Diabetes aktuell 2010; 8(7): 326-327
DOI: 10.1055/s-0030-1269794
Forum der Industrie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Empfehlungen der Nationalen VersorgungsLeitlinie – Peritonealdialyse als Starttherapie bei Typ-2-Diabetes

Further Information

Publication History

Publication Date:
25 November 2010 (online)

 
Table of Contents

Die neue Nationale VersorgungsLeitlinie "Nierenerkrankung bei Diabetes mellitus im Erwachsenenalter" empfiehlt die Peritonealdialyse (PD) als Einstiegsbehandlung für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz [1]. Begründet wird diese Empfehlung mit der Möglichkeit einer weitgehend eigenverantwortlichen Behandlung, einem geringeren Mortalitätsrisiko in den ersten Behandlungsjahren, einem längeren Erhalt der Nierenrestfunktion sowie der kontinuierlichen Ultrafiltration und Entgiftung.

Im internationalen Vergleich wird die PD in Deutschland wenig genutzt. Nur etwa ein Drittel der Dialysezentren betreut PD-Patienten und davon wiederum nur ein Drittel mehr als 10 Patienten [2], [3].

Die Autoren der VersorgungsLeitlinien Typ-2-Diabetes sehen deshalb - neben der späten Zuweisung zum Nephrologen - die fehlenden Kenntnisse der zur Verfügung stehenden Methoden als wesentliche Hindernisse für die Peritonealdialyse [1].

Nach einer offenen, ausführlichen Beratung zu den Möglichkeiten der unterschiedlichen Dialyseverfahren entscheiden sich viele Patienten (30-50 %) für die PD [4]. Hier können die behandelnden Diabetologen eine Schlüsselrolle einnehmen, die Richtlinie aktiv umzusetzen, indem sie die Patienten frühzeitig aufklären bzw. überweisen und gezielt Nephrologen einbeziehen, die auch eine für Diabetespatienten optimierte PD anbieten.

#

PD bietet Patienten mit Diabetes viele Vorteile

Patienten mit Diabetes mellitus profitieren von der PD vor allem, weil kein arterio-venöser Shunt oder zentralvenöser Dialysekatheter erforderlich ist. Denn diese Patientengruppe weist eine erhöhte Rate an Shuntfehlfunktionen sowie eine geringere Shuntüberlebensrate auf [5]. Hinzu kommt die kardiale Belastung durch ein hohes Shuntblutvolumen, das die bei Patienten mit Diabetes mellitus häufig vorliegende Herzinsuffizienz verschlechtern kann [6], [7]. Für diabetische Hämodialysepatienten können auch hypotensive Episoden ein Problem darstellen. Ihnen fehlen durch die diabetische und urämische Neuropathie adäquate Anpassungsreaktionen auf den Volumenentzug während der Hämodialyse (HD) [8].

Zoom Image

Zusammengefasst bietet die PD gegenüber der Hämodialyse folgende Vorteile [6], [7]:

  • keine zusätzliche kardiale Belastung durch einen Shunt

  • keine Shuntkomplikationen

  • bessere Blutdruckkontrolle zu Beginn der Therapie

  • längerer Erhalt der Nierenrestfunktion[*]

  • Heimdialyse mit besserer Lebensqualität und höherer Patientenautonomie

  • keine Heparinisierung erforderlich

  • geringerer Erythropoietinbedarf

  • geringere Infektionsgefahr mit hämatogen übertragbaren Viren

  • meist geringere Kosten

Bei 25-50 % aller dialysepflichtigen Patienten mit Diabetes mellitus eignet sich die PD als Starttherapie [1]. Zu den wenigen absoluten Kontraindikationen der PD zählen z. B. floride intestinale Infektionen und eine stark verringerte peritoneale Austauschfläche z. B. als Folge von Verwachsungen.

#

Blutzuckermessung bei Anwendung von Icodextrin

  • Patienten, die mit Icodextrin behandelt werden, sollten ausschließlich glukose-spezifische Blutzuckermessgeräte und Teststreifen verwenden.

  • Blutzuckermessgeräte und Teststreifen auf Basis der Pyrroloquinolinquinon-abhängigen Glukosedehydrogenase (GDH-PQQ) oder Glucose-Dye-Oxidoreductase dürfen nicht verwendet werden. Auch einige - jedoch nicht alle - Messgeräte oder Teststreifen auf Basis der Flavin-adenin-dinucleotid-abhängigen Glukosedehydrogenase (GDH-FAD) dürfen nicht eingesetzt werden. Die genannten Methoden interferieren mit dem Icodextrin-Metaboliten Maltose und können zu falsch hohen Blutzuckermesswerten bei Patienten führen, die mit Icodextrin behandelt werden.

