Pflegepersonal erfolgt.

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Wechsel zwischen den Therapieformen

Die Autoren der ERBP-Empfehlung beschreiben 3 verschiedene Richtungen des Wechsels zwischen verschiedenen Formen der Nierenersatztherapie:

  • HD auf PD

  • PD auf HD

  • der Wechsel nach einer nicht erfolgreichen Transplantation auf HD oder PD

Essenziell ist auch hier zunächst einmal: Patienten müssen darüber informiert sein, dass jede gewählte Form der Nierenersatztherapie auch Komplikationen mit sich bringen kann, die - je nach Schwere - einen Wechsel der Therapieform notwendig machen kann. Bei HD-Patienten sollte bei häufig auftretenden Problemen mit dem Shunt oder einer zu großen kardialen Belastung ein Wechsel auf die PD in Erwägung gezogen werden.

Für PD-Patienten gilt: Peritonitiden sollten alleine kein Grund für den Umstieg auf die HD sein. In den meisten Fällen können diese erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden, ohne dass eine Hospitalisierung angezeigt wäre. Auch die Vorgehensweise, nach einigen Jahren unter PD präventiv auf die HD zu wechseln, um einer "Erschöpfung" des Peritoneums zuvorzukommen, wird vom ERBP Advisory Board nicht unterstützt.

Eine vorübergehende Entfernung des PD-Katheters (z. B. im Falle einer komplizierten Peritonitis) macht den Wechsel auf die HD unumgänglich. Dieser kann allerdings auch lediglich temporär erfolgen, da nach überstandener Infektion ein neuer PD-Katheter eingesetzt und so die Bauchfelldialyse fortgeführt werden kann. Rezidivierende Peritonitiden können auf einen allgemein schlechten Zustand des Peritoneums hindeuten, der einen Wechsel auf die HD erforderlich machen kann.

Bei Patienten nach einer gescheiterten Transplantation gab es in medizinischen Studien keine Unterschiede hinsichtlich der Überlebensraten beim Wechsel auf die HD oder PD [6], [7]. Die Entscheidung sollte grundsätzlich auch dem Patienten überlassen werden und sich seiner Lebenssituation und seinen Präferenzen anpassen.

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Fazit

Die Empfehlungen des Expertenrates der Europäischen Nierengesellschaft zeigen es deutlich: Die Behandlung von Dialysepatienten in Deutschland entspricht häufig nicht dem aktuellen Standard. Gerade die initiale Beratung kann noch optimiert werden: Sie sollte immer ergebnisoffen erfolgen und das Interesse des Patienten in den Mittelpunkt stellen. Auch Dialysezentren sollten langfristig ihr Angebot und ihre Ausstattung an die zentralen Empfehlungen anpassen.

Nina Middel, Köln

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim.

Die Beitragsinhalte wurden nach Informationen der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim, zusammengestellt.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der FAI GmbH, Köln.

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Die zentralen Empfehlungen auf einen Blick

  • Wegen der medizinischen Gleichwertigkeit von HD und PD sollte die Wahl der Dialyseform immer von einem gut informierten Patienten getroffen werden.

  • Dialysezentren sollten alle zur Verfügung stehenden Therapieformen anbieten - entweder alleine oder in Kooperation mit anderen Zentren. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Patienten die Therapie auswählen können, die für sie am besten geeignet ist.

  • Auch bei folgenden Merkmalen bzw. Erkrankungen kann die Peritonealdialyse die Therapie der Wahl sein:

  • - physische oder mentale Einschränkungen

    - fortgeschrittenes Alter

    - Non-Compliance

    - Adipositas

    - Herzinsuffizienz

    - polyzystische Nierenerkrankung

    - Divertikulose

    - abdominale Hernien

    - portale Hypertension

    - Lebertransplantation

  • Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Dialysezentren, bei Therapieproblemen nach Lösungsansätzen zu suchen, um dem Patienten die Therapie seiner Wahl zu ermöglichen. So ist bei Patienten, die die PD nicht selbstständig durchführen können, immer auch die assistierte PD in Erwägung zu ziehen. Es ist außerdem davon auszugehen, dass ein nicht zuverlässiger PD-Patient im HD-Bereich auch mangelnde Therapietreue zeigt.