Weitere Informationen einschließlich einer Liste mit kompatiblen Blutzucker-Messgeräten finden Sie unter http://www.glucosesafety.com.

#

Verringerung der Glukoseaufnahme im Rahmen der PD

Bei PD-Patienten mit Diabetes mellitus kann die Glukoseaufnahme aus der Dialyselösung, die v. a. zu Beginn der Therapie erfolgt, durch eine entsprechende Erhöhung der Insulindosis ausgeglichen werden. Die langfristige Einstellung des Glukosestoffwechsels kann sogar stabiler sein als unter Hämodialyse [1]. Eine Senkung der Glukosezufuhr mit der Kombination von glukosefreien Dialyselösungen kann darüber hinaus zu einer Verbesserung der Stoffwechseleinstellung beitragen: Polyglukose (Icodextrin) und Aminosäuren können Glukose als osmotische Substanzen z. T. ersetzen. Auf diesem Weg kann die Glukosebelastung um ca. 40 % gesenkt werden (Abb. [1]) [10].

Zoom Image

Abb. 1 Dialyselösungen mit Polyglykose (Icodextrin) oder Aminosäuren reduzieren die Glukoselast um mehr als 40 % mod. nach [10].

Durch den Einsatz von Icodextrin konnte bei CAPD-Patienten (CAPD: continuous ambulatory peritoneal dialysis) mit Diabetes mellitus die Stoffwechseleinstellung gegenüber der ausschließlichen Verwendung glukosehaltiger Lösungen signifikant verbessert werden [11]. Die mit Icodextrin behandelten Patienten zeigten eine herabgesetzte Glukoseresorption, niedrigere Nüchternglukose- und HbA1c-Werte, einen geringeren Insulinbedarf sowie niedrigere Triglyzeridwerte (Abb. [2]). Zusätzlich steigerte Icodextrin die Ultrafiltration, verringerte das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen und senkte den systolischen und diastolischen Blutdruck.

Zoom Image

Abb. 2 Signifikant geringerer Insulinbedarf der Patienten bei Verwendung von Icodextrin gegenüber ausschließlicher Verwendung glukosehaltiger Dialyselösungen mod. nach [11].

Mit icodextrin- und aminosäurehaltigen Lösungen konnten bei CAPD-Patienten mit Diabetes mellitus im Durchschnitt bessere Blutzuckerwerte mit geringen Schwankungen erreicht werden als unter konventionellen PD-Regimen [12].

#

Fazit: Die Vorteile der PD sollten für Diabetespatienten häufiger genutzt werden

Die PD kann für Patienten mit Diabetes mellitus nicht nur größere persönliche Freiräume, sondern - wie zahlreiche Studien belegen - auch gesundheitliche Vorteile bringen. Durch den Einsatz glukosefreier Dialyselösungen kann die Stoffwechseleinstellung der Patienten deutlich verbessert werden. Daher empfehlen die Nationalen VersorgungsLeitlinien Typ-2-Diabetes bei terminaler Niereninsuffizienz die PD als Starttherapie. Für die Umsetzung dieser Leitlinie sollte die Zusammenarbeit der diabetologisch verantwortlichen Mediziner mit PD-erfahrenen Nephrologen intensiviert werden.

Dr. Sigrid Schwarz, Köln

Quelle: Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung von Baxter.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der Agentur FAI GmbH, Köln.

#

Literatur

  • 01 Bundesärztekammer (BÄK) .Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes. Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter. Verfügbar unter http://www.diabetes.versorgungsleitlinien.de
  • 02 Plum J . Hämodialyse oder Peritonealdialyse. Studiendaten zur Auswahl des Verfahrens.  Nephrologe. 2010;  5 192-201
  • 03 Frei U , Schober-Halsteberg H J. Nierenersatztherapie in Deutschland. Bericht über Dialysebehandlung und Nierentransplantation in Deutschland 2006/2007, Berlin 2007, http://www.bundesverband-niere.de/files/QuaSi-Niere-Bericht_2006-2007.pdf
  • 04 Baus A . Starttherapie - Für alle Patienten?. Vortrag anlässlich des 2. Peritonealdialyse-Workshops in Gotha am 29.10.2009
  • 05 Huijbregts H J, Bots M L, Wittens C H, et al . Hemodialysis arteriovenous fistula patency revisited: results of a prospective, multicenter initiative.  Clin J Am Soc Nephrol. 2008;  3 714-719
  • 06 Fußhöller A , Rump I C. Peritonealdialyse. Mehr Unabhängigkeit für Dialysepatienten mit Diabetes.  Diabetologe. 2009;  5 549-556
  • 07 Kuriyama S . Peritoneal dialysis in patients with diabetes: are the benefits greater than the disadvantages?.  Perit Dial Int. 2007;  27 (S 2) S190-S195
  • 08 Kleophas W , Hetzel G R. Nierenersatztherapie bei Patienten mit Diabetes mellitus.  Nephrologe. 2007;  2 350-355
  • 09 Jansen M A, Hart A A, Korevaar J C, et al . Predictors of the rate of decline of residual renal function in incident dialysis patients.  Kidney Int. 2002;  62 1046-1053
  • 10 Holmes C J, Shockley T R. Strategies to reduce glucose exposure in peritoneal dialysis patients.  Perit Dial Int. 2000;  20 (S 2) S37-S41
  • 11 Paniagua R , Ventura M D, Avila-Diaz M , et al . Icodextrin improves metabolic and fluid management in high and high-average transport diabetic patients.  Perit Dial Int. 2009;  29 422-432
  • 12 Marshall J , Jennings P , Scott A , et al . Glycemic control in diabetic CAPD patients assessed by continuous glucose monitoring system (CGMS).  Kidney Int. 2003;  64 1480-1486