  • CAPD und APD sind medizinisch völlig gleichwertig. Die Entscheidung für oder gegen ein Verfahren sollte immer dem Patienten überlassen werden.

  • Ein Wechsel von der HD zur PD und umgekehrt ist möglich und sollte bei wiederholt auftretenden Problemen in Erwägung gezogen werden. Peritonitiden bei der PD können meistens erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden und sollten kein Grund sein, auf die HD umzusteigen.

  • Bei Patienten, die nach einer gescheiterten Transplantation wieder dialysepflichtig sind, gibt es keinen Unterschied hinsichtlich der Überlebensraten bei der PD oder HD. Die Wahl sollte auch hier immer dem Patienten überlassen werden.

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Literatur

  • 01 Covic A, Bammens B, Lobbedez T, et al. Educating end-stage renal disease patients on dialysis modality selection: a clinical advice from the European Renal Best Practice (ERBP) Advisory Board.  Nephrol Dial Transplant Plus. 2010;  3 225-233
  • 02 Biesen W van, Vanholder R, Veys N, et al. An evaluation of an integrative care approach for end-stage renal disease patients.  J Am Soc Nephrol. 2000;  11 116-125
  • 03 Moist L M, Bragg-Gresham J L, Pisoni R L, et al. Travel time to dialysis as a predictor of health-related quality of life, adherence, and mortality: the Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS).  Am J Kidney Dis. 2008;  51 641-650
  • 04 Loos-Ayav C, Frimat L, Kessler M, et al. Changes in health-related quality of life in patients of self-care vs. in-center dialysis during the first year.  Qual Life Res. 2008;  17 1-9
  • 05 Kurella M, Covinsky K E, Collins A J, et al. Octogenarians and nonagenarians starting dialysis in the United States.  Ann Intern Med. 2007;  146 177-183
  • 06 Bernardo A, Fonseca I, Rodrigues A, et al. Predictors of residual renal function loss in peritoneal dialysis: is previous renal transplantation a risk factor?.  Adv Perit Dial. 2009;  25 110-114
  • 07 Lobbedez T, Moldovan R, Lecame M, et al. Assisted peritoneal dialysis. Experience in a French renal department.  Perit Dial Int. 2006;  26 671-676
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Literatur

  • 01 Covic A, Bammens B, Lobbedez T, et al. Educating end-stage renal disease patients on dialysis modality selection: a clinical advice from the European Renal Best Practice (ERBP) Advisory Board.  Nephrol Dial Transplant Plus. 2010;  3 225-233
  • 02 Biesen W van, Vanholder R, Veys N, et al. An evaluation of an integrative care approach for end-stage renal disease patients.  J Am Soc Nephrol. 2000;  11 116-125
  • 03 Moist L M, Bragg-Gresham J L, Pisoni R L, et al. Travel time to dialysis as a predictor of health-related quality of life, adherence, and mortality: the Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS).  Am J Kidney Dis. 2008;  51 641-650
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  • 05 Kurella M, Covinsky K E, Collins A J, et al. Octogenarians and nonagenarians starting dialysis in the United States.  Ann Intern Med. 2007;  146 177-183
  • 06 Bernardo A, Fonseca I, Rodrigues A, et al. Predictors of residual renal function loss in peritoneal dialysis: is previous renal transplantation a risk factor?.  Adv Perit Dial. 2009;  25 110-114
  • 07 Lobbedez T, Moldovan R, Lecame M, et al. Assisted peritoneal dialysis. Experience in a French renal department.  Perit Dial Int. 2006;  26 671-676
 
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