01 Bei HD-Patienten kommt es im Vergleich zu PD-Patienten zu einem rascheren Absinken der Nierenrestfunktion um 24-89 % [9]. Der längere Erhalt der Nierenrestfunktion bei PD-Patienten wird als Hauptursache für die in den ersten Jahren herabgesetzte Mortalität von PD-Patienten betrachtet.

#

Literatur

  • 01 Bundesärztekammer (BÄK) .Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes. Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter. Verfügbar unter http://www.diabetes.versorgungsleitlinien.de
  • 02 Plum J . Hämodialyse oder Peritonealdialyse. Studiendaten zur Auswahl des Verfahrens.  Nephrologe. 2010;  5 192-201
  • 03 Frei U , Schober-Halsteberg H J. Nierenersatztherapie in Deutschland. Bericht über Dialysebehandlung und Nierentransplantation in Deutschland 2006/2007, Berlin 2007, http://www.bundesverband-niere.de/files/QuaSi-Niere-Bericht_2006-2007.pdf
  • 04 Baus A . Starttherapie - Für alle Patienten?. Vortrag anlässlich des 2. Peritonealdialyse-Workshops in Gotha am 29.10.2009
  • 05 Huijbregts H J, Bots M L, Wittens C H, et al . Hemodialysis arteriovenous fistula patency revisited: results of a prospective, multicenter initiative.  Clin J Am Soc Nephrol. 2008;  3 714-719
  • 06 Fußhöller A , Rump I C. Peritonealdialyse. Mehr Unabhängigkeit für Dialysepatienten mit Diabetes.  Diabetologe. 2009;  5 549-556
  • 07 Kuriyama S . Peritoneal dialysis in patients with diabetes: are the benefits greater than the disadvantages?.  Perit Dial Int. 2007;  27 (S 2) S190-S195
  • 08 Kleophas W , Hetzel G R. Nierenersatztherapie bei Patienten mit Diabetes mellitus.  Nephrologe. 2007;  2 350-355
  • 09 Jansen M A, Hart A A, Korevaar J C, et al . Predictors of the rate of decline of residual renal function in incident dialysis patients.  Kidney Int. 2002;  62 1046-1053
  • 10 Holmes C J, Shockley T R. Strategies to reduce glucose exposure in peritoneal dialysis patients.  Perit Dial Int. 2000;  20 (S 2) S37-S41
  • 11 Paniagua R , Ventura M D, Avila-Diaz M , et al . Icodextrin improves metabolic and fluid management in high and high-average transport diabetic patients.  Perit Dial Int. 2009;  29 422-432
  • 12 Marshall J , Jennings P , Scott A , et al . Glycemic control in diabetic CAPD patients assessed by continuous glucose monitoring system (CGMS).  Kidney Int. 2003;  64 1480-1486

01 Bei HD-Patienten kommt es im Vergleich zu PD-Patienten zu einem rascheren Absinken der Nierenrestfunktion um 24-89 % [9]. Der längere Erhalt der Nierenrestfunktion bei PD-Patienten wird als Hauptursache für die in den ersten Jahren herabgesetzte Mortalität von PD-Patienten betrachtet.

 
Zoom Image
Zoom Image

Abb. 1 Dialyselösungen mit Polyglykose (Icodextrin) oder Aminosäuren reduzieren die Glukoselast um mehr als 40 % mod. nach [10].

Zoom Image

Abb. 2 Signifikant geringerer Insulinbedarf der Patienten bei Verwendung von Icodextrin gegenüber ausschließlicher Verwendung glukosehaltiger Dialyselösungen mod. nach [11].